Ein Pfleger mit brasilianischer Staatsangehörigkeit konnte nach Abschluss seiner Ausbildung an einer Ludwigsburger Klinik erst nach zweimonatiger Unterbrechung die ihm angebotene Stelle antreten. Die Verzögerung entstand, weil die Ausländerbehörde seinen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung mehr als zwei Monate lang nicht bearbeitet hatte. Dadurch entstand ihm Lohnausfall in Höhe von ca. 5300 Euro. Auf diese Summe hatte er die Stadt Stuttgart zivilrechtlich auf Schadensersatz verklagt. Der Richter des Landgerichts schlug in einem Vergleich vor, dass ihm die Stadt 63 Prozent der geforderten Summe bezahlen solle, also ca. 3400 Euro. Zunächst willigte die Stadt ein, hatte sich kurz vor Ablauf der Bedenkzeit jedoch anders entschieden und verkündete am 30.1.24 per Pressemitteilung, dass sie diesen Vergleich widerruft. Dieses Vorgehen kritisieren wir als FrAKTION scharf.
„Erst bringt die Stadtspitze Menschen, die bei uns arbeiten wollen, durch eklatantes Verwaltungsversagen in existenzielle Not und nun taktiert die Verwaltungsspitze auch noch juristisch auf dem Rücken des Klägers. Sie will unbedingt weitere Schadensersatzklagen verhindern. Mit dem Widerruf des Vergleichs verlegt die Stadtspitze ihre zermürbende Warte- und Hinhaltetaktik vor der Ausländerbehörde in die Warteschleife lange dauernder Gerichtsprozesse. Das ist für die betroffenen Menschen erniedrigend und einer vielfältigen Großstadt unwürdig. Ich fordere die Stadtspitze auf, zu ihren organisatorischen Fehlleistungen zu stehen und den Betroffenen wenigstens mit finanziellem Ausgleich entgegenzukommen,“ sagt Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch (SÖS).
„Die Stadtspitze kann offenbar durchaus rasch handeln: beim Stadionumbau ist es ihr möglich, innerhalb von wenigen Tagen für ein Bauunternehmen 20 Millionen Euro zu genehmigen. Aber bei Anträgen ausländischer Bürger:innen wird im Schneckentempo gearbeitet, so dass diese in existenzielle Nöte kommen. Und in diesen Fällen weigert sich die Stadtspitze auch noch, diesen eher geringen Schadensersatzanspruch einer Pflegekraft durch Lohnausfall von rund 3400 Euro anzuerkennen und zu begleichen. Das ist nicht nur zutiefst ungerecht, sondern beschämend und zeigt, wo hier die politischen Prioritäten liegen: Spiele sind wichtiger als Pflege! Doch gerade in der Pflege benötigen wir jede ausgebildete Kraft dringend“, kritisiert Stadträtin, personalpolitische Sprecherin und Pflegelehrerin Johanna Tiarks (DIE LINKE) das Vorgehen der Stadt.
„Es ist doch widersinnig, wenn es auf der einen Seite aus Politik und Wirtschaft den Ruf nach Fachkräften aus dem In- und Ausland gibt und auf der anderen Seite konterkariert die Stadt Stuttgart mit ihrem juristischen Winkelzug diese Bemühungen. Viele Stuttgarter:innen mit ausländischem Pass leben und arbeiten mit uns in Stuttgart in vielen Berufen. Das wird viel zu wenig wertgeschätzt. Dass diese Mitbürger:innen auch noch die finanziellen Risiken tragen sollen, die durch eklatantes Organisationsversagen der Stadt entstehen, ist skandalös und darf nicht hingenommen werden. Daher kritisiere ich die Haltung der Stadtspitze in diesem Prozess aufs Schärfste“, ergänzt Luigi Pantisano (DIE LINKE).“