“Climate Emergency” anerkennen und in Stuttgart ausrufen

“Climate Emergency” anerkennen und in Stuttgart ausrufen

Wir beantragen nach § 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg in der übernächsten Sitzung des Gemeinderats auf die Tagesordnung zu setzen und einzeln folgende Beschlusspunkte abzustimmen:

  1. Die Landeshauptstadt Stuttgart erkennt die globale Climate Emergency („Klimanotfall“) als gegeben an.
  2. Die Landeshauptstadt Stuttgart erklärt mit sofortiger Wirkung “Climate Emergency”.
  3. Die Landeshauptstadt Stuttgart erklärt zudem auch den Klimanotstand.
  4. Das Ziel Klimaneutralität nur aufgrund von Treibhausgasemissionen wird auf das Jahr 2030 vorgezogen, dann muss die Zielerreichung mindestens bei 95 Prozent liegen.
  5. Bei allen Beschlüssen von Verwaltung und Gemeinderat muss Klimarelevanz und ein Klimavorbehalt als mitentscheidendes Kriterium so berücksichtigt werden, dass eine Lösung gewählt wird, welche die Zielvorstellung der klimaneutralen Stadt verfolgt. Bei unabweisbaren Pflichtaufgaben kommen die klimafreundlichsten Lösungen in Betracht.
  6. Dafür sind weitere Stellen über den Klimaaktionsplan hinaus zu planen und zu schaffen, und zwar dauerhaft.

 

Begründung:

Zu 1 und 2.:
Die climate emergency besteht weltweit und wurde insbesondere von überdurchschnittlich betroffenen Kommunen und staatlichen Einheiten erklärt.

Ein Aufruf der Alliance of World Scientists (die Oregon State University ist federführend) vom 4.11.2019 mit 11.000 Unterschriften von Wissenschaftlern weist auf die bestehende Gefahrensituation des Klimawandels unter dieser Bezeichnung hin und warnt vor „unsäglichem menschlichen Leid“, wenn dieser Gefahrenlage nicht schnell, wirksam und anhaltend begegnet wird.

Bisher haben das u.a. die Länder Großbritannien, Frankreich, Kanada, Portugal, Spanien, Österreich und Argentinien getan. Auch bedeutende Metropolen anderer Länder sind darunter wie New York City, San Francisco, Mailand, Amsterdam, Warschau, Krakau, Brüssel, Sydney und Melbourne. – Stuttgart ist aufgrund der Kessellage v.a. durch Hitzewellen besonders gefährdet; auch Karlsruhe, die sich als am meisten von der Klimakrise bedrohte Stadt in Baden-Württemberg sieht, hat den Klimanotstand erklärt. Weitere bemerkenswerte Städte in Deutschland sind die Millionenstadt Köln sowie die Landeshauptstädte Düsseldorf, Wiesbaden, Potsdam, Kiel, Saarbrücken, Mainz und zudem die Bundesstadt Bonn. Auch Leipzig und Rostock haben als einwohnerreichste Städte ihrer Bundesländer mittlerweile diesen Schritt vollzogen.

Seit unserem ersten Antrag auf Beschluss des Klimanotstands im März 2019 (Nr. 131/2019), sind folgende Städte und Länder vorangegangen:

  • Mai 2019: Britisches Unterhaus ruft den Klimanotstand aus (einstimmig)
  • Mai 2019: Konstanz ruft den Klimanotstand aus (einstimmig)
  • Mai 2019: Irland ruft den Klimanotstand aus
  • Mai 2019: Ludwigslust ruft den Klimanotstand aus
  • Mai 2019: Ludwigsburger Grüne fordern Klimanotstand, OB Werner Spec zeigt sich offen dafür
  • Mai 2019: Grüne in Herzogenaurach beantragen, Klimanotstand auszurufen sowie eine Bürgerversammlung zum Thema Klimaschutz auszurufen
  • Mai 2019: Kiel ruft als erste Landeshauptstadt den Klimanotstand aus
  • Mai 2019: Münster ruft den Klimanotstand aus
  • 05.2019: Erlangen ruft den Klimanotstand aus
  • 06.2019: Kanada ruft den Klimanotstand aus
  • 06.2019: Sidney ruft den Klimanotstand aus
  • 06.2019: New York City ruft den Klimanotstand aus
  • 06.2019: Frankreich ruft den Klimanotstand aus
  • 06.2019: Marburg ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Lippstadt ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Düsseldorf ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Bonn ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Düren ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Krefeld ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Köln ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Bielefeld ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Gelsenkirchen ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Karlsruhe ruft den Klimanotstand aus
  • 07.2019: Argentinien ruft den Klimanotstand aus
  • 08.2019: Landau ruft den Klimanotstand aus
  • 08.2019: Potsdam ruft den Klimanotstand aus
  • 08.2019: Trier ruft den Klimanotstand aus
  • 09.2019: Spanien ruft den Klimanotstand aus
  • 09.2019: Österreich ruft den Klimanotstand aus
  • 09.2019: Mainz ruft den Klimanotstand aus
  • Oktober 2019: Darmstadt: Initiativen wie BUND, VCD und andere planen einen Bürgerentscheid: Klimaneutralität bis 2030, ökologische Verkehrswende usw. klimaentscheid-darmstadt.de

Klimaschutzprogramme:

  • 07.2019: Tübinger Gemeinderat verabschiedet einstimmig Klimaschutzprogramm – Ziel: Klimaneutralität bis 2030!

 

Zu 3.:
Climate Emergency ist der internationale Fachbegriff, in Deutschland hat sich allerdings Klimanotstand durchgesetzt – was nicht zu verwechseln ist mit der Ausrufung eines Notstands an sich; so rief Kalifornien vor Kurzem konkret den Notstand aufgrund klimakrisenbedingter Waldbrände aus. Linguistisch-juristische Vorbehalte dagegen erscheinen uns nicht sachgerecht.

 

Zu 4.:
Das Ziel 2050 beruht auf dem völlig veralteten Bericht Nr. 5 des Weltklimarats IPCC und ist inzwischen v.a. – aber nicht nur – durch folgende neueren Entwicklungen, Sonderberichte und Erkenntnisse längst überholt – dieses Ziel reicht v.a. für Deutschland daher mittlerweile bei Weitem nicht mehr aus: beschleunigte Gletscherschmelze nicht nur in den Gebirgen, sondern v.a. in den westantarktischen und grönländischen Eisschilden, extrem viel früher als erwartet massives Auftauen von Permafrost v.a. in Sibirien und Kanada, frühere ungenaue Erfassung der Meeresoberflächentemperatur und die erhöhte Empfindlichkeit des neuesten Klimamodells gegenüber dem Vorläufer bei gleichen Emissionsszenarien. Hinsichtlich climate justice oder Klimagerechtigkeit dürfte Deutschland schon jetzt überhaupt keine menschengemachten Treibhausgasemissionen mehr ausstoßen aufgrund der hohen historischen, summierten Emissionen, daher ist dies schon ein Kompromiss zu unseren Gunsten. – Um zu vermeiden, dass die prioritär zu behandelnden Senkungen der Treibhausgasemissionen geschönt bzw. verwässert werden, wird hiermit untersagt, negative Emissionen (z.B. Baumpflanzungen oder Holzbau) dagegen aufzurechnen, letztere müssen v.a. gegen bereits getätigte Emissionen mittelfristig eingesetzt werden. – Übrigens haben bereits Städte wie Tübingen dieses 2030 Ziel übernommen, auch die FfF-Forderung in Deutschland mit Zieljahr 2035 ist bereits veraltet und wurde vor einigen der genannten Erkenntnisse aufgestellt. – Zudem hat 2030 den Vorteil, den nötigen Handlungsdruck aufzubauen, da es innerhalb eines Jahrzehnts nur bei ohnehin nötigem sofortigem Reduktionsbeginn erreichbar ist.

Zu 5.:
Das erhöht natürlich den Aufwand der Beteiligten deutlich, doch nur bei einem derart konsequenten Vorgehen besteht eine realistische Erfolgsaussicht. In nicht unabweisbaren Anliegen ist nicht herstellbare Klimaneutralität das Aus für ein Vorhaben.

Zu 6. vgl. 5.:
Da die Verwaltung unter Personalmangel leidet, sind dringend weitere noch zu beziffernde Stellen bei Annahme dieses Punktes zu schaffen.