Hannes Rockenbauch auf der Großdemo am 16. Juli 2016

Liebe Freunde,

was für eine tolle Stimmung und was sind das für spannende Tage? Tag für Tag äußern sich mehr Bahnexperten und erklären nichts anderes, als dass S21 zu klein geplant ist. Murks eben.

Letzten Monat musste der DB-Aufsichtsrat zugeben, dass von den angeblichen Projektkosten von 6,5 Mrd. Euro alles verplant ist. Dieses Eingeständnis der Bahn ist blamabel; was mich aber wirklich ärgert, ist der Zeitpunkt: Stellt euch mal vor, das wäre mitten im Landtagswahlkampf passiert! Ich bin mir sicher, dann hätten wir jetzt auch wieder Stuttgart-21-Gegner im Landtag.

Immerhin musste Volker Kefer nach dieser erneuten Kostenexplosion seinen Hut nehmen. Oh Mann, wie mir dieses Teflon-Grinsen während des Faktenchecks auf die Nerven gegangen ist! Nichts, so schien es, konnte Kefer erschüttern, S21 kann es. Aber nicht genug der Horrormeldungen: Seit zwei Wochen ist klar, dass auch der Bundesrechnungshof S21 bei 10 Milliarden Euro Baukosten sieht!

Und was machen die Medien aus diesem Schlamassel? Sie beginnen tatsächlich, S21 in Frage zu stellen. Sie interessieren sich plötzlich wieder für unsere Argumente und die Alternativen. Und das auf eine Weise wie seit der Volksabstimmung 2011 nicht mehr.

Und was macht unsere Politik in Bund und Land? Sie macht das gleiche wie 2010: sie schaut weg! Sie wiegelt ab: Ein Abbruch stünde nicht zur Debatte, S21 sei demokratisch beschlossen, S21 sei alternativlos. Winfried Kretschmann, Winne Hermann, Fritz Kuhn: Es sind zwar neue Köpfe, aber es ist dieselbe alte Arroganz der Macht, wie 2010. Liebe Freudinnen und Freunde deswegen spüre ich auch denselben Zorn wie vor 6 Jahren!

Und was machen wir? Wir machen genau das Richtige, wir sind heute hier zu Tausenden und unsere Botschaft ist klar: Stuttgart 21 muss endlich beendet werden!

Der heutige Tag erinnert mich an diesen grandiosen Sommer des Jahres 2010. Im Juli waren auf den Montagdemos 3000 bis 5000 Menschen, zwei Monate später waren wir 50.000 und mehr! Wer weiß, wo S21 in zwei Monaten steht? Aber unsere Stärke ist nicht die Masse, sondern die Hartnäckigkeit.

Was können wir tun, damit wir mehr werden? Argumentieren: Das war und ist unsere zentrale Stärke. Für die Horrormeldungen ist die Bahn AG verantwortlich und wir für die Visionen. Wir dürfen nicht müde werden klarzustellen:

  • Die Politik von Bahn und Tunnelparteien ist ein echter Horror für Stadtbild und Baukultur,
  • für Park, Grundwasser und Mineralwasser,
  • S21 ist ein Kapazitätsrückbau und
  • ein Sicherheitsrisiko für alle Bahnreisenden,
  • S21 ist ein Paradies für Immobilienspekulation.

Wir dürfen nicht müde werden klarzustellen:

  • Wenn wir diesen Horror beenden wollen, dann braucht es alle. Auch Dich, der du gerade nur zum Shoppen hier in Stuttgart bist. Wir sind es, die BürgerInnen, die unsere Stadt vor Größenwahn und Geldgier verteidigen müssen!

Wir dürfen nicht müde werden klarzustellen:

  • Stuttgart 21 ist weder fertig geplant, genehmigt, noch finanziert und jeder weiß, dass die Bahn AG es nicht kann! Deswegen lohnt es sich, die Menschen für unsere Alternativen zu begeistern. Gut ist, dass unsere Alternativen so überzeugend sind. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sogar noch besser geworden sind! Unglaublich was unsere Experten wieder einmal geleistet haben.

 

Für mich sind vier Punkte wesentlich am Konzept Umstieg 21:

  1. Wir machen unseren Kopfbahnhof, der heute schon leistungsfähiger ist als S21 je sein wird, noch leistungsfähiger: und zwar durch Ausbau der Zulaufstrecken und intelligente Verknüpfung von Bestands­strecken in der Region.

Mit einem neuen S-Bahnringschluss über die Gäubahn zum Flughafen und nach Köngen bis ins Neckartal. Allein dieser Ausbau bindet über 400.000 Menschen südlich von Stuttgart besser an die Landeshauptstadt an. Wie das funktionieren soll, können wir inzwischen detailliert nachweisen.

  1. Die Wunden, die unserem Kopfbahnhof bis jetzt geschlagen wurden, werden so intelligent geschlossen, dass hier in Stuttgart einer der modernsten und leistungsfähigsten Bahnhöfe der Welt entstehen könnte. Bahnhof, Busbahnhof, Carsharing und Fahrradparkhaus in einem Gebäude. Und das alles mitten in der Stadt und direkt am wiederhergestellten Schlossgarten.
  2. Die Zukunft beginnt heute. Städtebauliche Alternativen zu S21 könnten sofort realisiert werden: 1000 Wohneinheiten auf städtischer Fläche!
  3. Wir sparen Milliarden Euro für wichtigere Dinge.

Unsere Argumente sind unschlagbar, aber wir haben leider schmerzhaft erfahren: Argumente alleine reichen nicht!

Was brauchen wir noch? Wir brauchen neue Energie und die kommt durch neue Bündnisse: WIR SIND NICHT ALLEINE! In Land und Stadt stellen sich gerade immer mehr Menschen die Frage: wie wollen wir in Zukunft leben? Wir müssen anknüpfen:

  • an die Aktiven, die sich für bessere Luft, mehr Radfreundlichkeit, eine autofreie Innenstand und mehr Grün einsetzen,
  • an die Aktiven, die für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraum kämpfen und gegen Immobilienspekulationsprojekte wie S21,
  • an die Aktiven, die planen, wie wir Stuttgart zur CO²-neutralen Stadt weiterentwickeln können,
  • an alle, die Geld lieber in Bildung und sozialen Zusammenhalt investieren wollen als in Beton und Tunnel,
  • an alle, die für den Erhalt unseres gewachsenen Stadtbilds kämpfen,
  • an alle, die für mehr Demokratie streiten und gegen TTIP kämpfen.

Viele von uns sind schon unglaublich aktiv, was uns aber fehlt ist ein verbindendes politisches Bewusstsein und praktische Solidarität zwischen all diesen Initiativen. Genau das müssen wir endlich schaffen, denn nur gemeinsam sind wir stark!

Was brauchen wir noch? Einen günstigen Zeitpunkt? Lange haben wir gewartet, aber jetzt ist er da: Bahn und alle Tunnelparteien sind gerade mächtig unter Druck! Eigentlich wollte die Stadtverwaltung erneut die beiden Bürgerbegehren Storno 21 und Leistungsrückbau letzte Woche pauschal ablehnen. Aber das haben sie sich in dieser Situation doch nicht so einfach getraut. OB Kuhn fordert jetzt erst einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme zu S21. Mir ist das zu wenig: Wir brauchen keine neuen Beschwichtigungsveranstaltungen, wir brauchen endlich volle Transparenz und vor allem müssen wir endlich über Alternativen reden, und das geht nur, wenn es einen sofortigen Baustopp gibt. Das ist es, was ich von der Politik erwarte  und kein Schwarze-Peter-Spiel nach dem Motto: jetzt soll erst einmal die Bahn oder der Bund liefern.

Herr Kretschmann, Herr Hermann, Herr Kuhn, Frau Merkel, Herr Dobrindt, und Herr Grube: übernehmen Sie endlich Verantwortung und denken sie an Kefer und Co. und unser Motto: „Ihr werdet uns nicht los, wir euch schon!“

Wir werden wieder kommen! Keine Frage! Oben Bleiben!