Familien in Not – wie Sozialpensionen Kindern schaden

Von Laura Halding-Hoppenheit

Die Armutsquote in Deutschland erreicht laut einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung von Mitte August 2018 einen neuen Höchststand. Knapp 16 Prozent der Bevölkerung leben in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze. Diese Gruppe verfügt über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Dies ist die Folge der ungerechten Steuerpolitik, die Reiche bevorzugt. Die unsägliche Hartz-IV-Gesetzgebung hat zu einer Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit trotz anhaltenden Wirtschaftsbooms geführt.

Was kann Kommunalpolitik beeinflussen, wenn die wesentlichen Weichenstellungen auf Bundesebene gestellt werden? Sind Kommunen darauf beschränkt „Reparaturmaßnahmen“ aufzulegen? Auf lokaler Ebene gibt es durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, um die Lebensbedingungen von Menschen in Not zu verbessern. Die Situation von Eltern und Alleinerziehenden mit Kindern in sogenannten Sozialpensionen oder Sozialhotels wird in der öffentlichen Diskussion selten thematisiert. Solche Unterkünfte sind dazu gedacht, Obdachlosigkeit zu verhindern. Sie werden zumeist von Sozialunternehmen betrieben. In Stuttgart reichen deren Angebote nicht aus, deshalb greift die Stadt auch auf Privatvermieter zurück. Für die Unterbringung in solchen Sozialpensionen bezahlte die Stadt im Jahr 2016 allein fünf Millionen Euro. Selbst Finanzbürgermeister Michael Föll meinte einmal, dass man für diese Summe Unterkünfte in Eigenregie betreiben könnte. Warum wird das dann nicht gemacht? Weil die Mehrheit des Gemeinderats keinen Handlungsbedarf sieht.

Manche privaten Vermieter_innen von Sozialpensionen kassieren für stark heruntergekommene Wohnungen (im Volksmund: „Bruchbuden“) unverhältnismäßig hohe Mieten von der Stadt, und das obwohl Bewohner_innen von teilweise erheblichen (Bau-) Mängeln und unhygienischen Verhältnissen berichten.

Eine Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern war in Sozialpensionen nicht vorgesehen, folglich gab es dort auch keine sozialpädagogische Betreuung für Familien und Alleinerziehende. Aufgrund des eklatanten Mangels an Sozialwohnungen müssen aber inzwischen auch Familien mit Kindern in Sozialhotels untergebracht werden. In den 24 Sozialpensionen leben aktuell 135 Familien und Alleinerziehende, allein 258 Minderjährige sind dort untergebracht. Kinder wachsen hier in extrem beengten Verhältnissen ohne Privatsphäre (meist in nur einem Raum) auf. Küche, Bad und Toiletten müssen oft gemeinsam mit anderen Bewohner_innen geteilt werden. Platz für Schreib- oder Arbeitstische ist nicht vorgesehen, ruhige Rückzugsräume fehlen, die Nachtruhe wird nicht selten gestört, denn erwachsene Nachbarn lärmen oder sind teilweise alkoholisiert. Das macht Kindern Angst.

Wir begrüßen zwar, dass seit kurzem Personal für die Betreuung zur Verfügung steht. Dennoch sind wir der Meinung, dass die hier entstehenden Probleme nicht allein durch sozialpädagogische Betreuung aufgefangen werden können. Stuttgart muss dafür sorgen, dass eine ausreichende Anzahl an angemessenen Wohnungen für Familien geschaffen werden. Bestehende Not- Übergangs- oder Mittelfristunterkünfte müssen für alle menschenwürdig sind!

 

  1. Oktober 2018 ab 15 Uhr öffentliche Gemeinderatsdebatte zum Themenschwerpunkt „Soziale Stadt“, Laura Halding-Hoppenheit wird dort für die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS eine 15-minütige Rede halten. Das Redeskript und die Videoaufzeichnung der Rede wird ab Mitte Oktober unter www.soeslinkeplus.de abrufbar sein.