Stuttgart als Gebiet mit angespannten Wohnungsmarkt nach dem Baugesetzbuch umsetzen

Wir beantragen:

  1. Die Verwaltung wird vom Gemeinderat beauftragt, die Landesregierung aufzufordern, die Stadt Stuttgart als „Gebiet mit angespannten Wohnungsmarkt“ nach § 201a BauGB durch Rechtsverordnung zu bestimmen.
  2. Außerdem wird die Verwaltung beauftragt, die Landesregierung aufzufordern, zusätzlich zur Anerkennung des angespannten Wohnungsmarktes nach § 201a BauGB, die nach § 250 BauGB „Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten“ in der Rechtsverordnung nach Satz 3 die von Satz 2 abweichende Anzahl an Wohnungen auf drei zu bestimmen.

Begründung:

Die Frage, ob Stuttgart einen angespannten Wohnungsmarkt hat oder nicht, stellt sich seit vielen Jahren nicht mehr. In zahllosen städtischen Publikationen wird der Wohnungsmarkt beschrieben als “(…) nach wie vor sowohl im Bestand, als auch beim Neubau sehr angespannt (…)”. Dies schreibt die Stadtverwaltung im Wohnungswesen Jahresbericht 2019, GRDrs 12/2020. Im Wohnungsmarktbericht 2019 ist der angespannte Wohnungsmarkt folgendermaßen verdeutlicht: “angespannten Stuttgarter Wohnungsmarktes”, “ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt inzwischen sehr angespannt” (S. 9),“die angespannte Lage am Wohnungsmarkt verdeutlicht“ (Wohnungsmarkt Stuttgart 2019, S. 31). „Die aktuelle Mietenentwicklung zeigt eindrücklich die angespannte Situation auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt“, wie es auf Seite 37 des Berichts heißt. “Ab 2012 zeigen sich Anzeichen für einen deutlich angespannten Stuttgarter Wohnungsmarkt” wird auf Seite 40 konstatiert, “Die aktuelle Marktlage halten 92 Prozent der befragten Wohnungsmarktexperten für sehr angespannt (67 %) oder eher angespannt (25 %).” auf Seite 41, und schließlich die Einschätzung: “An der angespannten Situation soll sich nach Ansicht der Stuttgarter Experten in den kommenden Jahren nichts ändern.” (Seite 41 des Wohnungsmarktberichts 2019)

Umso unverständlicher, dass das Land sich bislang geweigert hat, Stuttgart per Rechtsverordnung auf Grundlage des Baugesetzbuches als “angespannten Wohnungsmarkt” zu bezeichnen. Diese Selbstverständlichkeit muss dringend und unverzüglich nachgeholt werden.

Mit der Novellierung des Baugesetzbuches (Baulandmobilisierungsgesetz) zum 23. Juni 2021 hat die Bundesregierung den Kommunen wirksame Möglichkeiten an die Hand gegeben, um die extrem angespannte Lage am Mietwohnungsmarkt zu beruhigen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen; hierunter zählen bspw. ein Baugebot, ein Umwandlungsverbot von Mietwohnungen zu Eigentum und besondere Vorkaufsrechte. In der GRDrs 146/2021 „Neuausrichtung Bodenpolitik Grundsatzbeschluss“ wird unter 1.2 hierzu auch schon Bezug genommen, in genannter Drucksache heißt es aber: „Ob die Landeshauptstadt Stuttgart in der Rechtsverordnung Berücksichtigung findet, ist abzuwarten.“ Darauf bezugnehmend muss gesagt werden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Stuttgart zu einem derartigen Gebiet deklariert wird. Für die Menschen in Stuttgart ist dies ein allzu lang ertragenes und existenzielles Problem und außerdem ist die wissenschaftliche Studienlage evident[1]. Selbst die Landesregierung, bezüglich ihrer Verordnung der zur „Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn (Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden – Württemberg – Mietpreisbegrenzungsverordnung BW)“, weist auf dieses Problem hin. Hier wurde auf der Grundlage von § 556d Absatz 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches verordnet, dass in Gebieten mit angespannten Wohnungsmarkt die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete (§ 558 Absatz 2) nur um höchstens um 10 Prozent übersteigen darf. Hierunter wird von der Landesregierung auch die Stadt Stuttgart gezählt[2]; somit stellt also die Landesregierung selbst einen hinreichenden Beleg, um die LHS Stuttgart als „angespannten Wohnungsmarkt“ anzuerkennen.

Aus diesem Grund stellen wir einen Antrag, in welchem die Landesregierung aufgefordert wird, Stuttgart als Gebiet mit „angespannten Wohnungsmarkt“ nach § 201a BauGB anzuerkennen, damit wir als Kommune die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, sowie die Umwandlung von Mietwohnungen zu Eigentum begrenzen können. Es ist die Pflicht der Landesregierung, aber auch des Gemeinderates der LHS Stuttgart, diesen eklatanten Missständen entgegenzutreten und der sozialen Verantwortung gerecht zu werden.

[1] Landeskreditbank Baden-Württemberg (2019). Gutachten zur Identifizierung von Gebieten in Baden-Württemberg mit angespannten Wohnungsmärkten Endbericht Teil 1 zur Mietbegrenzungsverordnung Hamburg.

Held, T., & Strauß, M. (2019). Keine Entwarnung für den angespannten Stuttgarter Wohnungsmarkt: Ergebnisse der Expertenbefragung 2018. Stadtforschung und Statistik: Zeitschrift des Verbandes Deutscher Städtestatistiker, 32(1), 36-44.

Holm, A., Regnault, V., Sprengholz, M., & Stephan, M. (2021). Die Verfestigung sozialer Wohnversorgungsprobleme: Entwicklung der Wohnverhältnisse und der sozialen Wohnversorgung von 2006 bis 2018 in 77 deutschen Großstädten (No. 217). Working Paper Forschungsförderung.

[2] Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit Begrenzung der zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn     (Mietpreisbegrenzungsverordnung Baden-Württemberg – Mietpreisbegrenzungsverordnung BW, 06.10.2020)