Das Positionspapier Klimaschutz zum herunterladen hier:
Positionspapier Klimaschutz 2020-10-30
Nachfolgend die Textfassung:
Vorwort
Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit; die Dringlichkeit jetzt endlich zu handeln könnte kaum größer sein. Dabei sind wir alle gefordert, unverzüglich dafür zu sorgen, dass unsere Lebensweise die planetaren Grenzen respektiert. Eine umfassende Transformation muss auf allen Ebenen – auch und gerade in Stuttgart – jetzt begonnen werden. Gerade in Stuttgart? Ja, weil wir einerseits bereits heute, auf Grund der Kessellage Stuttgarts, besonders vom menschengemachten Klimawandel betroffen sind und weil wir als Industriestandort und Landeshauptstadt eine besondere Verantwortung und Vorbildfunktion haben. Gerade wir in Stuttgart können zeigen, dass eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft möglich ist und dadurch unsere Stadt lebenswerter für alle wird.
Wozu ein Positionspapier?
Mit diesem Positionspapier sollen Umrisse einer großen, sozial-ökologischen Transformation entwickelt und zur Diskussion gestellt werden.
Wir als drittstärkste Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat setzen konsequent auf Klimaschutz, zeigen auf, was notwendig ist und verbinden neben der Hoffnung auf Umsetzung auch die Chance damit, dass ein gesundes, soziales, nachhaltiges und lebenswertes Leben am Ende einer so umfassenden Transformation steht.
Mit dem Klima kann man weder verhandeln, noch Kompromisse machen– man kann es nur schützen und erhalten – oder in ein unkalkulierbares Risiko schlittern, an dessen Ende niemand sicher sein kann, dass auf dem Planeten Erde noch menschliches oder tierisches Leben möglich sein wird. Die Klimakrise ist bereits heute spürbar und damit kein reines Zukunftsthema. Bereits heute sterben Menschen, werden zur Flucht gezwungen, weil ihre natürlichen Lebensgrundlagen durch den Klimawandel zerstört wurden.
Wir möchten den nachfolgenden Generationen eine Antwort auf die Frage geben: Und was habt ihr für den Klimaschutz getan? Ebenso müssen wir jetzt Verantwortung übernehmen für all die Menschen, die bereits von der Klimakrise betroffen sind. Dahinter steckt der Gedanke der Klimagerechtigkeit, nach dem allen Menschen eine intakte Welt offenstehen soll, ein gutes Leben führen zu können – heute, morgen, hier und überall. Ein Teil der Antwort auf diese Frage ist: Ohne einen radikalen Bruch mit der Wachstumsideologie wird die notwendige sozial-ökologische Transformation nicht zu schaffen sein. Unsere Lebens- und Produktionsweise ohne Ausbeutung von Mensch und Natur zu organisieren ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, der nur unter intensiver Aushandlung mit der gesamten Bevölkerung in Stuttgart und darüber hinaus gelingen kann. Dieses Positionspapier ist ein Beitrag zu diesem Prozess.
Die Kommune kann innerhalb der bestehenden Regelungen nicht alles umsetzen– Region, Land, Bund, Europäische Union (EU) und Private müssen ebenfalls einen substanziellen Beitrag leisten, wenn ein effektiver Klimaschutz in Stuttgart gelingen soll. Trotzdem nehmen wir auch auf kommunaler Ebene die Herausforderung an, die uns die momentan geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisse nahelegen, und versuchen nach ersten grundsätzlichen Überlegungen auch konkrete Maßnahmen abzuleiten, die wir in den nächsten Jahren als FrAKTION in den Stuttgarter Gemeinderat einbringen und umsetzen wollen. Unsere Vorgängerfraktionen (Fraktionsgemeinschaft SÖS und LINKE, Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS und auch bereits Hannes Rockenbauch noch als Einzelstadtrat) haben dazu bereits mit vielen Anträgen Grundlagen geschaffen.
Die Ausgangslage
Die Konzentration von CO2 und anderen Treibhausgasen nimmt seit der industriellen Revolution rasant zu. Durch die vom Menschen verursachte Erhöhung der Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre wird der natürliche Treibhauseffekt verstärkt. Treibhausgase verhalten sich dabei ähnlich wie das Glasdach eines Gewächshauses: Während die energiereiche Sonnenstrahlung nahezu ungehindert eindringen kann, wird ein Teil der Wärmestrahlung am Austritt aus der Atmosphäre verhindert. Je dichter die Treibhausgasschicht wird, desto mehr Wärme wird zurückgehalten und desto wärmer wird es im Gewächshaus. Das gleiche Prinzip gilt auch für unseren Planeten, der sich auf diese Art und Weise erwärmt.
Diese globale Erwärmung hat dramatische Folgen für das seit Jahrtausenden eingespielten Ökosystem und das global genauso wie lokal.
Pariser Klimaschutzabkommen: „deutlich unter 2 Grad“ – jetzt maximal 1,5 Grad
Um diese dramatischen Folgen auf alles Leben auf unseren Planeten abzumildern hat die Weltgemeinschaft mit dem Klimaschutzziel von Paris, vom Dezember 2015, beschlossen: „(…), die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf “deutlich unter” zwei Grad Celsius zu begrenzen (…)“.[1]. Mittlerweile ist sich die Weltgemeinschaft der Klimaforscher einig, dass die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzt werden sollte[2], wenn wir nicht in völlig unkontrollierbare Klimaszenarien hineinsteuern wollen. Deswegen begrüßen wir den Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats, sich zum 1,5-Grad-Ziel zu bekennen. Die zur Erreichung dieser ambitionierten Ziele bereits beschlossenen Konzepte und Maßnahmen sind allerdings nicht ausreichend. Sie beruhen auf veralteten Annahmen und blenden die besondere Rolle der Industrieländer, die der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung bei der Reduktion der Treibhausgase betont,[3] aus. Diese besondere Verantwortung derjenigen Länder, die durch ihre Industrialisierung bereits den Hauptteil der heutigen Verschmutzung des Planeten zu verantworten haben besteht darin, deutlich schneller bei der Erreichung der Klimaziele sein zu müssen.
Radikale Senkung von CO2 Ausstoß erforderlich
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, ist eine schnelle und radikale Senkung des heutigen pro Kopf CO2-Ausstoßes nötig und langfristig sogar eine dauerhaft klimaneutrale Gesellschaft unausweichlich. Die Schnelligkeit dieser Transformation hängt von dem global noch zur Verfügung stehenden CO2-Budget ab. Der Weltklimarat (IPCC[4]) berechnet in regelmäßigen Abständen und unter stetiger Weiterentwicklung der Klimamodelle das zur Verfügung stehende Budget. Aus dem jährlichen Verbrauch und dem zur Verfügung stehenden Budget berechnet sich vereinfacht gesagt, die Zeit, die uns noch zur Erreichung der Klimaneutralität im globalen Maßstab bleibt. Die entscheidende Frage ist also, wie viel CO2 wir insgesamt noch ausstoßen dürfen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Stand der Dinge 2019: CO2-Ausstoß steigt weiter
Trotz aller Bemühungen ist der weltweite Ausstoß von CO2 und dessen Äquivalente im Jahr 2018 nicht etwa gesunken, sondern um zwei Prozent gestiegen.[5] Auch Europa und Deutschland hinken ihren Klimazielen weit hinterher. Diese Zielverfehlung hat zur Folge, dass uns immer weniger Zeit zur Verfügung steht. Denn ist unser CO2-Budget aufgebraucht, lässt sich das 1,5 Grad Ziel nicht halten und es drohen unkalkulierbare, sich selbst verstärkende Mechanismen in Gang zu kommen, welche die Existenz allen höheren Lebens auf der Erde bedrohen. Deshalb ist dieses Budget verbindlich (und damit auch die dauerhafte Klimaneutralität), nicht verhandelbar und nicht durch Kompromisse aufzuweichen.
Stuttgart bis 2030 klimaneutral machen
Je länger es dauert, bis eine Trendwende geschafft ist, desto drastischer werden die Einschnitte sein, um das verbleibende CO2– Budget noch einzuhalten und desto teurer werden die Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Bewältigung der Klimafolgen.
In zeitlicher Hinsicht bedeutet dies, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 klimaneutral[6] sein muss und nicht – wie vor wenigen Jahren noch angenommen – erst im Jahr 2050. Stuttgart muss also bis spätestens 2030 klimaneutral sein. Unsere FrAKTION will, dass sich die Stadt Stuttgart entgegen ihren bisherigen Zielen[7] – dieser notwendigen und ambitionierten Herausforderung annimmt. Die Städte Münster[8] und Tübingen[9] haben sich bereits zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein zu wollen.
Unser Ziel:
Um der Klimakatastrophe wirksam entgegenzutreten, muss sich die Stadt Stuttgart aus unserer Sicht verpflichten, folgende Zielbeschlüsse zu fassen[10]:
- Senkung des Endenergieverbrauches um 65% bis zum Jahr 2030
- 95% CO2 Reduktion bis zum Jahr 2030
- 100% erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030
Unsere Forderung: alles muss auf den CO2-Prüfstand!
Ein Überschreiten des noch verbleibenden CO2– Budgets für Stuttgart ist nicht akzeptabel. Aus dieser Notwendigkeit heraus folgt zwingend, dass es ein „Weiterso“ nicht wird geben können, im Gegenteil: Alles muss auf den Prüfstand, alle Entscheidungen müssen unter einen Klimavorbehalt gestellt werden. Eine sofortige Bilanzierung und Folgenabschätzung all unserer Handlungen und Entscheidungen muss unverzüglich eingeführt werden. Aus diesem Grund haben wir wiederholt Anträge zur Anerkennung des Klimanotstandes in Stuttgart gestellt.
Stuttgart klimaneutral bedeutet: von heute an jedes Jahr 10 Prozent CO2 einsparen
Die Frage, wo Stuttgart heute in Sachen Klimaschutz steht, ist umstritten und hängt von den jeweiligen Berechnungsmodellen und der Aktualität des zugrunde gelegten Datenmaterials ab. Wir schlagen eine vereinfachte Formel vor: Will Stuttgart seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, dann muss es seinen Ausstoß von klimaaktiven Gasen jedes Jahr (verglichen mit seinen heutigen Emissionen), im Schnitt um zehn Prozent reduzieren. Damit wären wir in zehn Jahren (2030) klimaneutral.
Wie hoch sind die CO2 Emissionen heute in Stuttgart?
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums liegt der Ausstoß an CO2 in Deutschland im Jahr 2018 bei 9,6 Tonnen pro Person[11]. Rechnet man dies auf die
615 000 Einwohner*innen Stuttgarts um, so kommt man zu dem Ergebnis, dass in Stuttgart pro Jahr 5,9 Mio. Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Von diesen 5,9 Mio. Tonnen müssen jedes Jahr 10 Prozent sprich ca. 600.000 Tonnen eingespart werden, um das Ziel der Klimaneutralität noch erreichen zu können.
Unser Ansatz:
Um die abstrakten Einsparziele konkreter zu fassen und zielgerichtete Maßnahmen ableiten zu können, scheint es hilfreich, sie auf überschaubarere Handlungsfelder zu beziehen und dort jeweils zu konkretisieren.
Wir schlagen hierzu folgende Handlungsfelder vor, die unsere Lebens- und Produktionsweise gliedern und einen wesentlichen Beitrag zum CO2Ausstoß in Stuttgart leisten:
- Mobilität und Logistik
- Wohnen und Bauwirtschaft
- Arbeit, Wirtschaft und Ressourceneffizienz
- Freizeit und Konsum
- Naturschutz und Biodiversität; Landwirtschaft und Ernährung
- Energiewirtschaft und Wärmeversorgung
Hinzu kommt zwei weitere wichtige Handlungsebenen:
- Klimaanpassung
und die Sicherstellung personeller und finanzieller Ressourcen als Grundlage für wirksames kommunales Handeln:
- Zukunftsfähige Kommunalpolitik und Stadtverwaltung
Sozial-ökologische Transformation zur Klimaneutralität 2030 – Entschieden Handeln
In den nun folgenden Kapiteln werden nun die oben beschrieben acht Handlungsfelder beschrieben.
- Mobilität und Logistik
- Wohnen und Bauwirtschaft
- Arbeit, Wirtschaft und Ressourceneffizienz
- Freizeit und Konsum
- Naturschutz und Biodiversität; Landwirtschaft und Ernährung
- Energiewirtschaft und Wärmeversorgung
- Klimaanpassung
- Zukunftsfähige Kommunalpolitik und Stadtverwaltung
Zu Beginn jedes Kapitels steht eine kurze Einordnung zu den Punkten:
- a) Klimarelevanz;
- b) kommunale Steuerbarkeit;
- c) zentrale Akteure;
- d) Ziele bezogen auf das jeweilige Handlungsfeld
- e) soziale und ökologische Auswirkungen
- f) Verbesserungen der Lebensqualität der Bevölkerung
Anschließend werden Ideen für wirksame und umsetzbare Maßnahmen vorgestellt. Auf Grund der komplexen und vielschichtigen Ursachen der CO2–Problematik wird es darum gehen, in jedem Handlungsfeld ein ausgewogenes Bündel an sich gegenseitig verstärkenden Maßnahmen aufzustellen, dass sowohl Sofortmaßnahmen wie strukturellen Veränderungen beinhaltet.
- Mobilität und Logistik
Klimarelevanz: Im Verkehrssektor müssen erhebliche Beiträge geleistet werden[12].
Kommunale Steuerbarkeit: hier hat die Kommune viele Handlungsmöglichkeiten, sei es über die stadteigene Straßenbahngesellschaft SSB oder die Kompetenz, Straßenraum neu zu ordnen.
Zentrale Akteure: SSB, Stadtverwaltung Stuttgart (Amt für Stadtplanung, Amt für Öffentliche Ordnung, Stabstelle Nachhaltig Mobil, Radverkehrsbeauftragte) Bahn AG, Flughafen, Hafen, VVS, Regierungspräsidium, Fuß e.V., Radentscheid, Autokonzerne, Bürger*innen, Liefer- und Logistikdienste.
Ziele: Folgende Ziele sind hier zu verfolgen:
- Im Vergleich zum Jahr 2014 eine Reduktion des Pkw-Bestands um 85 Prozent und eine Reduzierung der gefahrenen Pkw-Kilometer um 70 Prozent[13].
- Spätestens 2030: keine Verbrennungsmotoren mehr auf Stuttgarts Straßen
- Unverzüglicher Ausbau des Umweltverbundes (ÖPNV, Rad- und Fußverkehr)
Soziale und ökologische Auswirkungen: Durch umweltschonende Mobilität besteht die Chance, eine für alle leistbare (und damit soziale) Mobilitätskultur zu etablieren.
Verbesserungen der Lebensqualität der Bevölkerung: Ein Wandel hin zum Umweltverbund geht mit einer drastischen Verbesserung der Luftqualität einher, sorgt für eine deutliche Reduzierung des Verkehrslärms, sorgt für mehr Verkehrssicherheit (Stichwort Vision Zero, also Null Verkehrstote), und schafft Platz durch die Umverteilung der bestehenden Verkehrsflächen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass die Ziele nur mit weniger Verkehr zu erreichen sind.“[14] Damit beziehen sich die Autor*innen der Studie „Mobiles Baden-Württemberg“ auf die Pariser Klimaschutzziele, die ebenfalls Grundlage für dieses Positionspapier sind. Neben allen Anstrengungen, die Menge der klimaschädlichen Gase zu reduzieren, muss auch eine generelle Reduktion des Verkehrsaufkommens angestrebt werden. Die Zahl der zurückgelegten Pkw-Kilometer muss drastisch – auf das absolut notwendige Niveau – sinken. Sichtbar wird dies, wenn man betrachtet, wie viele Wege (gemessen am Gesamtverkehrsaufkommen) aktuell mit dem Pkw in der Stadt zurückgelegt werden (40 Prozent) und wie viele es im Jahr 2030 sein müssen (13 Prozent). Ein Umstieg auf den Umweltverbund (ÖPNV, Rad- oder Fußverkehr) muss innerhalb von zehn Jahren im großen Stil ermöglicht werden. Ohne eine Neuverteilung der Verkehrsfläche wird dies nicht gelingen – ebenso wird es notwendig sein, die Wegestrecken zwischen Wohnung und Arbeitsplatz deutlich zu reduzieren.
Stuttgart kann darf es sich als teuerste Stadt Deutschlands – was den Mietenmarkt angeht – nicht weiterhin leisten, auf einen großen kommunalen Mietwohnungsbestand zu verzichten. Nur mit eigenem städtischen Mietwohnungsbestand kann leistbarer Wohnraum für kleine und mittlere Einkommen dauerhaft angeboten werden. Nur wenn die Wege der Pendler*innen kürzer werden, ist eine klimagerechte Verkehrswende zu schaffen. Ob der ÖPNV mit relativ moderaten Zuwächsen (im skizzierten Szenario sind es 4 Prozent) auskommt, oder ob eher ein Drittel aller Wege in der Stadt mit Bus und Bahn zurückgelegt werden, kann Gegenstand der Diskussion sein – eine Ausweitung der Kapazitäten in Bus und Bahn ist jedenfalls absehbar und muss dringend und unverzüglich angegangen werden (beispielsweise U-Bahn-Stationen auf den 80-Meter-Standard zu bringen).
Eine klimaverträgliche Mobilität ist in der Gesamtkostenrechnung deutlich günstiger als motorisierter Individualverkehr. Das ermöglicht allen Menschen, unabhängig von persönlicher finanzieller Situation, die Teilhabe an ökologischer Mobilität. Ziel muss es sein – im Vergleich zu heute – deutlich günstigere Ticketpreise im ÖPNV anzubieten. Auch der Aufbau einer sicheren Radinfrastruktur sorgt dafür, dass sich mehr Menschen für diese kostengünstige Mobilität entscheiden werden.
Quelle: Mobilität in Deutschland, Kurzreport, Februar 2019, S. 11 Quelle: Daten aus Mobiles Baden-Württemberg, Oktober 2017; S. 142
Umsetzung: Mobilität
a) ÖPNV stärken und ausbauen:
- Langfristig 2030: ÖPNV ist Daseinsvorsorge und muss damit kostenlos werden, d.h. solidarisch finanziert werden.
- Finanzplanung bis 2025: 365-Euro-Ticket für alle, SSB Sanierung und Ersatzbeschaffung finanzieren,
- Haushalt 22/23: Schüler, Azubis und Bonuscard-Inhaber*innen fahren kostenlos, 35 Mio. Euro SSB Zuschuss und 5 Mio. Euro für den Nachttakt.
Der öffentliche Personennahverkehr in Stuttgart und Region muss bis zum Jahr 2030 so ausgebaut sein, dass er eine zuverlässige, planbare und jederzeit erreichbare Art der Mobilität für alle Menschen in der Region Stuttgart ist. Dazu gehört, dass mindestens die Stadtbahnen und die S-Bahn auch unter der Woche die ganze Nacht fahren. Bestehende Schieneninfrastruktur wie die Panoramabahn zwischen Vaihingen und dem oberirdischen Hauptbahnhof wird ertüchtigt, in den Regelbetrieb eingebunden und schafft so nicht nur zusätzlich benötigte Kapazitäten, sondern dient auch als Ausweichstrecke für die S-Bahn-Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße. Die Schusterbahn zwischen Plochingen – Esslingen- Ebitzweg (Bad Cannstatt) – Münster – Kornwestheim und Ludwigsburg wird ertüchtigt und zur S-Bahn-Tangentialverbindung in den Regelverkehr überführt. Die Stadtbahn wird zwischen Bad Cannstatt und dem Stuttgarter Osten ausgebaut. Es entsteht ein City-Ringschluss zwischen dem Stadion im Neckarpark, der Talstraße / Wagenburgtunnel zum Hauptbahnhof.
Haltestellen werden zu Verkehrsknotenpunkten, an denen der Umstieg auf Bus, Fahrrad, Roller oder andere nachhaltige Verkehrsträger problemlos und barrierefrei möglich ist.
Finanziert werden Ausbau und Betrieb über eine Nahverkehrsabgabe für Einwohner*innen, die Wirtschaft und über eine Straßenbenutzungsgebühr für den motorisierten Individualverkehr sowie eine Luftreinhalteabgabe für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.
Anträge, die von unserer Seite dazu bereits gestellt wurden:
- Nahverkehrsplan: Weichen für ökologisch-soziale Verkehrswende stellen (220/2015)
- Anträge zum Nahverkehrsentwicklungsplan (NVEP) (159/2018)
- 365-Euro-Ticket für ALLE einführen (Nr. 596/2019)
- VVS-365-Euro-Ticket einführen, ÖPNV stärken, SSB-Nachttakt einführen (576/2017)
- Bäder, 365-Euro-Ticket und Stadt am Fluss aus dem Jahresüberschusses 2018 finanzieren (245/2019)
- Mehr als nur Feinstaub (Nr. 140/2005)
- b) Motorisierten Individualverkehr (MIV) reduzieren:
- Langfristig bis 2030: Autofrei / MIV um 85 % reduzieren – Dosierung des Verkehrs über Pförtnerampeln. Stuttgart verfolgt das Ziel, dass seine Einwohner*innen kein eigenes Auto mehr benötigen und schafft dafür die Infrastruktur.
- Mittelfristig bis 2025: Tempo 30 flächendeckend, Parkraumbewirtschaftung
- Ab sofort: Tempo 30 nachts und Tempo 40 tagsüber, Wettbewerb: Cityring Verkehrsfläche halbieren.
- c) Fußverkehr stärken:
- Stuttgart braucht ein barrierefreies, engmaschiges, gut ausgebautes Fußwegenetz, welches eine Kapazität hat, mindestens 35 % Fußverkehrsanteil am gesamten Verkehrsaufkommen aufzunehmen.
- Dazu durchzieht ein engmaschiges Flanierroutennetz das Stadtgebiet, Zahl und Fläche der Fußgängerzonen wird deutlich erhöht, in jedem Stadtteil ist mindestens ein Quartier als Fußgängerzone ausgewiesen.
- Alle Fußwege sind vom Radverkehr getrennt, auf Fußwegen stehen weder Verkehrsschilder noch Ladestationen oder sonstige technische Infrastruktur, die nicht dem Fußverkehr dienen.
- Erhalt und Pflege der Infrastruktur für zu Fußgehende hat höchste Priorität.
Anträge dazu (Auswahl):
- Fußgängerfreundliches Stuttgart ( 623/2019 und Nr. 579/2017),
- Abschleppmaßnahmen verdoppeln (Nr. 624/2019);
d) Radverkehr ausbauen:
- Der Radverkehrsanteil soll bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent steigen, was mehr als eine Verdreifachung des gegenwärtigen Radverkehrsanteils bedeutet. Laut neuesten Zahlen liegt der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen in Stuttgart bei acht Prozent[15]. Entsprechend wird es zwingend notwendig sein, ein durchgehendes, sicheres Radwegenetz in Stuttgart zu errichten. Hier wird Verkehrsfläche zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs dem Radverkehr zugeführt, eine bauliche Trennung vom Autoverkehr, dem ÖPNV und dem Fußverkehr ist zu realisieren.
- Der Ausbau des Hauptradroutennetzes ist bis zum Jahr 2030 abzuschließen, dazu sind mindestens zehn überregionale Radschnellwege bis 2030 umzusetzen.
- In jedem Stadtviertel wird mindestens eine Fahrradstraße neu eingerichtet.
- Eine Verdreifachung der Zahl sicherer Radabstellanlagen wird realisiert.
- Zusätzlich fördert die Stadt Stuttgart weiterhin den Erwerb von Lastenfahrrädern und Fahrradanhängern.
- Erhalt und Pflege von Fahrradinfrastruktur haben höchste Priorität (vor allem in Herbst und Winter)
Anträge dazu (Auswahl):
- Stuttgart zu einer fahrradfreundlichen Stadt machen (interfraktionell) (Nr. 76/2019),
- Durchgängiger Winterdienst auf Hauptradrouten (Nr. 637/2019);
- Stuttgart wird Fahrradstadt (Nr. 577/2017);
- Förderprogramm Lastenräder für Familien mit Sozialkomponente verstetigen ( 634/2019);
- Städtebaulichen Wettbewerb auch für B27 und B27a: Verkehrsfläche für motorisierten Individualverkehr halbieren (Nr. 599/2019)
- Eine lebenswerte Stadt für alle! (interfraktionell) (Nr. 205/2017)
Neben den genannten Sektoren sind noch der Flugverkehr, der Schiffsverkehr und der Bahnverkehr (hier gilt besonderes Augenmerk dem Projekt Stuttgart 21) zu nennen.
Flugverkehr – städtische Anteile am Flughafen nutzen, um Druck zu machen
Die Klimarelevanz des Flugverkehrs ist unbestritten hoch.[16] Die Einflussmöglichkeiten für die Kommune sind recht gering, jedoch besitzt die Stadt Stuttgart einen Anteil von 35 Prozent am Stuttgarter Flughafen und kann über den Aufsichtsrat Einfluss auf die Ausrichtung der Flughafengesellschaft nehmen.
Schiffsverkehr – Einflussmöglichkeiten über die städtische Hafengesellschaft
Beim Schiffsverkehr ist die Klimarelevanz für Stuttgart vergleichsweise gering. Im Stadtgebiet beschränkt sich dieser Verkehrsträger auf den Neckar. Hier sind die Einflussmöglichkeiten der Kommune gering, über die städtische Hafengesellschaft kann hier jedoch auch Einfluss genommen werden, um entsprechende Klimavorgaben auf den Weg zu bringen.
Schienenverkehr: Stuttgart 21 ist Klimaskandal und Bremsklotz der Verkehrswende
Der CO2-Ausstoß für das Projekt Stuttgart 21 liegt unter Berücksichtigung von Baumaterialherstellung, Arbeitsvorgängen, Unterhalt und Betrieb, Zugfahrten in den Tunnels und nicht verlagerbarem Autoverkehr bei 5,6 Millionen Tonnen.[17] Dass dieses Projekt im Widerspruch zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens steht, liegt auf der Hand. Zudem wird das Projekt Stuttgart 21 aufgrund der Tatsache, dass es ein Rückbau von Schieneninfrastruktur ist, welcher zum Bremsklotz bei der notwendigen Verkehrswende wird und somit den Klimaschutzzielen der Stadt Stuttgart massiv im Weg stehen wird. Unsere Bemühungen, das Projekt Stuttgart 21 zu stoppen waren bislang mangels Mehrheiten im Gemeinderat nicht erfolgreich – hier hat die Kommune, durch die Tatsache, dass sie Projektpartnerin ist Einflussmöglichkeiten, die katastrophale Klimabilanz des unwirtschaftlichen Milliardengrabs zumindest ein bisschen zu retten.
Logistik:
Der Warentransport geschieht heute überwiegend mittels LKW. Neben einer Stärkung schienengebundener Logistik muss es in einer Stadt wie Stuttgart darum gehen, vor allem die Verteilung der Güter auf der letzten Meile grundlegend neu zu organisieren. Mit der Einrichtung von anbieterübergreifenden Mikro-Depots auf dem gesamten Stadtgebiet werden die Voraussetzungen geschaffen, dass von diesen Depots aus die Waren zu ihrem Bestimmungsort transportiert werden – mittels Lastenrädern. Auch Paketdienste und Lieferdienste können einen großen Teil ihrer Arbeit mittels Lastenfahrrädern verrichten und sich die Depots zunutze machen.
Anträge dazu:
- Errichtung eines anbieterübergreifenden Mikro-Depots in der City (Nr. 257/2019)
- Eine lebenswerte Stadt für alle! (Nr. 205/2017)
- Wohnen und Bauwirtschaft
Klimarelevanz: „Durch die umfassende energetische Sanierung eines Gebäudes kann der Primärenergiebedarf um bis zu 90 Prozent gesenkt werden“[18]. „Der größte Energiefresser in privaten Haushalten ist die Heizung; rund 70 Prozent des Endenergieverbrauchs im Bereich Wohnen verbraucht das Heizen. Der Anteil des CO2-Ausstoßes für Heizen am Gesamtausstoß im Bereich Wohnen liegt bei knapp 60 Prozent“[19]
Kommunale Steuerbarkeit: Bei städtischen Gebäuden sehr hoch, bei privaten Gebäuden nur indirekter Hebel über Anreizprogramme oder auf Basis neuer gesetzlicher Grundlagen.
Zentrale Akteure: Amt für Liegenschaften und Wohnen der Stadt, Stuttgarter Städte- und Wohnungsbaugesellschaft (SWSG)
Ziele:
- Im Bestand: klimaneutrale Gebäude und Quartiere
- Neubau: Plusenergie
- Alle Photovoltaik (PV) und Solarthermie Potentiale im Stadtgebiet heben
- Flächenverbrauch auf null reduzieren
- Ausschließlich Innenverdichtung
- Erhalt von Gebäuden statt Abriss-Neubau
- Einsatz von 100 Prozent Recyclingbeton bis 2030
Soziale und ökologische Auswirkungen: Neben großen Energieeinsparpotenzialen besteht die Möglichkeit, die tatsächlichen Kosten für Energie für alle Haushalte deutlich zu senken.
Verbesserungen der Lebensqualität der Bevölkerung: Sinkende Energiekosten für alle schafft Raum vor allem für die Haushalte, die heute schon die Hälfte oder mehr ihres monatlich verfügbaren Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgeben müssen. Im Rahmen von energetischen Sanierungen können so die Kosten für die Warmmiete zumindest perspektivisch gesenkt werden. Je mehr Wohnungen die Stadt in ihrem Besitz hat, desto mehr Kontrolle hat sie über die Höhe der Miete.
Im Sektor Wohnen und Bauwirtschaft müssen – wie im Verkehr auch – erhebliche Beiträge geleistet werden, hier hat die Kommune im Bereich Neubau viele Handlungsmöglichkeiten – im Bestand gibt es dagegen fast nur über Anreizprogramme die Möglichkeit, das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Um bis 2030 klimaneutral zu sein, müssen vor allem Gebäude, Liegenschaften und Quartiere einen erheblichen Beitrag bei der Einsparung des CO2-Ausstoßes leisten.
Die größten Einsparpotenziale bei Gebäuden, sind im Bestand zu finden. Deshalb muss die Stadt zunächst bei ihren eigenen Liegenschaften beginnen, diese klimaneutral umzurüsten und ggf. zu sanieren. Denkmalschutz, alte Bausubstanz und topographische Gegebenheiten sind hierbei zu beachten, weshalb keine pauschale Lösung für eine Umsetzung des Ziels der Klimaneutralität im Bestand aufgezeigt werden kann. Auch Quartierslösungen (Nahwärmenetze, Fernwärme) können dazu beitragen, dass das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden kann.
Im Bestand der privaten Gebäude entscheidet sich, ob die urbane Energiewende gelingen kann. Die Stadt muss über Energieberatung und Anreizsysteme dafür sorgen, dass möglichst alle Bestandsgebäude energetisch saniert bzw. klimaneutral werden. Bei Mietshäusern soll die Stadt darauf hinwirken, dass die Sanierungen warmmietenneutral umgesetzt werden.
Im Neubau soll die Stadt sich verpflichten, nur noch nach dem Plusenergie-Standard zu bauen und nicht nur auf Leuchtturmprojekte zu setzen. Zudem sollen alle Photovoltaik Potenziale bis zum Jahr 2030 genutzt werden.
In Summe muss bei den Gebäuden der Endenergieverbrauch deutlich sinken und die Effektivität des Energieeinsatzes deutlich erhöht werden.
Wohnungen: am besten in städtischem Besitz
Die Steuerungsmöglichkeiten bei städtischen Liegenschaften sind erheblich – nicht nur aus diesem Grund macht es Sinn, dass die Stadt weder Gebäude noch Boden verkauft. Je mehr Gebäude in städtischer Hand sind, desto planbarer kann die Klimaneutralität bei den Stuttgarter Liegenschaften umgesetzt werden.
Recyclingbeton: einsatzbereit und klimaschonend
Die Zementherstellung gilt als einer der größten Emittenten von klimaschädlichem CO2. Allein die deutsche Zementindustrie verursachte im Jahr 2015 etwa 2,3 Prozent der anthropogenen CO2-Emissionen in Deutschland.[20]
In Verbindung mit Sand wird daraus Beton hergestellt – einer der wichtigsten Baustoffe für Gebäude. Die Möglichkeit, bestehenden Beton wieder zu verwerten wurde schon vor vielen Jahren erforscht und ist jetzt für den Praxiseinsatz bereit. Angelika Mettke von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus forscht seit vielen Jahren im Arbeitsgebiet Bauliches Recycling und bereitete mit ihren Forschungen den Weg dafür, dass Beton wiederverwendet werden kann. Mittlerweile wird vom Umweltbundesamt davon ausgegangen, dass bis zum Jahr 2030 ausschließlich Recyclingbeton verwendet werden kann.[21] Der Kanton Zürich hat sich diese Erkenntnisse zu Nutze gemacht. So wurden etwa beim Abriss einer städtischen Wohnsiedlung 91 Prozent des Materials wiederverwendet,[22] bei Neubauten werden bereits heute Dreiviertel des Betons aus Recyclingmaterial hergestellt. Der Kanton konstatiert: „Kies ist endlich, Deponien sind eine Notlösung. Mit der Verwendung von Beton aus Recycling-Granulat werden Kreisläufe geschlossen, wertvolle Ressourcen geschont und Landschaft erhalten.“[23]
Im Raum Stuttgart gibt es bereits vier Hersteller, die Recyclingbeton produzieren können.[24] Es wird höchste Zeit, dass die Stadt nicht nur 30 Prozent Recyclingbeton bei (städtischen) Neubauten einsetzt, sondern dies sukzessive deutlich steigert, z.B. über entsprechende Vorgaben in Ausschreibungen. Damit werden regionale Wirtschaftskreisläufe geschaffen, sowie Ressourcen und Umwelt geschont.
Unsere Anträge dazu:
- Neubau städtischer Liegenschaften: Ab sofort klimaneutral und Plus-Energie-Standard (Nr. 301/2019);
- Kommunale Ressourcenstrategie (Nr. 672/2017)
- Klimafolgekosten berücksichtigen: Eine Tonne CO2 kostet nicht 50 Euro, sondern 180 Euro (Nr. 302/2019);
- Stadtwerke werden Generaldienstleisterin für Anlagen- und Energietechnik für alle städtischen Liegenschaften (Nr. 303/2019);
- Städtische Liegenschaften bis 2030 klimaneutral machen (Nr. 304/2019)
- Die SWSG wird bis 2030 klimaneutral (Nr. 310/2019);
- CO2-Bilanzierung: Mehr Stellen, um den Klimavorbehalt umsetzen zu können (Nr. 600/2019) Externes Gutachten zur klimaneutralen Fernwärme (Nr. 603/2019)
- Städtische Liegenschaften bis 2030 klimaneutral machen (Nr. 609/2019)
- Fit für die Zukunft: Die SWSG wird bis 2030 klimaneutral (Nr. 612/2019)
- Ökologische Stadtwerke (Nr. 616/2009)
- Änderungsantrag zu GRDrs 819/2017 Masterplan 100% Klimaschutz nachjustieren (896/2017)
- Ökologische und innovative Dämmstandards für Gebäudehüllen (Nr. 162/2018)
- Rekommunalisierung der Stuttgarter Fernwärmeversorgung
Ökonomischer und ökologischer Nutzen für die Landeshauptstadt (Nr. 674/2017) - Verdoppelung der Gelder für stadtinternes Contracting (Nr. 581/2009)
- Erneuerbare Energien in Neubaugebieten (Nr. 542/2005)
- Urbane Energiewende (Nr. 66/2015)
- Arbeit, Wirtschaft und Ressourceneffizienz
Klimarelevanz: Durch die starke Präsenz der Automobilwirtschaft in Stuttgart ist eine höhere Klimarelevanz gegeben wie in vielen anderen Regionen. Die Folgen der heutigen massenhaften Automobilproduktion sind in hohem Maße klimaschädlich.
Kommunale Steuerbarkeit: Gering, lediglich über Flächennutzungspläne und Bebauungspläne kann die Stadt direkt klimarelevante Vorgaben machen. Indirekte Faktoren wie klimaneutrale Beschaffung, Anlagerichtlinien für städtische Gelder können dafür sorgen, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Zentrale Akteure: Industrie, Mittelstand, Stadt als Arbeitgeberin
Ziele:
- Klimaneutrale Produktion (Rohstoff – Produktion- Waren – Entsorgung)
- Regionale und lokale Wirtschaftskreisläufe etablieren und beleben
- Ausschließlich klimaneutrale Anlagepolitik für alle Finanzvermögen der Stadt und ihrer Eigenbetriebe
- Förderung von Start-up-Unternehmen – Klimaneutrale Innovationen erforschen und umsetzen
Langfristig bis 2030: Eine klimaneutrale, ressourceneffiziente Wirtschaft
Mittelfristig bis 2025: Deutliche Reduktion von klimaaktiven Gasen, drastische Energieeinsparung in der Wirtschaft
Ab sofort: Kein städtisches Geld in Firmen investieren, die in fossile – und damit klimaschädliche – Geschäfte verwickelt sind. Im kommunalen Baurecht konsequent Klimavorgaben für Wirtschaftsflächen machen
Soziale und ökologische Auswirkungen: Eine Transformation weg von der massenhaften Automobilproduktion und –entwicklung ist aus Klimaschutzgründen notwendig und unumgänglich. Deshalb ist die einschlägige, im Raum Stuttgart ansässige Industrie aufgefordert, frühzeitig den notwendigen Transformationsprozess aktiv zu gestalten[25] – und dabei drastische soziale Auswirkungen wie den massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen zu vermeiden. Eine gezielte Förderung von Start-up-Unternehmen kann hier ein geeignetes Mittel sein, die Transformation positiv zu gestalten.
Verbesserungen der Lebensqualität der Bevölkerung: Durch Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe entsteht eine Stadt der kurzen Wege, lange Pendlerstrecken fallen weg – und es bleibt mehr Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens.
Im Sektor Arbeit und Wirtschaft müssen gerade in Stuttgart mit der Automobilindustrie erhebliche Beiträge geleistet werden, um den CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Die kommunalen Handlungsspielräume beschränken sich auf einige indirekte Hebel. Beispielsweise kann die Stadt in neu auszuweisenden Flächen (z.B. Flächennutzungspläne, Bebauungspläne) klimarelevante Vorgaben machen. Im Bereich der eigenen kommunalen Finanzen kann die Stadt dafür sorgen, dass kein Geld in klimaschädliche Anlagen investiert wird. Auch bei der Beschaffung von Gütern kann die Stadt auf regionale, ökologische und klimafreundliche Produkte bestehen.
Die Kommune kann im Bestand nur sehr geringen Einfluss auf die Wirtschaft ausüben. Es gibt nur die Möglichkeit, über Anreizprogramme den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen zu reduzieren. Hier ist die Gesetzgeberin in Bund und Land gefragt, verbindliche Vorgaben zu machen – deshalb vertiefen wir dieses Thema an dieser Stelle nicht, sondern schauen auf die Möglichkeiten, die die Kommune in den Bereichen Wirtschaft und Arbeit hat. Die kommunalen Instrumente sind Flächennutzungspläne, Bebauungspläne, städtebauliche Verträge und andere Instrumente – hier kann die Kommune Klimaschutzvorgaben machen; hier kann sie bestimmen, wie die Flächen künftig genutzt werden sollen. Hier braucht es eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Praxis – alles muss zwingend unter Klimavorbehalt gestellt werden, das Ziel der Klimaneutralität darf durch falsche Entscheidungen nicht gefährdet werden.
Beim Thema Finanzen hat die Stadt die Möglichkeit, ihre Vermögenswerte klimaneutral anzulegen. Auf unsere Initiative hin wurden die sogenannten Anlagerichtlinien im Jahr 2016 überarbeitet. Mit einem umfangreichen Kriterienkatalog wurden Investitionen in Unternehmen untersagt, die folgende Kriterien erfüllen:
Unternehmen, die
- Rohstoffabbau von Kohle und Öl betreiben,
- deren Geschäftsfeld (auch) die Energieerzeugung mit Kohle und Öl ist.
Neben diesen klimarelevanten Faktoren wurden zusätzlich Kriterien aufgeführt, die Menschenrechte, Militär, Gentechnik, Tierversuche und Unternehmensführung betreffen.
Damit hat die Stadt bereits einen wichtigen Schritt erfüllt, allerdings betreffen diese Anlagerichtlinien bislang nur die langfristigen Finanzgeschäfte der Stadt. Daraus leitet sich eine klare Forderung ab: auch die Festgelder, bzw. alle städtischen Gelder müssen nach diesen Anlagerichtlinien angelegt werden.
Auch die Eigenbetriebe der Stadt sollen so schnell wie möglich ihre Gelder aus klimaschädlichen Unternehmen abziehen und nur noch dort anlegen, wo nicht auf Kosten von Mensch und Natur gewirtschaftet wird.
Dies muss auch für die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und deren Tochter BW-Bank gelten. Die Stadt als Anteilseignerin (knapp 20 Prozent der Bank gehören der Stadt) muss ihren Einfluss auf die Geschäftspolitik der LBBW geltend machen, damit diese aus der Finanzierung von klimaschädlichen Produkten und Aktivitäten aussteigt. Dass solcher Druck wirksam sein kann zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 2012: nach zahlreichen Forderungen gab die LBBW ihre Spekulationsgeschäfte auf Lebensmittel auf[26] – ähnlich muss es mit dem Geschäftsfeld Klimazerstörung geschehen. Auf absehbare Zeit werden die Geschäfte der Klimavernichter zusammenbrechen – wir als FrAKTION sind nicht bereit, die LBBW ein zweites Mal nach der Finanzkrise im Jahr 2008 zu retten. Es muss vorher sichergestellt werden, dass diese Aktivitäten der LBBW eingestellt sind.
Neben dem Finanzbereich hat die Stadt beim Thema Beschaffung Einflussmöglichkeiten, Vorfahrt für klimaschonende bzw. klimaneutrale Produkte zu gewähren. Eine öko-faire Beschaffungs-Strategie scheint derzeit aus rechtlichen Gründen nur teilweise möglich zu sein – in diesem Bereich besteht jedoch Handlungsbedarf, insbesondere bei regionaler und klimaschonender bzw. klimaneutraler Produktion von Gütern, die von der Stadt angekauft werden.
Anträge dazu:
- DIVEST NOW! Dekarbonisierung städtischer Finanzanlagen – Städtische Anlagerichtlinien anpassen (Nr. 133/2016)
- Vergaberichtlinien analog zu Anlagerichtlinien anpassen (Nr. 206/2017)
- Eiermann-Campus als Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) nutzen – Leerstand zur Lösung der Wohnraumproblematik notfalls beschlagnahmen (Nr. 296/2015)
- Freizeit und Konsum
Klimarelevanz: schwer messbar
Kommunale Steuerbarkeit: gering
Der städtische Handlungsspielraum in den Bereichen Freizeit und Konsum ist gering. Allerdings kann die Stadt mit den Mitteln der Stadtplanung dafür sorgen, dass Konsumtempel wie das Milaneo oder das Gerber in Zukunft nicht mehr gebaut werden.
Die Förderung von regionalen Geschäften, städtische Markthallen, in denen
ökologische und regionale Produkte verkauft werden, können mit kommunalen Mitteln gefördert werden. Zudem kann die Stadt klimaverträgliche Freizeitaktivitäten fördern und sollte dies auch tun.
Folgende Ziele sind hier zu verfolgen:
- Stadt der kurzen Wege
- Städtische Förderung für Geschäfte, die ökologische und regionale Produkte herstellen und verkaufen
- Förderung von klimaverträglichen Freizeitaktivitäten
In zeitlicher Hinsicht sind die Ziele umzusetzen:
Langfristig bis 2030: Der Konsum beschränkt sich auf das notwendige – auf ökologische und regionale Produkte wo immer das möglich ist.
Mittelfristig bis 2025: Reduktion des Massenkonsums, die Stuttgarter*innen kaufen bevorzugt regionale und ökologische Produkte
Ab sofort: Förderung von regionalen und ökologischen Produkten.
Antrag dazu:
- Kommerzielles Werbeverbot im öffentlichen Raum und an städtisch beherrschten Einrichtungen (Nr. 665/2019)
- Naturschutz, Biodiversität / Landwirtschaft und Ernährung
Klimarelevanz: hoch
Kommunale Steuerbarkeit: recht gering
Zentrale Akteure: Amt für Umweltschutz, Landwirtschaft
Ziele:
- Konsequentes Verbot von Giftstoffen wie Glyphosat oder Insektiziden, auch bei der SSB
- Naturnahe Waldstrategie: Waldnutzung ohne wirtschaftliche Interessen
- Die Stadt Stuttgart bietet Essen in städtischen Einrichtungen nur noch regional, saisonal, bio und als vegane Option
In zeitlicher Hinsicht sind die Ziele umzusetzen:
Langfristig bis 2030: Klimaneutrale, ökologische Landwirtschaft. Gesundes, regionales biologisches Essen, Lebensmittelverschwendung im Vergleich zu 2020 um 80 Prozent reduzieren.
Mittelfristig bis 2025: Verbot aller giftigen Pflanzenschutzmittel auf städtischen Flächen, hoher Bioanteil im Essen für Kitas, Schulen, am Klinikum und in Kantinen. Kompletter Glyphosatverzicht bei der SSB. Lebensmittelverschwendung halbieren
Ab sofort: Vegetarisches und veganes Essen in Kantinen, Schulen, am Klinikum und Kitas anbieten.
Der konsequente Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen muss in diesem Gebiet das oberste Gebot sein. Die Einflussmöglichkeiten der Kommune sind in dem Bereich recht gering. Für städtische Flächen, die verpachtet oder selbst bewirtschaftet sind, kann die Stadt Vorgaben machen, wie es beispielsweise beim Unkrautvernichter Glyphosat im Jahr 2018 geschehen ist. Auf unsere Initiative, bereits im Jahr 2016 beantragt, wurde ein umfassendes Glyphosatverbot auf städtischen Flächen bis zum Jahr 2022 beschlossen.
Es bleiben trotz dieses Erfolgs beim Glyphosat noch Herausforderungen: Andere, nachweislich umweltschädliche Unkrautvernichter, Insektengifte bleiben weiterhin erlaubt, vor allem auf privatem Grund und Boden kann die Stadt bislang keine Vorgaben machen. Die Entgiftung der Böden bleibt vordringliche Aufgabe und kann auch vor dem Schienenverkehr nicht Halt machen: Der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB), Andreas Matthä sagte im Dezember 2017: „Wir werden möglichst schnell und deutlich vor Ablauf der EU-Frist von fünf Jahren aus Glyphosat aussteigen”.[27] Vor diesem Hintergrund muss die Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) auch eine Ausstiegsstrategie aus dem gefährlichen Umweltgift vorlegen.
Beim Thema Essen hat die Stadt zumindest in ihren eigenen Kantinen die Möglichkeit, klimafreundliches Essen anzubieten. In Absprache mit dem Gesamtpersonalrat (GPR) kann die Gestaltung der Zutaten für das Mittagessen auf regionale und saisonale Biolebensmittel umgestellt werden. Zudem sollen verstärkt vegetarische und vegane Gerichte angeboten werden und Fleischgerichte preislich im Vergleich zu fleischlosen Alternativen verteuert werden.
An Schulen und KITAs kann die Stadt ebenfalls regionales, saisonales, biologisches, vegetarisches und veganes Essen anbieten – die Anfänge sind gemacht, was fehlt ist eine Strategie, den Anteil an klimaverträglichen Zutaten deutlich zu erhöhen.
Die Stadt könnte bei allen öffentlichen Anlässen ausschließlich vegetarisches bzw. veganes Essen anbieten, wie dies beispielsweise das Bundesumweltministerium bereits seit Jahren praktiziert.[28] Einen Schritt weiter geht Portugal. Hier sind alle öffentlichen Institutionen gesetzlich verpflichtet, veganes Essen anzubieten.[29]
Die Eindämmung der Lebensmittelverschwendung muss auch auf kommunaler Ebene eine wichtige Rolle spielen. In Deutschland werden jedes Jahr fast zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet.[30]Dies ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern auch ein ökologisches. Im Rahmen einer Vereinbarung mit den Vereinten Nationen (UNO), hat sich die Bundesregierung verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 zu halbieren.[31] Hier muss auch auf kommunaler Ebene agiert werden, beispielsweise indem Foodsharing-Initiativen finanziell unterstützt werden sollen. Die bisherigen Bemühungen reichen bei weitem nicht aus, um das Ziel der Halbierung der Lebensmittelverschwendung erreichen zu können – ohne gesetzgeberische Maßnahmen wie etwa in Frankreich[32] wird das nicht erreichbar sein.
Rund 50 Prozent der Fläche Stuttgarts bestehen aus Wald. In den vergangen Jahren rechnete die Stadt immer mit einem sechsstelligen Betrag, der aus dem Fällen von Bäumen und deren Verwertung generiert wurde. Ziel muss es aber sein, den Wald als natürlichen Lebensraum zu erhalten und sich auf pflegerische und verkehrssichernde Maßnahmen zu beschränken und den Wald als Erholungseinrichtung für die Bevölkerung zugänglich zu machen.
Anträge dazu:
- Kein Einsatz glyphosathaltiger Herbizide (Nr. 27/2016)
- Stuttgart auf dem Weg zur glyphosatfreien Stadt Änderungsantrag zu GRDrs 212/2018 (116/2018)
- Veganes Essen in den städtischen Kantinen anbieten (Nr. 306/2019)
- Gesundes Essen an Schulen und KITAS (Nr. 588/2017)
- Die nachhaltige Stadt bekämpft Lebensmittelverschwendung (Nr. 786/2019)
- Stuttgart auf dem Weg zur nachhaltigen Pflege des Waldes (Nr. 136/2018)
- Stadtwald – Pflegerische Waldstrategie (Nr. 640/2019)
- Energiewirtschaft und Wärmeversorgung
Klimarelevanz: Sehr hoch, da die Energie- und Wärmeversorgung ein hohes Einsparpotenzial bietet und zudem in der Erzeugung auf 100 Prozent erneuerbar umgestellt werden muss.
Kommunale Steuerbarkeit: Mit den Stadtwerken hat die Stadt prinzipiell ein Instrument, in vielen Bereichen selbst aktiv einzugreifen – mit dem sukzessiven Gewinn der Kontrolle über die Versorgungsnetze steigen die Einflussmöglichkeiten.
Zentrale Akteure: Stadtwerke Stuttgart, Energie Baden-Württemberg (EnBW).
Ziele:
- Strom und Wärme werden zu 100 Prozent aus regenerativen Energien hergestellt
- Sozialtarife für Strom und Wärmeversorgung für einkommensschwache Haushalte und keine Verhängung von Stromsperren.
In zeitlicher Hinsicht sind die Ziele umzusetzen:
- Langfristig bis 2030: Klimaneutrale Energie- und Wärmeerzeugung zu 100 Prozent.
- Mittelfristig bis 2025: 70 Prozent der in Stuttgart verbrauchten Energie werden regenerativ hergestellt
- Ab sofort: massiver Ausbau von Solarenergie, Kraft-Wärme-Kopplung und Erdwärme.
Soziale und ökologische Auswirkungen: Kommunal erzeugter Strom kann zu sozialverträglichen Preisen den Nutzer*innen zur Verfügung gestellt werden. Die Stadtwerke haben die Möglichkeiten, Energiesozialtarife anzubieten und auf Strom- Wasser und ggf. Gassperren gänzlich zu verzichten.
Zentrale Voraussetzung für saubere Energieerzeugung sind handlungsfähige Stadtwerke. Mit der Auflösung der Technischen Werke Stuttgart (TWS) im Jahr 1996 hat Stuttgart einen schwerwiegenden Fehler gemacht, der bislang nur halbherzig korrigiert wurde. Die dauerhaften Streitigkeiten zwischen den Stadtwerken Stuttgart und dem Energiekonzern Energie Baden-Württemberg (EnBW) tragen nicht dazu bei, dass Stuttgart bei der Energiewende dringend notwendige Fortschritte macht.
Bereits im Oktober 2009 haben wir einen Masterplan gefordert, wie die im Jahr 2011 gegründeten Stadtwerke Stuttgart auf regenerative Energien umgestellt werden können. Bereits damals haben wir Kernenergie und fossile Energieträger als Auslaufmodell bezeichnet. Schon damals haben wir uns dafür eingesetzt, dass das solare Potenzial auf städtischen Gebäuden genutzt werden muss, um möglichst rasch auf regenerative Energien umzustellen. Zudem haben wir Kraft-Wärme-Kopplung, Erdwärme und Biogasanlagen gefordert. Zudem müssen Bürger*innen in die Lage versetzt werden, selbst Strom zu produzieren. Auch der Aufbau eines Nahwärmenetzes war eine zentrale Forderung. Ein Finanzrahmen von jährlich 100 Mio. Euro für die Förderung privater Energieerzeuger regenerativer Energie und zusätzlich 100 Mio. Euro pro Jahr für die Förderung städtischer Energieerzeuger regenerativer Energie hielten wir damals für notwendig. In diesem Bereich ist bislang so gut wie nichts passiert – umso notwendiger ist es, dass jetzt damit begonnen wird.
Strom und Wärmeversorgung gehören zu den Grundbedürfnissen aller Menschen. Deshalb müssen diese für alle bezahlbar sein und bleiben. Energiesperren müssen deshalb abgeschafft werden und dafür gesorgt werden, dass alle Menschen dauerhaft ein Grundangebot von Strom und Wärmeversorgung zu leistbaren Preisen haben. Nur wenn die Energiewende sozial gestaltet wird, wird sie von der breiten Bevölkerung auch angenommen werden.
Unsere Anträge hierzu
- Ökologische Stadtwerke (Nr. 616/2009)
- Leitantrag: Stuttgart – Stadt der ökologischen Nachhaltigkeit (Nr. 813/2013)
Energieerzeugung
Der größte CO2-Emmitent ist der Sektor Energieerzeugung. Hier muss das Ziel sein, alle Potenziale auszuschöpfen. Stuttgart hat hier noch einen erheblichen Nachholbedarf. Beschämend sind insbesondere die Potenziale beim Thema Solarenergie und Erdwärmesonden, hier wurde nur ein Prozent des Potenzials gehoben – hier muss sich dringend etwas ändern – Ziel muss eine möglichst dezentrale Produktion von erneuerbaren Energien sein.
Erneuerbare Energien Potenziale in Stuttgart
- Klimaanpassung: genauso wichtig wie Klimaschutz
Neben den Handlungsfeldern, in denen Stuttgart im nächsten Jahrzehnt seinen CO2-Ausstoß auf null reduzieren muss, gilt es durch bereits von Menschen verursachte Veränderungen des Klimas, die es notwendig machen, Maßnahmen zu ergreifen, um sich an die sich ändernden Umstände anzupassen.
Global betrachtet ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1861 bereits um 1,5 Grad gestiegen[33]. Schaut man auf Stuttgart, so wird deutlich, dass hier die Veränderungen bereits heute weitaus dramatischer sind. Allein in den letzten 30 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur in der Landeshauptstadt um zwei Grad[34]. Deshalb sind unverzüglich umfangreiche Maßnahmen zur Klimaanpassung umzusetzen:
- Alle Begrünungs-Potentiale Dächer, Fassaden, Balkone, Höfe und Straßen ausschöpfen
- Wasser in der Stadt: Bachläufe an die Oberfläche holen, Trinkbrunnen und Wasserspiele installieren.
- Baumprogramm: Mehr Bäume in der Stadt
- Hochwasserschutz und Überflutungsgefahr: Vorkehrungen treffen, Überflutungsbecken schaffen, Flächen entsiegeln.
- Maßnahmen gegen Wasserknappheit / Wasserversorgung
- Hitzeschutz, Sonnenschutz
Das Klima in Stuttgart hat sich in den letzten Jahren bereits merklich geändert. Für die Zukunft ist vermehrt mit Hitzewellen, Starkregenereignissen und Unwettern zu rechnen.
Anträge dazu:
- Nachtragshaushalt 2009: Vorwärts zu solaren Stadtwerken (Nr. 119/2009)
- Solardachprogramm für städtische Liegenschaften zum Laufen bringen! (Nr. 118/2019)
- Solardachprogramm für städtische Liegenschaften (Nr. 677/2017)
- Baumschutzsatzung auf gesamtes Stadtgebiet ausweiten (Nr. 626/2019)
- Trinkbrunnennetz in allen Stadtbezirken (Nr. 628/2019)
- Wanderbaumallee weiter ermöglichen (Nr. 646/2019)
- Aufsuchende Grünberatung – 6 Stellen für mehr Begrünung in der Stadt ( 597/2019)
- Aufbau eines Solarkatasters (577/2009)
- Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes (301/2007)
- Überflutungsgefahren der Innenstadt und des Tiefbahnhofs durch S 21 (Nr. 262/2018)
Klimaschutz und Klimaanpassung sind untrennbar miteinander verbunden. Für alles städtische Handeln müssen folgende Prämissen gelten:
- Stadt muss beispielhaft vorangehen, um zu zeigen, dass diese Transformation umsetzbar ist.
- Stadt muss umfassende Transformation für alle ermöglichen und sozial gestalten.
- Für beides muss sich die Stadt konzeptionell, organisatorisch und finanziell neu aufstellen.
- Handlungsfähige Kommune:
Organisation, Steuerung und Konzepte umstellen
Die skizzierten Herausforderungen die Klimakatastrophe aufzuhalten, sind nicht ohne grundlegende Änderungen in den Verwaltungsstrukturen der Stadt zu schaffen.
Konzeptionell, Organisatorisch, finanzielle und personell neu aufstellen
- Konzeptionell: Vision und Stadtentwicklungskonzept klimaneutrales Stuttgart
- Konzeptionell: Energieleitplanung / Wärmeleitplanung (Planungsinstrumente)
- Organisation: Klimareferat, personelle Ressourcen, finanzielle Ressourcen.
- Steuerungsinstrument: Klimavorbehalt umsetzen; CO2– Budgetierung jeder Maßnahme, CO2-Haushalt.
Zu diesen Herausforderungen haben wir viele Anträge gestellt, beispielhaft genannt seien die folgenden:
- Stuttgart braucht ein Klimareferat (Nr. 305/2019)
- Stadtentwicklungskonzept klimaneutrales Stuttgart (Nr. 608/2019)
- Unbefristete Stellen für den Klimaschutz – alle Stellen aus GRDrs 975/2019 in den Stellenplan übernehmen (Nr. 604/2019)
Fazit und Vision:
„Die Beweisaufnahme im Indizienprozess ist abgeschlossen. Der Täter ist überführt – der Mensch verändert das globale Klima. Jetzt können wir noch das Strafmaß – das Ausmaß an Schäden beeinflussen.“ So beschreibt der ehemalige Leiter des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, die Ausgangslage und die Notwendigkeit, jetzt endlich aktiv und wirksam für Klimaschutz einzutreten.
Dass dies eine Aufgabe großen Umfangs ist, beschreibt Prof. Dr. Hermann Held, Leiter der Forschungsstelle ‘Nachhaltige Umweltentwicklung’ von der Universität Hamburg:
„Substantielle Emissions-Reduktionen erfordern großskalige Änderungen der Investitionsströme im Energiesektor.“
UN Generalsekretär Antonio Guterres fragte bei der Eröffnung der Madrider Klimakonferenz im Dezember 2019: „Wollen wir wirklich als die Generation erinnert werden, die ihren Kopf in den Sand gesteckt hat?“
Große Veränderungen sind oftmals mit Unsicherheiten verbunden. Ein positives Bild solcher Veränderungen zeichnete unser Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch anlässlich des Haushalts im Jahr 2007: „Ich sehe ein Stuttgart, lebendig, gebettet in einem landschaftlichen Panorama des grünen Kessels, eine berauschende Mixtur aus den unterschiedlichsten Sprachen und Kulturen.
Stuttgart, ein grüner Kessel, ein “Kessel Buntes”, der nicht nur eine vielfältige Kulturlandschaft beherbergt, sondern auch eine städtische Gemeinschaft, die Wohlstand und Teilhabe für alle garantiert. Motto: Egal, ob arm oder reich, ich bin ein Stuttgarter.
Und meine Kinder werden die gleiche Chance haben wie alle Kinder hier. Denn außer Kindern muss in Stuttgart niemand mehr Räuber und Gendarm spielen.
Unsere Schulen und Jugendeinrichtungen sind die Besten im Land, und das nicht nur, weil das Mittagessen umsonst ist, sondern vor allem, weil die Ganztagsschule ganztags pädagogisch betreut.
Auch wenn die Theater und Museen unserer Stadt zu den wertvollsten im Lande gehören; für Kinder und Jugendliche sind sie komplett kostenlos.
Jeder Stuttgarter weiß, dass er sich in seiner Stadt auf die beste medizinische Versorgung, die es gibt, verlassen kann. Dass diese maximale Versorgung auch ordentlich Steuergelder kostet, finden alle O.K., solange sie in städtischer Hand ist und nicht zum Profitmachen dient. Genauso halten es die Stuttgarter auch mit der zurück erworbenen Qualität des Trinkwassers.
Ich sehe eine Stadt, durch die ein frischer Wind weht.
Nicht nur weil Kinder, Fußgänger und Radfahrer sich die Straße zurückerobern und nur noch wenig Kfz-Verkehr herrscht, sondern vor allem dadurch, dass jetzt die EinwohnerInnen die Zukunft Stuttgarts bestimmen. Die Stuttgarter gestalten ihre Stadt, die sie lieben, mit, gerade auch, wenn es um die Aufstellung des Haushaltes geht.
Seit der Einführung einer Citymaut kann man Stuttgarts Luft wieder ohne Bedenken atmen und nachts endlich friedlich ohne permanenten Lärm schlafen.
Die Geschäfte des Alltags liegen direkt vor der Wohnungstür. Zu Kultur, Politik und Arbeit komme ich billig und schnell mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Tags erfreut man sich an den spielenden Kindern auf der Straße und abends kann man dort tolle Feste feiern. Die Stadtautobahnen sind dank großzügiger Stadtreparaturmaßnahmen und ganz ohne Tunnel zu belebenden Boulevards geworden.
Diese zurück gewonnene Qualität der Kernstadt hat dazu geführt, dass in ihr immer mehr Menschen wohnen. Die Stadt achtet darauf, dass für alle angemessener und bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht.
Besonders stolz sind die Stuttgarter aber auf ihre Stadtwerke. Weil sie ihre Energie in einer Kooperation von unzähligen kleinen Bürgerkraftwerken und größeren städtischen Kraftwerken vollständig regenerativ produzieren, und das als erste Großstadt Deutschlands.
Durch ein radikales Energieeinspar- und Effizienzprogramm sind die Stuttgarter
zum internationalen Kompetenzzentrum für Klimaschutz und globaler Gerechtigkeit geworden. Das ist aber nicht nur für Touristen interessant, sondern vor allem hat es den Stuttgartern über Jahrzehnte einen Handwerks- und Mittelstandboom beschert, der in Deutschland einmalig ist. Dass die Stuttgarter viel mehr auf ökologische und regionale Produkte – und das nicht nur in der Landwirtschaft – setzen, hat sie unabhängiger gemacht vom Weltmarkt und seinem ewigen Wettkampf. So haben sie mehr Zeit für Solidarität und Ehrenamt für unsere Stadt.
Hört sich doch gar nicht so schlimm an, unsere Zukunft oder?“
[1]https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Industrie/klimaschutz-abkommen-von-paris.html
[2]Umweltbundesamt 2018: Re-aligning the European Union’s climate policy to the Paris Agreement Short-term implications of the IPCC special report “Global Warming of 1.5°C”
[3]Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Zeit-gerechte Klimapolitik: Vier Initiativen für Fairness, August 2018, S.37
[4]Intergovernmental Panel on Climate Change – wird im deutschen oftmals als Weltklimarat übersetzt
[5]Emissions Gap Report 2019, United Nations Environment Programme; S. 14
[6]https://www.klimareporter.de/erdsystem/klimaneutralitaet-kommt-2050-zwei-jahrzehnte-zu-spaet
[7]Im Masterplan 100 % Klimaschutz setzt sich die Stadt zum Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein zu wollen
[8]https://www.wn.de/Muenster/4064272-Ratsparteien-setzen-sich-mit-Fridays-for-Future-auseinander-Klimaneutral-bis-2030-das-Ziel
[9]https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/tuebingen/Tuebingen-Tuebingen-will-klimaneutral-werden,tuebingen-bis-2030-klimaneutral-100.html
[10]Jeweils im Bezug zum Jahr 1990
[11] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Klimaschutz in Zahlen Fakten, Trends und Impulse deutscher Klimapolitik Ausgabe 2019, S. 6; Das wir diese bundesweite Zahl heranziehen liegt daran, wir trotz aller lokale Anstrengungen sicherlich nicht unter dem Durschnitt liegen denn es ist empirisch bewiesen das wohlhabende Regionen im durschnitt mehr CO2 emittieren als ärmere Regionen.
[12]Im Verkehrssektor sind die Treibhausgasemissionen seit dem Jahr 1990 im Gegensatz zu anderen Sektoren nicht gesunken, vgl.: Umweltbundesamt, Kein Grund zur Lücke – So erreicht Deutschland seine Klimaschutzziele im Verkehrssektor für das Jahr 2030, S. 8
[13]Abschlussbericht der Studie: Mobiles Baden-Württemberg, Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität (Oktober 2017), S. 131
[14] Abschlussbericht der Studie: Mobiles Baden-Württemberg, Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität (Oktober 2017), S. 261
[15] Mobilität in Deutschland: Kurzreport Europäische Metropolregion Stuttgart, Februar 2019; S. 11
[16]Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 2019: Klimaschutz in Zahlen / Fakten, Zahlen Trends und Impulse deutscher Klimapolitik, Ausgabe 2019, S. 54
[17]Karlheinz Rößler 2017: Quantifizierung der Treibhausgasemissionendes Projekts Stuttgart 21; S. 59
[18] Umweltbundesamt Hintergrund: Wärmedämmung – Fragen und Antworten, März 2016, S. 4
[19] Umweltbundesamt Hintergrund: Wärmedämmung – Fragen und Antworten, März 2016, S. 5
[20] Umweltbundesamt Texte 48/2020 Abschlussbericht: Prozesskettenorientierte Ermittlung der Material- und Energieeffizienzpotentiale in der Zementindustrie – UFOPLAN FKZ 3716 36 320 0 – 5/2019, S. 22
[21] Umweltbundesamt Texte 48/2020 Abschlussbericht: Prozesskettenorientierte Ermittlung der Material- und Energieeffizienzpotentiale in der Zementindustrie – UFOPLAN FKZ 3716 36 320 0 – 5/2019, S. 90
[22] https://www.nzz.ch/der_kanton_zuerich_ist_ein_rohstofflager-1.9485619
[23] Stadt Zürich, Amt für Hochbauten: Beton Konkret: Musterwand Recyclingbeton
[24] Weltklima in Not – Stuttgart handelt. Aktionsprogramm Klimaschutz – Verwendung des Klimaschutzfonds, S. 3
[25] Abschlussbericht der Studie: Mobiles Baden-Württemberg, Wege der Transformation zu einer nachhaltigen Mobilität (Oktober 2017), S. 254 und S. 261
[26] https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2012-06/lbbw-lebensmittel-spekulationen
[27]https://www.derstandard.at/story/2000070346074/glyphosat-oebb-plant-moeglichst-raschen-ausstieg
[28]https://www.spiegel.de/politik/deutschland/umweltministerium-serviert-bei-veranstaltungen-nur-noch-vegetarische-kost-a-1135231.html
[29]https://metro.co.uk/2017/03/10/it-is-now-illegal-not-to-offer-vegan-food-at-prisons-hospitals-and-schools-in-portugal-6501872/
[30]https://www.bzfe.de/inhalt/lebensmittelverschwendung-1868.html
[31]https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lebensmittelabfaelle-halbieren-1581854
[32]https://www.deutschlandfunk.de/lebensmittelverschwendung-franzoesische-supermaerkte-sollen.697.de.html?dram:article_id=446472
[33] Umweltbundesamt: Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel Bericht der Interministeriellen Arbeitsgruppe / Anpassungsstrategie der Bundesregierung, S. 7
[34] Prof. Dr. Jürgen Baumüller in: Klima, Stadtklima und Klimawandel in Stuttgart
gestern – heute – morgen; Juni 2019; S.23