Modernisierung und Erhalt der Schleyerhalle prüfen

Wir beantragen, die Verwaltungsspitze legt VOR einer Finanzierungsentscheidung „Finanzierung Neue Arena 2028“ (GRDrs 651/2023) über den Abriss und den Neubau der Schleyerhalle folgende Ergebnisse zu Prüfaufträgen vor:

  1. Gibt es eine Alternativplanung zum Neubau der Arena 2028?
    1. Wenn ja, bitten wir um die Vorstellung der Alternativplanungen mit den ausgearbeiteten Daten und Kostenschätzungen.
    2. Wenn nein, so beantragen wir die Erarbeitung einer Alternativplanung, die sowohl von einer energetischen Modernisierung mit Umbau (ggfs. auch mit höherem Dach u.ä.) sowie einer umfänglichen Sanierung der bestehenden Schleyerhalle ausgeht. Dabei sollen insbesondere folgenden Fragen beantwortet werden:
  2. Wie viel graue Energie würde bei einer modernisierten Schleyerhalle eingespart werden im Vergleich zu einem Neubau einer Arena 2028?
  3. Wie hoch wäre der Energieverbrauch einer energetisch modernisierten Schleyerhalle im Vergleich zu einer neu erbauten Arena 2028?
  4. Wie ist die CO2 Bilanz bei Abriss und Neubau der Schleyerhalle im Vergleich zu einer modernisierten Schleyerhalle?
  5. Wie hoch wäre der Flächenverbrauch (zusätzliche Versiegelung) durch die Neue Arena 2028?
  6. Wie hoch wäre die Leistung einer Solaranlage auf einer modernisierten Schleyerhalle im Vergleich zu einer Solaranlage bei der Arena 2028?
  7. Wie viele Fahrradabstellanlagen könnten bei einer modernisierten Schleyerhalle zusätzlich geschaffen werden?
  8. Wie hoch wären die Baukosten für eine modernisierte Schleyerhalle im Vergleich zu einem Neubau Arena 2028?
  9. Wann gedenkt die Verwaltungsspitze die Drucksache „Finanzierung Neue Arena 2028“ (GRDrs 651/2023) zu veröffentlichen?
  10. Was ist das inhaltliche Konzept der in.stuttgart, um Auftritte renommierter Künstler:innen in Stuttgart zu ermöglichen?

Begründung:

Bevor eine Entscheidung über einen Abriss und Neubau der 40 Jahre alten Schleyerhalle getroffen werden kann, muss dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit transparent vorgelegt werden, welche ökologischen und ökonomischen Folgen ein solches Neubauvorhaben hätte. Der Beschluss des Gemeinderats alle Bauvorhaben unter Klimavorbehalt zu stellen ist ernst zu nehmen!

In der bisherigen Diskussion um den Abriss der Schleyerhalle bzw. den Neubau einer Arena 2030 werden stets Vergleiche zwischen Städten angeführt. Stuttgart müsse im Wettbewerb des immer schneller, höher, weiter auch im Eventbereich mithalten können. Oft wird der Eindruck erweckt, es ginge dabei um die auftretenden Künstler:innen, doch im Kern geht es um die wachstumsgetriebene Eventindustrie. Es ist kostspielig und klimaschädlich immer noch größere Kommerztempel mit öffentlichen Geldern zu bauen. Die Nutznießer sind weniger die Kommunen als – üblicherweise international agierende – Eventagenturen, die mit größeren Hallen mehr Tickets verkaufen, weniger Aufwand beim Bühnen-Aufbau haben und damit ihre Profite steigern.

Somit stellt sich im Fall der Schleyerhalle die Frage, warum ein Neubau unbedingt notwendig ist. Es wird häufig ins Feld geführt, dass die „fehlende Raumhöhe“ (GRDrs 1227/2021) im Bestand Grund dafür wäre, dass „top Konzerte“ (GRDrs 1227/2021) in der Schleyerhalle nicht mehr gebucht würden. Es geht dabei weniger um die Anforderungen der Künstler:innen, sondern es ist eine Frage von „Wirtschaftlichkeit“ und Renditen von Konzertagenturen.

Es kann nicht Aufgabe von Kommunen sein, mit öffentlichen Geldern, internationalen Event-Agenturen und Konzertveranstaltern höhere Renditen abzusichern, deren Steuern meist nicht der Kommune zugutekommen. So berichtete die Stuttgarter Zeitung am 2.5.23: Die Konzerte von Helene Fischer „lagen allein in der Hand des US-Medienunternehmens Live Nation. Semmel Concerts, die einen Großteil der Arbeit vor Ort von Music Circus erledigen ließen, sind raus – entsprechend wenig bleibt für den örtlichen Veranstalter übrig. Damit geht aus den Konzerteinnahmen viel mehr Geld als früher aus Stuttgart raus. Die internationale Konzentration im Festival- und Kartenverkauf-Geschäft schreite weiter voran, was Jürgen Schlensog, der Promoter der Jazz Open, mit Sorge beobachtet.“

Bei der aktuellen Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung vom 5.7.23 über die neue Arena 2028 wird erwähnt, dass Helene Fischer wegen der jetzigen räumlichen Situation in der Hans-Martin-Schleyer-Halle „ihre Show ummodeln“ musste, das sei „mühsam und kostet Geld.“ Es kostet nicht der Stadt Stuttgart Geld, sondern dem Veranstalter. Im selbigen Artikel stellt in.Stuttgart-Chef Andreas Kroll die Behauptung auf, dass Stuttgart bei „großen Stars …mit der Schleyerhalle nicht mehr auf dem Tourplan“ stehe, weil zu niedrig, zu wenige Plätze, zu wenige Logen, zu alte Infrastruktur, mithin zu wenig Einnahmen. Und auch schon am 11. September 2021 blies die Ludwigsburger Kreiszeitung ins gleiche Horn: „Helene Fischer konnte in Stuttgart nicht fliegen, jedenfalls nicht auf der Bühne. Das ist einer der Gründe, warum die Tage der Hanns-Martin-Schleyerhalle in Stuttgart gezählt sind: Baden-Württembergs größte Mehrzweckhalle am Neckarpark entspricht nicht mehr internationalen Anforderungen, weder im Event noch im Sportbereich“. Dennoch konnte Helene Fischer im Jahr 2023 in Stuttgart fliegen, und zwar auf der Bühne: am 2., 3., 5., 6. und 7. Mai in der ausverkauften Schleyerhalle. Die Auftritte der Schlagersängerin reichten zum sogenannten „Sold out Award 2023“, den sie im Vorgriff auf das laufende Jahr von Oberbürgermeister Frank Nopper überreicht bekam. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass Publikumsmagneten nicht mehr nach Stuttgart kommen würden.

Auch der international erfolgreiche Musiker Ed Sheeran wurde als Argument für einen Neubau herangezogen. Im SWR war am 6. September 2021 folgendes zu lesen: „Mittlerweile kommen die ganz großen Stars aber nicht mehr nach Stuttgart. Für die Shows von Ed Sheeran oder Helene Fischer beispielswiese ist der Raum über der Bühne zu niedrig, so die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart.“ Auch das ist nicht haltbar, denn im April 2023 war auf der Webseite kulturnews.de zu lesen, dass jener Ed Sheeran im Jahr 2023 in Europa fünf Konzerte geben werde, eines davon in Deutschland – und zwar in Berlin im Admiralspalast – einer geradezu kuscheligen Halle mit nur 1 756(!) Sitzplätzen. Weder die fehlende Deckenhöhe in der Schleyerhalle noch eine zu geringe Besucher-Platzzahl konnte also der Grund sein, warum der Musiker nicht nach Stuttgart kam.

Ein 400-Millionenprojekt darf nicht hinter verschlossenen Türen innerhalb eines Monats durch die Gremien gepeitscht werden, sondern muss transparent und unter Abwägung von klimatologischen Aspekten beraten werden. Zudem ist anzuführen, dass die Stadt stets klagt, dass Projekte wegen des akuten Personalmangels nicht umgesetzt werden könnten. Auch unter diesem Aspekt ist zu priorisieren, wofür knappes Personal und Ressourcen eingesetzt werden.

Vor allem muss eine umfassende Abwägung vorgelegt werden, wie eine modernisierte und umbenannte Schleyerhalle unter ökologischen Aspekten und unter dem Kriterium von Ressourcenverbrauch im Vergleich zum angestrebten Abriss-Neubau-Projekt „Arena 2028“ hätte. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels muss der Gemeinderat jetzt in Sachen Klimavorbehalt in die Gänge kommen. Dazu gehört, dass unter Beachtung des CO2-Ausstoßes nicht jedes Großprojekt realisiert werden kann. Zudem muss die Stadt Stuttgart priorisieren, wofür sie Geld ausgibt, wofür sie das Personal einsetzt und wofür Handwerkerkapazitäten eingesetzt werden. Verantwortungsvolle Politik heißt, dass klimazerstörerische Großprojekte (auch) in Stuttgart jetzt nicht mehr geplant und umgesetzt werden dürfen.