Artenschutz statt Rosensteinquartier – welche Auswirkungen hat der Verzicht jeglicher Bebauung auf den Artenschutz?

Wir beantragen eine Berichterstattung zu folgenden Punkten im Unterausschuss Stuttgart 21 / Rosenstein am 27. Juni 2023:

  1. Die Stadtverwaltung (Stadtplanungsamt und Amt für Umweltschutz) stellen in Kooperation mit dem Eisenbahnbundesamt vor, welche Auswirkungen auf die Belange von Arten- und Biotopschutz ein vollständiger Verzicht auf jegliche Bebauung auf den S21-Grundstücken hat – im Vergleich zu dem, was derzeit nach dem Entwurf der ASP-Architekten geplant ist (Vergleich Nullvariante versus Stand der Planungen).
  2. Die Stadtverwaltung (Stadtplanungsamt und Amt für Umweltschutz) stellen in Kooperation mit dem Eisenbahnbundesamt vor, welche Optimierungsmöglichkeiten die Nullvariante mit Blick auf die Belange von Arten- und Biotopschutz böte.
  3. Alter Flächennutzungsplan / Rahmenplan sind Grundlage für die artenschutzrechtliche Beurteilung und die Kompensations- und Ausgleichsmaßnahmen der Planfeststellung. Der aktuelle Rahmenplanentwurf sieht aber vor, dass erheblich mehr Fläche bebaut werden soll und damit erheblich mehr Eingriffe in die Lebensräume geschützter Arten vorgenommen werden sollen. Wie und wo sollten/sollen diese zusätzlichen Eingriffe ausgeglichen/kompensiert werden? Wie beurteilt die untere Naturschutzbehörde diese zusätzlichen Eingriffe?
  4. Im Antrag Nr. 144/2023 wird eine zusätzliche Bebauung („Verzahnung im Schlosspark“) der nach Planfeststellung im Bauabschnitt 1.1 als Ausgleichsfläche festgesetzten Fläche gefordert. Ist dies aus Sicht der unteren Naturschutzbehörde rechtlich möglich? Wenn ja: wo und wie sollen diese Eingriffe ausgeglichen werden?
  5. Die Stadtverwaltung (Stadtplanungsamt und Amt für Umweltschutz) stellt in Kooperation mit dem Eisenbahnbundesamt vor, welche Auswirkungen eine Bebauung des Gleisbogenparks für die Belange des Arten- und Biotopschutz hätte.
  6. Die Stadtverwaltung (Stadtplanungsamt und Amt für Umweltschutz) stellen in Kooperation mit dem Eisenbahnbundesamt dar, welche Wirkungen die bisherigen Artenschutz- Ersatz- und Kompensationsmaßnahen entfaltet haben, die im Zuge der Bebauung des A1-Areals ergriffen wurden.

Begründung:

Der Artenschutz wurde beim Thema Stuttgart 21 immer als Randthema betrachtet und von vielen belächelt. Längst ist in der Klimawissenschaft klar, dass Artenschwund und Klimawandel einander verstärken und deswegen zusammen betrachtet werden müssen. Das globale Artensterben wird verschiedentlich als gravierendere Bedrohung angesehen als die Klimaerwärmung. Beide Krisen bedingen und verstärken sich gegenseitig, wie Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, als einer der Autoren einer neuen Studie im Fachmagazin “Science” unlängst betonte.

Auf dem rund 100 Hektar großen Stuttgart-21-Gebiet wurden nach Untersuchungen des städtischen Amts für Umweltschutz 683 verschiedene Arten nachgewiesen – davon waren allein 60 auf der roten Liste. Diese Erkenntnis stammt aus den späten 1990-er Jahren. Seitdem wurden keine vertiefenden Untersuchungen auf dem S21-Gebiet gemacht – auch die Wirkungen von Ersatz- und Kompensationsmaßnahmen (insbesondere beim A1-Gebiet) hat bislang niemand untersucht. Nach EU-Recht ist die Stadt verpflichtet, mit Blick auf den Artenschutz, die Populationen der rechtlich geschützten Arten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ zu erhalten – dieser Erhaltungszustand muss beibehalten werden – hier besteht offensichtlich dringender Nachholbedarf.

Die Tunnelparteien, bestehend aus CDU, SPD, FDP und Freien Wählern, scheinen sich weder um klimatologische noch um artenschutzrechtliche Belange zu kümmern – anders ist der Antrag „Rahmenplan Rosenstein – was ist noch zu prüfen?“ (Nr. 144/2023) nicht zu verstehen. Die einfache Antwort ist: Der Artenschutz ist erneut zu prüfen! Bevor es weitere Planungen geben kann, muss untersucht werden, ob das Gleisvorfeld und die angrenzenden Areale überhaupt unter Berücksichtigung des Artenschutzes bebaubar sind.