Einigungspapier der OB-Kandidat*innen – wie steht es um die ökosoziale Mehrheit zu Themen im Bereich Klima, Wohnen und Verkehr?

Im Gespräch der drei OB-Kandidat*innen Kienzle, Schreier und Rockenbauch hatten sie sich auf ein gemeinsames Grundsatzpapier mit Inhalten zu verschiedenen Politikbereichen geeinigt. Wir haben aus den drei Themen Wohnen, Klima, Verkehr Anträge formuliert, damit es nicht nur ein unverbindliches Papier bleibt, sondern im Gemeinderat zur Abstimmung gestellt werden kann. Jetzt haben wir die Gemeinderatsfraktionen von Bündnis90/Die Grünen, von SPD und PULS angefragt, ob sie die nachfolgend aufgeführten Zielbeschlüsse mit unterzeichnen. Wir sind gespannt, ob die ökosoziale Mehrheit steht.

Zielbeschlüsse: Klimaneutrales Stuttgart bis 2035, Referat für Klimaschutz

Wir beantragen, der Gemeinderat möge folgende Antragspunkte beschließen:

  1. Der Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass eine strategische Steuerung für die Klimapolitik als Referat beim Oberbürgermeister*in anzusiedeln ist.
  2. Stuttgart wird bis zum Jahr 2035 klimapositive Stadt.
  3. Der Gemeinderat beauftragt die Verwaltung, in einem wissenschaftlichen Gutachten den Weg der Umsetzung eines klimapositiven Stuttgarts bis zum Jahr 2035 aufzuzeigen.

Begründung:

Im Zuge der Wahl zum Oberbürgermeister / zur Oberbürgermeisterin im November 2020 haben die Kandidat*innen von SPD, Bündnis 90/ Grüne und von SÖS / LINKE, Pirat, Tierschutz ein Papier verhandelt und in Teilen eine Einigkeit für ein klimaneutrales Stuttgart bis 2035 erzielt. Diese Einigkeit soll jetzt in Form eines Antrags im Gemeinderat verbindlich abgestimmt werden, damit der Wille des Gemeinderats gegenüber dem neuen Oberbürgermeister ab Januar 2021 artikuliert wird.

Die Kandidat*innen haben sich demnach darauf verpflichtet, im Sektor Klimaschutz folgendes zu beschließen. Für den künftigen Oberbürgermeister wird es ein Referat für Klimaschutz geben, um die notwendigen Maßnahmen organisatorisch, personell und finanziell umsetzen zu können. Zudem setzt sich die Stadt Stuttgart das verbindliche Ziel, spätestens bis zum Jahr 2035 klimapositiv zu sein. Hierfür wird die Verwaltung beauftragt, ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag zu geben welches aufzeigt, wie eine effektive Klimapolitik in Stuttgart umsetzbar ist.

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Zielbeschluss: Gemeinwohlorientierte Wohnungs- und Bodenvorratspolitik

Wir beantragen, der Gemeinderat möge folgende Antragspunkte beschließen:

  1. Stuttgart betreibt eine gemeinwohlorientierte Bodenvorratspolitik. Dazu verzichtet die Stadt grundsätzlich auf den Verkauf von Boden. In Ausnahmefällen eines Verkaufs vereinbart die Stadt ein Rückkaufsrecht und nutzt aktiv die Instrumente kommunaler Satzungen (z.B. Erhaltungssatzung, Milieuschutzsatzung, Bodenfonds).
  2. Das Bündnis für Wohnen wird neu ausgerichtet. Dazu nimmt der neu gewählte Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart umgehend Gespräche mit der Wohnungswirtschaft auf.
  3. Die Geschäftspolitik der SWSG wird strategisch neu ausgerichtet. Die SWSG wird beauftragt einen Plan zu erstellen, wie und in welchem Zeitraum der Wohnungsbestand der SWSG auf 30.000 Wohnungen erhöht werden kann.
  4. Die SWSG erstellt ein Konzept für den Bau von Personalwohnungen für städtische Beschäftigte und Beschäftigte der städtischen Eigenbetriebe.
  5. SWSG verzichtet in den nächsten acht Jahren auf Mieterhöhungen.
  6. Es wird der Wohnraumbedarf auf das Zieljahr 2030 erhoben und die dafür notwendigen Potenziale (u.a. Zeitstufenliste Wohnen) mit dem Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung identifiziert. Das Birkacher Feld wird nicht überbaut.
  7. Das Leerstands-Management wir intensiviert, z.B. über Ansprache von Eigentümer*innen.

 

Begründung:

Im Zuge der Wahl zum Oberbürgermeister / zur Oberbürgermeisterin im November 2020 haben die Kandidat*innen von SPD, Bündnis 90/ Grüne und von SÖS / LINKE, Pirat, Tierschutz ein Papier verhandelt und in Teilen Einigkeit erzielt. Wir begrüßen, dass sich damit eine Mehrheit im Gemeinderat abzeichnet, die für eine zukunftsfähige Wohnungs- und Bodenpolitik steht. Um diese Absichtserklärung nun in eine verbindliche Beschlussfassung zu überführen, wird dieser Antrag auf eine gemeinwohlorientierte Wohnungs- und Bodenpolitik gestellt. Mit Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat werden diese Zielbeschlüsse für das neue Stadtoberhaupt handlungsleitend.

Der Wohnungsbau ist eine der zentralen Herausforderungen der Stadt Stuttgart. Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Dabei gilt es, die SWSG noch konsequenter strategisch gemeinwohlorientiert auszurichten und den städtischen Anteil von Sozialwohnungen systematisch auf 30.000 Wohneinheiten auszubauen. Bei der Schaffung von Wohnraum gilt der Grundsatz Innenentwicklung hat Vorrang gegenüber Außenentwicklung. Zum Schutz wertvoller Böden und unter klimapolitischen Aspekten wird darauf verzichtet, das Birkacher Feld zu überbauen.

Der Einsatz kommunaler Satzungen (z.B. Erhaltungssatzung, Milieuschutzsatzung, Zweckentfremdungssatzung) sind geeignete Instrumente der Bodenvorratspolitik und des Erhalts bezahlbaren Wohnraums. Sie sollen von der Verwaltung im Sinne einer gemeinwohlorientierten Wohnungs- und Bodenpolitik konsequent und proaktiv eingesetzt und angewendet werden.

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Zielbeschluss: Internationale Charta für das Gehen bis 2030 umsetzen

Wir beantragen, der Gemeinderat möge folgende Antragspunkte beschließen:

  1. Die bereits von OB Schuster unterzeichnete internationale Charta für das Gehen wird bis 2030 vollständig umgesetzt. Dazu erarbeitet die Verwaltung einen Vorschlag, wie gewährleistet wird, dass alle Beschlussvorlagen mit Maßnahmen zur Infrastruktur für Fußwege und Zu-Fuß-Gehende mit den Vorgaben der Charta kompatibel sind.

Dies bedeutet konkret laut dem Text der internationalen Charta für das Gehen:

  • Schaffen von sauberen, gut beleuchteten Straßen und Fußwegen, frei von Hindernissen, breit genug für ihre höchste Inanspruchnahme und ausgestattet mit genügend Gelegenheiten, die Straßen sicher und direkt zu überqueren, ohne Höhenunterschiede und Umwege
  • Zu Fuß gehende Menschen zum Ausgangspunkt der Stadtplanung machen.
  • Verringern der Gefahr, die Fahrzeuge für FußgängerInnen darstellen, indem der motorisierte Verkehr in einer Weise neu organisiert wird, die FußgängerInnen nicht ausgrenzt und ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränkt (beispielsweise durch Einführung geringerer Geschwindigkeiten).

Begründung:

Im Zuge der Wahl zum Oberbürgermeister / zur Oberbürgermeisterin im November 2020 haben die Kandidat*innen von SPD, Bündnis 90/ Grüne und von SÖS / LINKE, Pirat, Tierschutz zu verschiedenen Punkten aus den Themenbereichen Wohnen, Verkehr und Klima Einigkeit erzielt werden. Diese Einigkeit bietet die Chance, jetzt gemeinsam in Form eines Antrags im Gemeinderat zum Thema Verkehr die obigen Antragspunkte im Gemeinderat verbindlich abzustimmen. Für den neuen Oberbürgermeister ab Januar 2021 sind diese Beschlüsse handlungsleitend.

Die Kandidat*innen haben sich mit ihren Fraktionen demnach darauf verpflichtet, die gezielte Umsetzung der unter OB Schuster bereits beschlossenen internationale Charta für das Gehen endlich umzusetzen. Es handelt es sich bei der Charta um ein umfassendes Werk, mit dessen Umsetzung bis zum Jahr 2030 sehr viele Aufgaben auf die Stadtverwaltung zukommen, wenn man die Beschlussvorlagen abstimmt auf die in der Charta genannten Ziele: Mit der Charta sollen „Zu Fuß gehende Menschen zum Ausgangspunkt der Stadtplanung“ gemacht werden.“ Straßen sollen für Menschen und nicht nur für Autos entworfen werden, aus der Erkenntnis heraus, dass Straßen sowohl ein Sozial- als auch ein Verkehrsraum sind und deshalb eine soziale Gestaltung ebenso benötigen wie verkehrstechnische Regelungen. Dies kann den Rückbau von Straßenflächen bedeuten, die Einführung von Gebieten, in denen Fußgänger*innen Vortritt haben und die Schaffung von autofreien Bereichen, an denen sich alle erfreuen können und die die soziale Interaktion, Spiel und Erholung sowohl für Erwachsene als auch für Kinder begünstigen Schaffen von sauberen, gut beleuchteten Straßen und Fußwegen, frei von Hindernissen, breit genug für ihre höchste Inanspruchnahme und ausgestattet mit genügend Gelegenheiten, die Straßen sicher und direkt zu überqueren, ohne Höhenunterschiede und Umwege“

Ebenso wird die Stadt bis zum Jahr 2030 „Sicherstellen, dass Sitzgelegenheiten und Toiletten in Anzahl und Lage den Bedürfnissen aller NutzerInnen entsprechen“. Zudem ist das „Berücksichtigen der klimatischen Einflüsse durch angemessene Gestaltung und Bepflanzung, z.B. als Schutz vor Regen, Bäume als Schattenspender“ aufgeführt. Ferner wird folgendes verlangt: „Reduzieren der Voraussetzungen für autoabhängige Lebensstile (zum Beispiel indem die Zersiedelung reduziert wird), Rückgabe von Straßenflächen an FußgängerInnen und Schließen von Lücken in bestehenden Wegeverläufen zur Bildung eines Hauptwegenetzes“

In der Verkehrspolitik wird die Stadt auf eine grundsätzlich andere Herangehensweise verpflichtet: „Bevorzugen der Langsamverkehrsarten wie Gehen und Fahrradfahren gegenüber schnellen Verkehrsarten, dem Nahverkehr Vorrang geben gegenüber dem Fernverkehr“.

Zudem „Verringern der Gefahr, die Fahrzeuge für FußgängerInnen darstellen, indem der motorisierte Verkehr in einer Weise neu organisiert wird, die FußgängerInnen nicht ausgrenzt und ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränkt (beispielsweise durch Einführung geringerer Geschwindigkeiten) Verringern der Auswirkungen von stark befahrenen Straßen, indem genügend sichere Querungsstellen eingerichtet werden, bei denen minimale Wartezeiten und genügend Zeit zum Überqueren auch für die langsamsten FußgängerInnen gewährleistet sind.“

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