Was die Mehrheit des Gemeinderats unter Öffentlichkeit versteht

Ein Donnerstag, öffentliche Sitzung des Gemeinderats, der erste Tagesordnungspunkt ist die neuerliche Kostenexplosion bei Stuttgart 21. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS entscheidet sich, die Debatte im öffentlichen Teil des Gemeinderats live auf Facebook zu übertragen.

Nach den einleitenden Worten des Oberbürgermeisters fragt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, ob es denn erlaubt sei, dass ein Stadtrat die öffentliche Sitzung im Internet zu streamen. Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer verneint das, dies müsse vorher beantragt werden. Daraufhin wird der Live-Stream gestoppt. Hannes Rockenbauch möchte seinen Redebeitrag gefilmt haben mit dem Verweis, dass niemand sonst im Bild zu sehen sein werde.

Hannes Rockenbauch tritt ans Mirkofon, nach dem ersten Satz unterbricht Oberbürgermeister Kuhn und möchte die neuerliche Live-Übertragung stoppen. Woraufhin Hannes Rockenbauch darauf hinweist, dass er seinen eigenen Redebeitrag gerne gefilmt haben möchte, zumal es eine öffentliche Sitzung sei und nur er im Bilde sei. Es kommt zur Abstimmung, zehn Gemeinderät_innen stimmen für die Live-Übertragung, die Zahl der Gegenstimmen und Enthaltungen wird erst gar nicht gezählt. Die Mehrheit verweigert also dem Fraktionsvorsitzenden von SÖS LINKE PluS, seinen eigenen Redebeitrag live im Internet zu zeigen.

Man ist geneigt zu fragen, ob man die Sitzung des Gemeinderats unter diesen Umständen noch als öffentlich bezeichnen kann. Die ohnehin spärlich gesäten Früchte der digitalen Revolution würden die Möglichkeit bieten, dass eine breitere Öffentlichkeit eine Sitzung ihrer gewählte Repräsentanten ohne persönliche Anwesenheit zu verfolgen – ist das noch Öffentlichkeit? Wessen Persönlichkeitsrechte sollen hier verletzt sein, wenn der Betroffene seinen eigenen Redebeitrag gerne gefilmt haben möchte?