Kinder nicht in Sozialpensionen unterbringen – Transparenz bei Vermietungsverträgen mit Sozialhotels

Seit Jahren sinkt der Anteil an Sozialmietwohnungen. Mindestens 4300 Haushalte in der Vormerkdatei des Liegenschaftsamtes suchen dringend eine bezahlbare Wohnung (Sozialwohnung). 2017 konnte nur an 841 dieser Haushalte eine Wohnung vermittelt werden. Das ist nicht einmal jeder fünfte dringend wohnungsuchende Haushalt. Zwei Drittel der Fälle in der Vormerkdatei sind Dringlichkeitsfälle.

Um Obdachlosigkeit zu verhindern, können akut von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in Fürsorgeunterkünften untergebracht werden. Sozialunternehmen sind Träger solcher Unterkünfte. Deren Angebot reicht nicht aus, weshalb die Stadt auf Privatvermieter zurückgreift.

Eine Notfallunterbringung erfolgt beispielsweise in sogenannten Sozialpensionen. Dieser Begriff ist allerdings allzu beschönigend. Wohnen in „Sozialhotels“ hat bei weitem nichts mit einem Hotelaufenthalt zu tun.

Die Stadt Stuttgart mietet solche Gebäude an, um sie – mangels alternativer Wohnräume – an Bedürftige zu vermieten. Im Jahr 2016 hat die Stadt über fünf Millionen Euro (5 077 366,10 €) für die Unterbringung von Menschen in Sozialpensionen ausgegeben.

Die Sozialpensionen waren dazu gedacht, Menschen, die sich in besonders prekären Lebenssituationen aufgrund von Mehrfachproblemen wie z.B. Sucht und Verschuldung befinden, kurzfristig vor Obdachlosigkeit zu bewahren. Eine Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern war in Sozialpensionen nicht vorgesehen, folglich auch keine sozialpädagogische Betreuung für Familien und Alleinerziehende.

Aufgrund der Wohnungsnot bei Sozialwohnungen müssen inzwischen auch Familien mit Kindern in diesen Sozialhotels und anderen Gebäuden, die die Stadt Stuttgart von Privaten anmietet, untergebracht werden.

Am Stichtag erster März 2018 lebten laut Gemeinderatsdrucksache 397/2018 in 24 Sozialpensionen 135 Familien und Alleinerziehende mit insgesamt 493 Personen, davon 258 Kinder unter 18 Jahren (GRDrs 397/2018). Die Verweildauer der Bewohner_innen wie auch der Familien steigt. Kinder wachsen hier in extrem beengten Verhältnissen ohne Privatsphäre (meist nur in einem Raum) auf. Küche, Bad und Toiletten müssen oft gemeinsam mit anderen Bewohner_innen geteilt werden. Platz für Schreib-oder Arbeitstische ist nicht vorgesehen, ruhige Rückzugsräume fehlen. Nicht selten wird auch die Nachtruhe wiederholt gestört durch alkoholisierte und/oder aggressive Mitbewohner_innen, was Kindern Angst einflößt. Den Kindern fehlt meist ein strukturierter Tagesablauf, kaum eines lädt seine Freunde zu sich nach Hause ein, entweder aus Scham oder weil mit unberechenbaren Situationen zu rechnen ist.

Daher begrüßen wir, dass 2017 vom Gemeinderat 1,5 Vollzeitkräfte für das Fallmanagement von Familien und Alleinerziehenden in Sozialpensionen und eine halbe Stelle für den Aufbau von Ehrenamtsarbeit mit Kindern zusätzlich zu der Begleitung durch das Jugendamt) bewilligt wurden. Dennoch sind wir der Meinung, dass die Maßnahmen der Stadt Stuttgart angesichts der gravierenden Problematik viel weitreichender sein müssen, als nur einige wenige sozialpädagogische Fachkräfte bereitzustellen:

Stuttgart muss dafür sorgen, dass angemessene Wohnungen für Familien geschaffen werden und, dass auch Unterkünfte in Sozialpensionen und Fürsorgeunterkünften für alle menschenwürdig sind!

Zudem fragen wir nach einem wichtigen zweiten Aspekt: Vermieter_innen von Sozialpensionen kassieren für stark heruntergekommene Wohnungen (im Volksmund: „Bruchbuden“) unverhältnismäßig hohe Mieten von der Stadt (Jobcenter, Sozialamt). Bewohner_innen berichteten uns von teilweise erheblichen(Bau-)Mängeln und unhygienischen Verhältnissen.

Wir fragen:

  1. Für welche Unterkünfte gilt die Satzung: „über die Benutzung von Unterkünften des Sozialamts für Wohnungslose“ und wie viele Plätze gibt es in diesen Unterkünften. Wie hoch ist die Belegung?
  2. Welche Richtlinien gelten für die Belegung privater Unterkünfte, z.B. den Sozialpensionen, hinsichtlich Personal, pädagogischer Betreuung und Kosten der Unterkunft bzw. werden diese Bedingungen den Privatvermietern überlassen?
  3. In welchen Fällen wird dort pädagogisches Personal eingesetzt.
  4. Wie viele der Sozialpensionen sind von privaten Vermieter_innen angemietet und werden nicht in Trägerschaft von Sozialunternehmen geführt?
    Wie hat sich dieser privat angemietete Wohnraum in den letzten zehn Jahren entwickelt
    a) hinsichtlich der Anzahl der Bewohner_innen mit und ohne voll- und minderjährige Kinder.
    b) hinsichtlich der Belegungsdichte und Verweildauer
    c) hinsichtlich der Ausgaben der Stadt
    d) hinsichtlich der Preisspannen der Quadratmeterpreise für die Mieter_innen und des durchschnittlichen Quadratmeterpreises für die Mieter_innen.
  5. Wie erfolgt die Wertbemessung der Liegenschaften/Wohnungen von Privatvermietern? Bis zu welchen (maximalen) Quadratmeterpreisen ist die Stadt bereit, solche Räumlichkeiten anzumieten? Wie groß war die Preisspanne pro Quadratmeter in den letzten fünf Jahren?
  6. Wäre es angesichts der erreichten Ausgabenhöhe der Landeshauptstadt Stuttgart für die Anmietung von privatem Wohnraum zur Notfallunterbringung wirtschaftlicher, eigenen kommunalen Wohnraum dafür zu schaffen?
  7. Zu welchen Leistungen sind die privaten Vermieter_innen der „Sozialhotels“/ „Sozialpensionen“ gegenüber der Stadt und gegenüber den Mieter_innen verpflichtet? Wie erfolgt die Kontrolle, ob diese Verpflichtungen von Vermieter_innen eingehalten werden?
  8. Wie viele Beschwerden über den Zustand der Wohnungen in Sozialpensionen liegen dem Sozialamt im Jahr 2017 vor? Von welchen Zeiträumen zur Behebung von schwerwiegenden Mängeln (wie nicht abschließbare Wohnungstüren, kein warmes Wasser, o.ä.) können die Bewohner_innen ausgehen?
  9. Werden Kontrollen in Form von Bau-/Wohnungsbesichtigungen vorgenommen, um mögliche brandschutzrechtliche und bauliche Mängel in Augenschein zu nehmen und Mängelbeseitigung vom Vermieter zu verlangen? Wenn ja, in welchem Turnus erfolgen solche Begehungen oder Kontrollen?
  10. Werden in den städtischen und privaten Sozial- (Fürsorge) Unterkünften auch Geflüchtete untergebracht? Gilt bei Geflüchteten in diesen Fällen die Satzung für Wohnungslose (z.B. als (Notfall-Anschlussunterbringung) oder die Satzung für die Unterbringung Geflüchteter?
  11. In der Straßenzeitschrift trottwar 09/2018 wird berichtet, dass der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs der Stadt Stuttgart drei Sozialpensionen an die Stadt Stuttgart vermietet. Bestehen seitens der Stadt Stuttgart Bedenken hinsichtlich Interessenkollisionen?

Wir beantragen:

  1. Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept, wie alle Familien mit Kindern binnen eines Jahres prioritär aus den Sozial-/Notfallunterkünften in (Sozial-)Wohnungen vermittelt werden können.
  2. Wir beantragen die Offenlegung von Verträgen der Stadt Stuttgart mit Vermieter_innen von Sozialpensionen, Fürsorge- und Notfallunterkünften, wenn diese zugleich städtische Angestellte sind?