Doppelhaushalt : Kein Kurswechsel in Stuttgart, Rede von Tom Adler auf der Montagsdemo am 11.12.2017

Meine Damen und Herren, liebe Freund*innen,

in dieser Woche gehen die Beratungen zum Haushalt unserer Stadt zu Ende. Am Freitag wird entschieden, wofür etwa 3 Milliarden Euro 2018 und 2019 ausgegeben werden. Seit Oktober ist verhandelt worden, vorwiegend zwischen Schwarz und Grün, hinter verschlossenen Türen. Unser Antrag, den Stadthaushalt von Anfang bis Schluss öffentlich zu verhandeln, hat nur unsere eigenen Stimmen bekommen. Die interessierten Bürger*innen blieben ausgesperrt, der OB und die Stadtratsmehrheit fühlen sich unbeobachtet einfach wohler. In diesen letzten Wochen hat sich auch bestätigt, was wir seit Jahren sagen: diese Stadt schwimmt dermaßen im Geld, dass es jetzt auch OB und Finanzbürgermeister Michael Föll nicht mehr schaffen, das alles zu verstecken. Jahr für Jahr hat Finanzbürgermeister Föll Überschüsse angesammelt und vor den Bürgern versteckt. Die finanzielle Lage könnte gar nicht besser sein: allein 231 Millionen Euro Überschuss aus 2016 sind auf Fölls Konten, plus Überschüsse von 327 Millionen aus den Vorjahren, und 2018 kommen 165 Millionen dazu, die die LBBW an die Stadt überweisen muss. Die Steuereinnahmen und Zuweisungen sprudeln sowieso.

Seit langem und in diesen letzten Wochen ganz besonders (!) sind auch alle, die nur sehen wollen, regelrecht darauf gestoßen worden, was eine verantwortliche Stadtpolitik mit so viel Geld eigentlich dringend tun müsste und könnte. Reden wir nur mal über die brennendsten ungelösten Probleme, und über die Probleme, die erkennbar auf uns zukommen werden – ob es uns gefällt oder nicht, z.B. die Klimaveränderung.

Reden wir zum Beispiel über die Mietenexplosion, über Bodenspekulation! Stuttgarter mit kleinen und mittleren Einkommen werden so aus der Stadt gedrängt, mit jedem Abriss und Neubauprojekt regelrecht aus der Stadt hinausgebaut. Und die Stadtspitze und die Mehrheit im Stadtrat schaut zu dabei! So wird Stuttgart künftig zu einer Stadt der Reichen gemacht. Das kritisierte vergangenen Freitag auch der katholische Stadttdekan Christian Hermes! Er fordert wie unsere Fraktion, dass die Stadt dagegen selber aktiv wird mit einem eigenen Wohnungs- und Bodenfonds, mit Wohnungsbau auf eigenem städtischem Grund, damit die Mieten wirklich für alle dauerhaft leistbar bleiben. Wir wollen, dass die Stadt mit 160 Millionen im Jahr den Kurswechsel zu einer aktiven Politik für leistbares Wohnen einleitet! Und wir wollten, dass beim Amt für Stadtplanung eine erst mal 3-köpfige Task Force Spekulatuionsbremse eingerichtet wird, die den Immobilienspekulanten die Werkzeuge zeigt.

Alles abgelehnt! Von Kurswechsel keine Spur, stattdessen wird weiter im Eiltempo der städtische Grund verkauft, aktuell z.B.im Neckarpark in Bad Cannstatt, und am Schochareal in Feuerbach! Für das EU-Parlament und den Bundestag müssen die Konzerne eigene Lobbyisten bezahlen, um die Abgeordneten zu beeinflussen – in Stuttgart, könnte man sarkastisch sagen, brauchen sie nicht mal das, hier sitzt die Lobby der Immobilien- und Bauindustrie offenbar mit Mandat im Stadtrat selber!

Oder reden wir über die Verkehrspolitik! Um die Gesundheit der Menschen in der Stadt vor der täglichen Vergiftung durch Abgase zu schützen, und um auch nur eine Chance zu haben, das Zwei-Grad-Ziel bei der Klimaerwärmung zu halten, muss Autoverkehr drastisch reduziert werden, 75 Prozent weniger gefahrene PKW-km, sagt die Studie „Mobiles Baden-Württemberg.“ Dafür muss der ÖPNV massiv ausgebaut und verbilligt werden, Fußgänger und Radverkehr müssen massiv bevorteilt, die Nutzung des Autos unattraktiv gemacht werden. Beschlossen werden aber nur kleine und kleinste Trippelschritte, eine Verkehrswende leitet die Stadt mit diesem Haushalt damit nicht einmal ansatzweise ein, obwohl auch dafür Geld genug da wäre! Wir wollten aber wenigstens einen Einstieg sehen, mit deutlicher Verbilligung durch ein 365-Euro-Ticket und Investition in zusätzliche Stadtbahnen – liebe Freund*innen und Freunde, was sagte der OB dazu? Ein 365-Euro-Ticket geht nicht, da würden ja zu viele Umsteigen auf den ÖPNV, der sowieso schon an der Kapazitätsgrenze ist. Und unsere Anträge, die Kapazität des ÖPNV zu erhöhen mit 15 zusätzlichen Stadtbahnzügen lehnt er ab, weil dies nach den schon beschlossenen Investitionen gar nicht nötig sei – das sind doch Argumente aus Absurdistan, die nicht gerade empfehlen, für so einen Haushalt den Finger zu heben!

Und reden wir weiter, was in so einem Haushalt dringend notwendig wäre, reden wir über den Beitrag der Stadt zur Einhaltung dieses Zwei-Grad-Ziels bei der Klimaerwärmung! Auch hier hat dieser Haushalt und die beschlossenen Anträge wieder nur Trippelschritte auf dem Programm, nein, das Bild mit den Trippelschritten stimmt nicht, das hat eher etwas von den Lemmingen, die auf die Klippe zu rennen, während die Klimaveränderungen sich rasant auf Kippunkte zubewegen!

Und wer von Verkehrswende, Gesundheits- und Klimaschutz redet, darf auch nicht über Stuttgart21 schweigen! Über diesen Umwelt-und Klimaskandal ersten Ranges, der zwei Millionen Tonnen CO² allein durch den Bau in die Luft bläst, der die Stadtluft versaut und die notwendige Verkehrswende blockiert!

In diesen Tagen könnten das alle die sehen wollen, am Neckarhang sehen, wie dort gewütet wird, und wo die weitere Zerstörung des Baumbestands am Rosenstein-Neckarhangs und drum herum noch bevor steht!! Gegen diesen Akt ökologischer Barbarei sind alle Beschlüsse des Stadtrats, denen ein Öko-Label aufgebäppt wird, nur Lappalien und all das ist weiß Gott keine Empfehlung, so einem Haushalt zuzustimmen!

Von den 291,8 Millionen Euro, die die Stadt für S21 bisher bereit ist zu zahlen, sind inzwischen 193,08 Millionen im Milliardengrab versenkt. 98,75 Millionen sind noch nicht bezahlt und könnten beim Ausstieg für sinnvolle Investitionen in der Stadt gerettet werden – genauso wie die Million in jedem Doppelhaushalt für die sogenannte „Öffentlichkeitsarbeit“.

Alle unsere Anträge für Aus- und Umstieg sind bisher zwar abgelehnt worden, wir alle sehen aber gerade in diesen Tagen: die alten und neuen S21-Unterstützer haben allergrößte Legitimations-Probleme. Sogar alle Kuhnschen Ablenkungsmanöver sind gescheitert, vom Rosensteinviertel bis zur IBA.

Für uns, liebe Freund*innen heißt das jetzt: den Druck wieder erhöhen, den Druck auf der Straße, dran bleiben an allen Stellen wo wir Wirkung erzeugen können! Auf unseren Montagsdemos, in Berlin beim Aufsichtsrat, bei der letzten und einzigen öffentlichen Haushaltsberatung am kommenden Freitag ab 8:00 vor dem Großen Saal und tagsüber von der Tribüne!

Sie sollen und sie werden nicht durchkommen – Oben bleiben!