Foto: Roland Hägele

Stuttgart ruft den Klimanotstand aus – Klimaneutralität bis 2030

Wir beantragen, der Stuttgarter Gemeinderat möge am 8. Oktober 2020 beschließen:

  • Die Stadt Stuttgart setzt sich zum Ziel, bis zum Jahr 2030 Klimaneutralität erreicht zu haben.
  • Die Landeshauptstadt Stuttgart unterstützt die Resolution zur Ausrufung des Climate Emergency («Klimanotstand»)[1], analog der zahlreichen Städte und Länder, die bereits den Klimanotstand ausgerufen haben, wie sie in dieser Anregung niedergelegt ist.

Begründung für den Antrag:
Am 29. November 2019 lehnte die Mehrheit aus Grünen, CDU, SPD, FDP und Freien Wählern im Ausschuss für Klima und Umwelt (AKU) den von uns gestellten Antrag ab, Stuttgart möge sich das Ziel setzen nicht erst im Jahr 2050, sondern bereits im Jahr 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Wir beantragen nun erneut, diesen groben Fehler zu korrigieren und endlich ambitionierte Ziele – zumal sie wissenschaftlich fundiert sind – zu formulieren und umzusetzen. Ein Beispiel ist die finnische Stadt Lahti (120 000 Einwohner*innen): Hier wurde das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 ohne den Kauf von Emissionsgutschriften CO2-neutral werden. Es ist an der Zeit, dass Stuttgart sich endlich das Ziel setzt, den Klimanotstand auszurufen und alle Anstrengungen unternimmt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein.

Wir haben bereits mehrfach beantragt, dass Stuttgart den Klimanotstand ausrufen möge (Antrag Nr. 131/2019 und Antrag Nr. 240/2019). Mit einem weiteren Antrag (Nr. 172/2019) haben wir den Versuch unternommen, den Ursprungsantrag auf die Tagesordnung des Gemeinderats zu setzen. Am 8. Mai 2019 schließlich debattierte der Verwaltungsausschuss des Stuttgarter Gemeinderats über den Klimanotstand – am Ende wurde der Antrag – gegen die Stimmen der Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS – vertagt.

Stuttgart hatte die Chance, als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand auszurufen. Zuvor hatte die Stadt Basel bereits den Klimanotstand ausgerufen, die Bürgerversammlung Erlangen hatte sich dafür ausgesprochen.

20. Februar 2019: Basel ruft den Klimanotstand aus (71 Ja-Stimmen zu 17 Nein-Stimmen bei 6 Enthaltungen

März 2019: Erlangens Bürgerversammlung fordert den Gemeinderat auf, den Klimanotstand auszurufen (99% Zustimmung)

Seitdem haben folgende Städte und Länder (Auswahl) den Klimanotstand ausgerufen:

01.05.2019: Britisches Unterhaus ruft den Klimanotstand aus (einstimmig)

02.05.2019: Konstanz ruft den Klimanotstand aus (einstimmig)

09.05.2019: Irland ruft den Klimanotstand aus

15.05.2019: Ludwigslust ruft den Klimanotstand aus

15.05.2019: Ludwigsburger Grüne fordern Klimanotstand, OB Werner Spec zeigt sich offen dafür

15.05.2019: Grüne in Herzogenaurach beantragen, Klimanotstand auszurufen sowie eine Bürgerversammlung zum Thema Klimaschutz auszurufen

16.05.2019: Kiel ruft als erste Landeshauptstadt den Klimanotstand aus

23.05.2019: Münster ruft den Klimanotstand aus

29.05.2019: Erlangen ruft den Klimanotstand aus

17.06.2019: Kanada ruft den Klimanotstand aus

25.06.2019: Sidney ruft den Klimanotstand aus

26.06.2019: New York City ruft den Klimanotstand aus

27.06.2019: Frankreich ruft den Klimanotstand aus

28.06.2019: Marburg ruft den Klimanotstand aus

03.07.2019: Lippstadt ruft den Klimanotstand aus

04.07.2019: Düsseldorf ruft den Klimanotstand aus

04.07.2019: Bonn ruft den Klimanotstand aus

04.07.2019: Düren ruft den Klimanotstand aus

04.07.2019: Krefeld ruft den Klimanotstand aus

09.07.2019: Köln ruft den Klimanotstand aus

11.07.2019: Bielefeld ruft den Klimanotstand aus

11.07.2019: Gelsenkirchen ruft den Klimanotstand aus

16.07.2019: Karlsruhe ruft den Klimanotstand aus

  • 12.2019: München ruft den Klimanotstand aus
  • 12.2019: Berlin ruft die Klimanotlage aus
  • 01.2020: Schwerin ruft den Klimanotstand aus

Der Stuttgarter Gemeinderat soll aus unserer Sicht ein Zeichen setzen und auch in Stuttgart den „Weltklimanotstand“ (wie es Oberbürgermeister Fritz Kuhn am 11. Juli presseöffentlich formulierte) ausruft.

Resolution zur Ausrufung des Climate Emergency («Klimanotstand»)[1]
Der Mensch hat bereits einen Klimawandel mit irreversiblen Folgen verursacht, welche weltweit zu spüren sind. Die globalen Temperaturen sind gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um 1 Grad Celsius gestiegen, weil die CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 280 Anteile pro Million (ppm) auf über 400 ppm angestiegen ist. Um eine unkontrollierbare globale Erwärmung mit nicht absehbaren Folgen zu verhindern, ist es unerlässlich, die Treibhausgasemissionen schnellstmöglich massiv zu reduzieren.

Bereits 1,5 °C Erderwärmung führen unter anderem dazu, dass der steigende Meeresspiegel riesige Küstengebiete unbewohnbar macht. Die Weltbank schätzt, dass in den kommenden 30 Jahren die Zahl der Klimaflüchtlinge auf über 140 Millionen Menschen ansteigen wird. Der Klimawandel ist also nicht bloß ein Klimaproblem: Er ist ein Wirtschafts-, Sicherheits-, Tierschutz- und Friedensproblem. Eine radikale Wende in den Bereichen Energie, Verkehr und Landwirtschaft ist notwendig und unumgänglich.

Es kann und soll nicht erwartet werden, dass die Lösung dieses Problems alleine durch Eigenverantwortung und von Einzelpersonen erreicht wird. Es braucht jetzt auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene griffige Maßnahmen, um dieser drohenden Katastrophe entgegenzuwirken. Die aktuellen Pläne und Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die Erwärmung bis 2036 auf die angestrebten 1,5°C zu begrenzen. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je schnell zu handeln!

Die Kommune erklärt den Climate Emergency und anerkennt damit die Eindämmung des Klimawandels und seiner schwerwiegenden Folgen als Aufgabe von höchster Priorität:

Die Kommune wird die Auswirkungen auf das Klima sowie die ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeit bei jeglichen davon betroffenen Entscheidungen berücksichtigen und wenn immer möglich, jene Entscheidungen prioritär behandeln, welche den Klimawandel oder dessen Folgen abschwächen.

Die Kommune orientiert sich für zukünftige Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels an den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), insbesondere in Bezug auf Investitionen zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen.

Die Kommune fordert von der Bundesregierung die Einführung eines Klimaschutzgesetzes, dessen Maßnahmen an den Forderungen des Pariser Abkommens ausgerichtet sind. Das Gesetz hat sicherzustellen, dass die bereits vereinbarten Reduktionsziele eingehalten werden und, dass das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland spätestens bis zum Jahr 2036 vollständig erreicht wird.

Die Kommune fordert, dass die Bundesregierung und die Landesregierung umfassend über den Klimawandel, seine Ursachen und Auswirkungen sowie über die Maßnahmen, welche gegen den Klimawandel ergriffen werden, informieren.

[1] Die Begriffe «Climate Emergency» resp. «Klimanotstand» sind symbolisch zu verstehen und sollen keine juristische Grundlage für die Ableitung von Notstandsmaßnahmen sein.

Verfahrenshinweis:

  • 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg heißt es: „Auf Antrag einer Fraktion oder eines Sechstels der Gemeinderäte ist ein Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung spätestens der übernächsten Sitzung des Gemeinderats zu setzen“. Wir möchten von diesem Recht Gebrauch machen und bitten darum, den Antrag auf die Tagesordnung des Gemeinderats am 8. Oktober 2020 zu setzen.

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