Foto: Roland Hägele

Dolmetscherdienste im Klinikum Stuttgart weiterhin finanzieren

Wir beantragen:

1. Die Klinikumsleitung berichtet im Sozial- und Gesundheits-Ausschuss über die Hintergründe und absehbaren Folgen der Entscheidung, die Dolmetscherdienste für Patient*innen nur noch in Ausnahmefällen zu finanzieren.
a) Es wird erläutert, von welchen finanziellen und personellen Ersparnissen/ Minderausgaben ausgegangen wird, wenn dieser Schritt umgesetzt wird;
b) Welche medizinischen Folgen und Gefährdungen durch unzureichende Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient*in drohen.
c) Welche Gruppen von Patient*innen von dieser Sparmaßnahme voraussichtlich besonders betroffen sein werden.
d) Was unter sogenannten „abgestimmten Fällen“ zu verstehen ist, in denen bei Leistungsberechtigten des Asylbewerberleistungsgesetzes das Sozialamt für Sprachdolmetscher aufkommt und welcher bürokratische Aufwand damit für Patient*in, Klinikum und Sozialamt verbunden ist.

2. Die Stadtverwaltung erarbeitet mit dem Klinikum einen Vorschlag, wie der Dolmetscherdienst im Klinikum im bisherigen Umfang weiterfinanziert werden kann.

Begründung:
Wie die Stuttgarter Zeitung vom 18.März dieses Jahres berichtet, hat das Klinikum Stuttgart die Entscheidung getroffen, dass Patient*innen ohne deutsche Sprachkenntnisse oder mit Sprachbarrieren ab 1. April dieses Jahres keine ehrenamtlichen Dolmetscher*innen mehr kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Dolmetscherdienste sollten seitens des Klinikums nur noch „in Notfällen nach Ermessen des Arztes“ in Anspruch genommen werden.
Eine gute Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und Patient*in ist wesentlich für die richtige Diagnose wie auch für die Behandlung der Krankheit. In Zukunft sollen Angehörige und Freunde diesen „Dienst“ unentgeltlich übernehmen. Es ist absehbar, dass häufig Eltern auf ihre Kinder mit besseren Deutschkenntnissen zurückgreifen werden, was zu heiklen Situationen führen kann, ebenso, wenn Kinder ihren Eltern mitteilen müssen, dass sie eine unheilbare Krankheit haben. Wenn aufgrund mangelnder medizinischer Kenntnisse keine präzise Übersetzung erfolgen kann, stehen Diagnose und Behandlung auf unsicherem Grund. Ebenso kann es zu Situationen kommen, in denen Angehörige bewusst Informationen – etwa um die Patient*innen zu schonen – vorenthalten. Sind solche Anzeichen zu erkennen, sollten Ärzt*innen aufschiebbare Behandlungen verweigern. Um keine Berufsgruppe vor solch schwierige Entscheidungen zu stellen, sollte auf derart kurzsichtige „Sparmaßnahmen“ verzichtet werden.
Es wird vom Klinikum angeboten, dass sich Patient*innen Dolmetscher*innen aus der auf der Homepage hinterlegten Liste bestellen können. Allerdings müssten die dadurch entstehenden Kosten von dem/der Patient*in selbst übernehmen werden. Dolmetscher*innen weisen darauf hin, dass mit diesem Schritt insbesondere Arme und Geflüchtete benachteiligt werden, denn sie können es sich nicht leisten, eine*n Dolmetscher*in selbst zu bezahlen.
Der Vorschlag auf eigene Mitarbeiter*innen bei Übersetzungsleistungen zurückzugreifen ist sicher kostensparend. Es ist von Vorteil, dass die Beschäftigten aus rund 100 Nationen am Klinikum über medizinische Kenntnisse verfügen und das Fachvokabular vorhanden ist. Doch unter dem Gesichtspunkt des permanenten Zeitdrucks und Personalmangels scheint es wenig realistisch, dass Mitarbeiter*innen aus anderen Klinikumsbereichen zum Übersetzen kurzfristig abgezogen werden können.
Abschließend können wir uns der Bewertung des Sachverhalts von Frau Viola Volland anschließen, die im Kommentar zum o.g. Artikel der Stuttgarter Zeitung sehr passend meinte: „Aber das Klinikum hat als Haus in städtischer Trägerschaft eine besondere gesellschaftliche Verantwortung und genießt ja auch in finanzieller Sicht besondere Förderung. Mit der neuen Regelung wird wenig eingespart, es geht aber viel verloren.“