Stuttgarter LBBW muss sich zu Vorwürfen zu Cum-Ex-Steuervergehen erklären

Wir beantragen:
1. Vertreter des LBBW-Vorstands erklären im zuständigen Ausschuss wie es dazu kommen konnte und seit wann die Bank weiß, dass sie im Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen wegen Cum-Ex-Steuervergehen steht.1)
2. Die LBBW erklärt, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang sie die Stuttgarter Staatsanwaltschaft bei der Aufarbeitung der schwerwiegenden Vorwürfe aktiv unterstützt hat.
3. Die Stadtspitze fordert die LBBW auf, die Staatsanwaltschaft konsequent und proaktiv bei der Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe, zu unterstützen.
Wir fragen:
4. Ist es gewährleistet, dass die Finanzanlagen der Stadt Stuttgart bei der LBBW angesichts der bestehenden Verdachtsmomente den Anlagerichtlinien gemäß GRDrs 547/2016 zur Umsetzung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit“ entsprechen?
5. Welche Konsequenzen erwägt die Verwaltungsspitze hinsichtlich ihrer Beteiligung und Zusammenarbeit an bzw. mit der LBBW, sollte sich der Verdacht bestätigen, dass die LBBW tatsächlich in widerrechtliche Cum-Ex-Steuergeschäfte involviert war?
Begründung:
Die Stadt Stuttgart ist zu knapp 19 Prozent Anteilseignerin bei der LBBW Stuttgart. Im Zusam-menhang mit dem Wechsel der Oberstaatsanwältin und Chefermittlerin im Cum-Ex-Skandal Anne Brorhilker zu der Nichtregierungsorganisation „Finanzwende“ wird berichtet, dass auch die LBBW seit elf Jahren im Fokus staatsanwaltlicher Ermittlungen steht. Auch die LBBW soll sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligt haben. Doch die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwalt-schaft ziehen sich seit Jahren hin und es kam bisher zu keiner Anklage.
Die Stadt Stuttgart hat sich 2016 mit dem Beschluss zur Gemeinderatsdrucksache 547/2016 auf Nachhaltigkeitskriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ver-pflichtet. Die Stadtspitze hat also sicherzustellen, dass das städtische Anlagevermögen bei der LBBW diesen Kriterien entspricht.
Zudem stellt sich die Frage, wie die Stadt Stuttgart den bestehenden Interessenskonflikt auflösen kann, einerseits als Anteilseignerin der LBBW von deren guten Geschäftsergebnissen zu profitie-ren und zugleich Gefahr zu laufen, dass mit der „Plünderung“ von Steuergeld aus Cum-Ex-Geschäften ein nur kleiner Anteil wieder in die Stadt- bzw. Staatskasse zurückfließt. Sollten die Erlöse aber teilweise auf Basis krimineller Finanztransaktionen entstanden sein, sind Konse-quenzen seitens der Stadt Stuttgart dringend erforderlich. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse, dass Steuergelder „sauber“ angelegt werden und auch nicht Steuern zurückerstattet werden, die nie gezahlt wurden. Die Stadt muss daher eine konsequente Aufklärung der im Raum stehenden Vorwürfe gegenüber der LBBW fordern.
Bei Cum-Ex handelt es sich um besonders schwere Steuerhinterziehung. Der deutsche Fiskus ist laut Experten in den Jahren zwischen 2000 und 2020 um rund 28,5 Milliarden Euro geprellt worden. Vermögende, Banker, Steuerberater, Finanzkanzleien, kurz Menschen und Organisati-onen mit Macht und großem Einfluss sind bzw. waren die kriminellen Akteure. Sie ließen sich Steuern „zurückerstatten“, die sie nie gezahlt haben. Ein gewichtiger Grund dafür, dass auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften – in Hamburg und Stuttgart – nur sehr schleppend voran-gehen, dürfte die genannte Klientel mit großem politischen und finanziellen Einfluss sein.
Die Fälle in Hamburg und Stuttgart waren Anlass, dass Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, eine der erfolgreichsten Ermittler:innen gegen Finanzkriminelle, nun von ihrem Justiz-Posten zurück-getreten ist, den Staatsdienst verlassen hat und jetzt für die Nichtregierungsorganisation „Fi-nanzwende“ gegen Finanzkriminelle arbeiten wird.
Beim Thema knapper öffentlicher Kassen richtet sich der mediale Fokus meistens auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen, es würde angeblich ein zu hohes Bür-gergeld gezahlt, Menschen würden nicht mehr arbeiten wollen usw. Die Forderungen nach mehr Sanktionierungen folgen auf dem Fuße. Diese Fokussierung der öffentlichen Debatte grenzt nicht nur Menschengruppen sozial aus, sondern verkennt auch, dass dem Staat durch Steuer-hinterziehung und kriminelle Finanztransaktionen wesentlich höhere finanzielle Schäden entste-hen als durch Sozialmissbrauch. Während es sich bei Sozialmissbrauch um vergleichsweise kleinere Beträge handelt geschieht Steuerhinterziehung oft mit komplexen Finanzvehikeln und wird von Fachleuten begangen, die kleinste Schlupflöcher im deutschen Steuerrecht bis über die Grenze der Legalität hinaus ausdehnen. Das lässt sich daher wesentlich schwerer erklären und bleibt medial im Schatten.
‚WDR investigativ‘ führte am 22.4.24 ein Interview mit der Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker. https://www.ardmediathek.de/video/wdr/exklusiv-interview-cum-ex-chefermittlerin-spricht-ueber-ihre-kuendigung/wdr/ Sie äußert darin harte Kritik an der unzureichenden Unterstützung bei der Verfolgung von Finanzkriminalität und sieht ein großes Gerechtigkeitsproblem: „Als Steuerhinter-zieher in großem Stil kommt man in Deutschland besser weg als ein Sozialhilfebetrüger“. Bror-hilkers Erfahrung ist: „Täter mit viel Geld und guten Kontakten treffen auf eine schwach aufge-stellte Justiz“. Und sie verweist auf die absurde Situation, dass sich Beschuldigte aus Verfahren herauskaufen und Vergleiche erzielen, bei denen der Staat im besten Fall die Hälfte kriminell hinterzogener Steuern zurückerhält.
Auch die Stuttgarter Zeitung berichtete in Ihrer Ausgabe vom 24.4.24 über den Rücktritt Brorhil-kers, die moniert, dass in vielen Fällen sogar überhaupt nicht ermittelt würde. Ihr neuer Kollege im Vorstand der NGO „Finanzwende“, Gerhard Schick wird in dem Artikel wie folgt zitiert: „Die großen Schwachpunkte bei Cum-Ex-Ermittlungen sind Hamburg und Stuttgart“. Denn auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt seit elf Jahren ohne Anklage und steht somit in der Kritik. Er wisse nicht so das Zitat weiter „ob das wegen Korruption, Faulheit oder politisch gewollt“ sei.

1) § 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg: „Auf Antrag einer Frakti-on oder eines Sechstels der Gemeinderäte ist ein Verhandlungsgegenstand auf die Tagesord-nung spätestens der übernächsten Sitzung des Gemeinderats zu setzen“. Wir möchten von die-sem Recht Gebrauch machen und bitten um fristgerechte Umsetzung.