Von Hannes Rockenbauch:
Ja zu: „US-Army – go home! Eucom und Africom in Stuttgart schließen! Für eine soziale, klimaverträgliche Umnutzung!“ Das Projekt Stuttgart 21 wird damit nochmals unsinniger.
Anfang Juni verkündigte die US-Regierung, dass sie den Abzug von US-Truppen aus Deutschland plant, u.a. von den Standorten in Stuttgart mit den US-Militärinstitutionen EUCOM und AFRICOM. Konkret ist inzwischen, dass das EUCOM, die europäische Kommandozentrale der US-Armee, nach Belgien verlagert wird. Das AFRICOM, die Drehscheibe für völkerrechtswidrige Drohnenangriffe, könnte folgen, erklärte General Tod Wolters, Kommandeur des EUCOM. Wolters ist ein erklärter Befürworter eines flexiblen atomaren Erstschlags der USA.
Für Stuttgart begrüßen wir diese Pläne ausdrücklich. Damit wäre die baden-württembergische Landeshauptstadt zunächst mal wenigstens nicht mehr Primärziel eines eventuellen Gegenschlags. Doch für die gesamte Republik und die Welt wäre nur die komplette Auflösung von EUCOM und AFRICOM ein wirklich gutes Signal. Denn die Verlagerung des EUCOM nach Mons in Belgien dürfte sowohl strategisch als auch taktisch begründet sein: Laut US-Verteidigungsminister dient sie der Erhöhung der „strategischen Flexibilität“ der US-Truppen, d.h. verbesserten Voraussetzungen, um Kriege zu führen. Taktisch soll damit der Druck auf die deutsche Regierung erhöht werden, noch mehr Geld für Rüstung auszugeben, wie Donald Trump – aber auch die Demokraten mit Joe Biden – ständig fordern.
Dass dieser taktische Druck wirkt, zeigten die politischen Reaktionen von Bundes-, Landes-und Kommunalpolitik: Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) und seine Kollegen aus Bayern (CSU), Hessen (CDU) und Rheinland- Pfalz (SPD) gingen betteln: Das dürfe jetzt aber „nicht das letzte Wort aus dem Weißen Haus“ sein. Die Handlungsfähigkeit der Nato stehe auf dem Spiel und das „freundschaftliche und emotionale Band zwischen den Bürgern in Deutschland und in Amerika“ würde durch den Truppenabzug zerschnitten. Auch für die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, CDU und SPD im Stuttgarter Stadtrat, samt deren Kandidatinnen und Kandidaten für die OB-Wahl im November, stimmten ein. Offenbar meinen sie, dass freundschaftliche Beziehungen zu bewaffneten US-Staatsbürgern wertvoller sind als zu unbewaffneten. Den Vogel schoss der amtierende grüne OB Fritz Kuhn ab: Er verbat sich empört den Beifall unserer Fraktionsgemeinschaft, als er zu Beginn der Stadtratssitzung die Pressemeldung über den möglichen US-Truppen-Abzug verlesen hatte.
Unser Beifall für den angekündigten Abzug und für die Schließung von Eucom und Africom ist erstens Resultat eines klaren friedenspolitischen Standorts von mir und unserer Gemeinderatsfraktion „LINKE-SÖS-Pirat-Tierschutz“: Frieden und Sicherheit sind nicht mit Aufrüstung, sondern nur mit weniger Militär, weniger Nato und weniger Bundeswehr zu erreichen.
Zweitens bietet der Abzug der US-Truppen unserer Stadt eine historische Chance auf riesige, heute schon z.T. mit Wohnhäusern bebaute Areale im Stadtgebiet. Ein Geschenk für die von schlechter Luft, Klimaerwärmung und Mietenexplosion geplagten Menschen in der Stadt. Denn auf Grund ihrer topografischen Kessellage verbietet sich jede weitere Bebauung von zusätzlichen Grünflächen, die Frischluft für die Stadt produzieren.
Die Patch-Barracks (Eucom) und die Kelley-Barracks (Africom) haben darüber hinaus ein doppelt so großes Flächenpotential wie die Flächen des Gleisvorfelds des heutigen Stuttgarter Hauptbahnhofs, die für die Kühlung der Innenstadt klimatologisch eminent wichtig sind.
Dieses Gleisvorfeld als Potential für den Bau von rund 6000 Wohnungen ist inzwischen das letzte Argument der Unterstützer für das Tunnelbahnhofsprojekt Stuttgart 21 (S21). Der Preis für diese Bebauung wäre ein weiter verschlechtertes Innenstadt-Klima. Alle anderen in Aussicht gestellten Vorzüge (Leistungsfähigkeit, Kosten,…) haben sich als Täuschung der Öffentlichkeit diskreditiert. Und inzwischen ist selbst dieser „Joker“ nicht mehr viel wert, denn die Bebaubarkeit des Gleisvorfelds ist mittlerweile in noch weitere Ferne gerückt als die Fertigstellung des Tunnelbahnhofs: Vor Ende der 30er Jahre würde dort kein Haus stehen.
Die Flächen der Patch-Barracks und der Kelley-Barracks böten dagegen in naher Zukunft die Chance für eine städtische, gemeinwohlorientierte Wohnnutzung mit sozialen Mieten – ohne dass neue Flächen versiegelt werden müssten. Sie könnten der Einstieg in einen Stuttgarter Gemeinde-Wohnungsbau nach Wiener Vorbild werden. Dies würde gegen die laufende Verdrängung der Stuttgarter Mieterinnen und Mieter mit kleinen Einkommen wirken.
„Eucom und Africom schließen – soziale, klimaverträgliche Umnutzung!“ – das könnte ein verbindendes gemeinsames Thema für die Friedens-, Klimaschutz– und Mieter*innen- Bewegung werden. Um diese Ziele umzusetzen, bedarf es nicht nur unserer kommunalpolitischen Initiativen. Notwendig dafür ist der spürbare Druck aus der Stadtgesellschaft.