Einigung im Streit um das Trinkwassernetz mit der EnBW? So jedenfalls nicht!
Bis zum 7. Februar 2002 waren die Technischen Werke Stuttgart ein kommunales Unternehmen. In einem beispiellosen neoliberalen Grundsatzbeschluss wurden sie de-kommunalisiert. Ein Bürgerbegehren forderte den Rückkauf des Trinkwassernetzes. Jetzt liegt ein sogenannter ‚Vergleichsvorschlag‘ zwischen EnBW und Stadt Stuttgart auf dem Tisch, wonach die Stadt weitere 20 Jahre auf den Besitz des Wassernetzes warten soll. „Aus unserer Sicht ist dieses Verhandlungsergebnis vollkommen inakzeptabel“, betont Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch. „Es ist eher ein Diktat und kein ‚Verhandlungsergebnis‘, wenn sich die EnBW bei der Berechnungsgrundlage für den Wert des Wassernetzes vollständig durchgesetzt hat. Unter einem Kompromiss versteht man üblicherweise etwas Anderes“, so Rockenbauch weiter.
Kaufpreis: Die Stadt ließ sich über den Tisch ziehen
Konkret geht es um das gesamte Trinkwassernetz: also 2500 Kilometer Wasserleitungen, 44 Hochbehälter, 87 Trinkwasserkammern, 39 Pumpwerke, 16 949 Hydranten und 16 247 Schieber. Die bisherige Eigentümerin, die EnBW hatte dafür ursprünglich einen Kaufpreis von 626 Millionen Euro gefordert, zeigte sich wenig später bereit auf 480 Millionen herunter zu gehen. Die Stadt bot 140 Mio. Euro an, das Landgericht Stuttgart brachte zunächst einen Vergleichsvorschlag von 280 bis 290 Millionen Euro ins Spiel. Im Jahr 2020 schlug das Landgericht 348 Millionen Euro als Kaufpreis für das Wassernetz vor. „Es kann jetzt nicht sein, dass sich die Stadt in den Verhandlungen einfach mal mit über 132 Mio. Euro über den Tisch ziehen lässt. Einen solchen Vorschlag lehnen wir strikt ab!“, betont Stefan Urbat.
Rückkauf: Fragen zur Rechtssicherheit
„Bei dem Vorschlag von EnBW und Verwaltungsspitze ist noch zu klären, wie die Rückkaufrechte genau aussehen und welche Rolle das EU-Wettbewerbsrecht spielt. Auch das muss klar sein bevor final abgestimmt wird, sonst kaufen wir die Katze im Sack. Es besteht die Gefahr, dass nach weiteren 20 Jahren Konzession bei der EnBW, die Stadt immer noch nicht in den Besitz der Wasserinfrastruktur kommt, weil bis dahin möglicherweise nach geltendem Recht öffentlich ausgeschrieben werden muss.“, sagt Hannes Rockenbauch.
Verfahrenskritik: 21 Jahre Streit in 21 Tagen lösen
7616 Tage ist der Verkauf des Wassernetzes jetzt her. „Zwischen der ersten Information an den Gemeinderat und der finalen Beschlussfassung des Vergleichs mit der EnBW sollen laut Plan der Verwaltungsspitze gerade einmal 21 Tage vergehen. Das ist eine Missachtung demokratischer Prinzipien und des Gemeinderats. Und mit dieser „Friss-oder-stirb“–Haltung, mit der der Gemeinderat jetzt von Verwaltungsspitze und EnBW unter Druck gesetzt wird ist abwegig“, so Stefan Urbat weiter.
„Aus unserer Sicht besteht jetzt kein Zeitdruck. Wir können und müssen nachverhandeln und neu nachdenken. Auch die EnBW braucht die Zustimmung des Gemeinderats für ihre hochtrabenden Stadtentwicklungspläne“, sagt Urbat.
Wie die Technischen Werke Stuttgart (TWS) im Jahr 2002 ohne Not verscherbelt wurden
Vor fast 21 Jahren hat der Gemeinderat mit Zustimmung von Grünen, SPD, CDU, FDP und Freien Wählern ohne Not die Technischen Werke Stuttgart verscherbelt. „Es ist ja erfreulich, dass Grüne und SPD mittlerweile gelernt haben, dass man öffentliche Infrastruktur zur Daseinsvorsorge nicht einfach verscherbeln darf – aber die politische Verantwortung dafür haben sie auch zwei Jahrzehnte nach diesem Jahrhundertfehler zu tragen“, sagt Stefan Urbat. „Wenn jetzt vor allem die SPD den Vergleich mit der EnBW rigoros ablehnt, dann mutet das schon ein wenig komisch an. Am 7. Februar 2002 waren die Genossen bei dem neoliberal getriebenen Ausverkauf kommunaler Infrastruktur mit dabei“, kritisiert Hannes Rockenbauch.