Städtische Entscheidungsspielräume für Erhöhung der Mietobergrenzen für 2019/2020 nutzen!

Begründung:

Dem Sozial- und Gesundheitsausschuss des (SGA) wurde am 21.01.2018 die Neufestlegung der Mietobergrenzen 2019/2020 – angemessene Kosten der Unterkunft in der Grundsicherung für Arbeitsuchende und in der Sozialhilfe (GRDrs 8/2019) zur Kenntnis gegeben.

Die Mietobergrenzen (MOG) werden von der Verwaltung nach einem „schlüssigen Konzept“ gemäß Kriterien des Bundessozialgerichts erarbeitet. Der Berechnungsschlüssel wurde allerdings in den letzten Jahren schrittweise zuungunsten der Betroffenen verändert. Bis 2013 orientierten sich die Mietobergrenzen noch am Durchschnitt des Mietspiegels. 2015 wurde dann ein bis dato geltender zehnprozentiger Zuschlag für wohnungslose Menschen gestrichen, womit sich deren extrem schlechte Aussichten auf eine Wohnung noch weiter verringert haben. Ab 2016 wurden nur noch Mieten von Wohnungen mit einfacher Ausstattung als Berechnungsgrundlage der Mietobergrenzen herangezogen. Seitdem fließen nur unterdurchschnittliche Mieten in die Berechnung der Mietobergrenzen ein. Zugleich sind vor allem die Angebotsmieten in den letzten Jahren extrem gestiegen. Damit haben Arbeitslosengeld II- und Sozialhilfe-Empfänger_innen immer schlechtere Chancen, überhaupt eine Wohnung zu finden, bei welcher die Mietobergrenzen nicht überschritten werden. Zugleich werden sie damit in Wohnungen gedrängt, die mitunter noch nicht einmal die Bezeichnung „Wohnung“ verdienen, da es Vermieter_innen gibt, die die Zwangslage der Betroffenen ausnutzen und miserable Unterkünfte vermieten.

Die Höhe der festgelegten Mietobergrenze ist eine wichtige Stellschraube, mit der die Chancen von Wohnungslosen und Grundsicherungsbezieher_innen verbessert oder verschlechtert werden.

So wurden 2017 von der Stadt Stuttgart ca. 150 Haushalte aufgefordert, umzuziehen, da die Miete ihrer Wohnung unangemessen hoch sei. Das Problem besteht aber darin, dass gerade bei Mieterwechseln die Neuvertragsmieten überdurchschnittlich ansteigen. Im Jahr 2018 lag die Steigerung gegenüber 2017 bei elf Prozent, während die Steigerungsrate im Bestand nur bei 1,8 Prozent lag (StZ vom 22.2.2019 „Wer umzieht, zahlt drauf“). Kurz: Der geforderte Umzug in eine kostengünstigere Wohnung wird zum Ding der Unmöglichkeit, angesichts der schlechten Chancen der Betroffenen bei Vermieter_innen.

Die zulässigen Kaltmieten wurden zu Beginn des Jahres 2019 in Abhängigkeit von der im Haushalt lebenden Personenzahl angehoben. Die Steigerung für Ein-Personen-Haushalte war mit acht Prozent am höchsten, sie lag mit 1,1 Prozent am niedrigsten für Haushalte mit fünf und sechs Personen.

Doch auch die neuen Mietobergrenzen werden den realen Verhältnissen auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt nicht gerecht. Die Zahl der günstigen Wohnungen in Stuttgart sinkt, da viele Wohnungen mit einfacher Ausstattung „vom Markt saniert“ werden. Die jetzige Obergrenze ist somit immer noch deutlich zu niedrig. Die in GRDrs 8/2019 festgelegte Erhöhung der Mietobergrenzen trägt der Realität auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt nicht Rechnung. Darauf haben auch die Träger der Wohnungsnotfallhilfe mehrfach hingewiesen und die Verwaltung und den Gemeinderat aufgefordert, die Mietobergrenzen in einer Höhe festzulegen, die die Chancen von Wohnungslosen und Grundsicherungsbeziehern verbessert.

Die zulässigen kommunalen Spielräume zur Festlegung von realitätsnahen höheren Obergrenzen werden weiterhin nicht genutzt, die missliche Situation der Betroffenen wird weiter fortgeschrieben statt sie zu verbessern. Sie muss aber dringend verbessert werden.

In der Stuttgarter Zeitung vom 21.03.2019 wurde im Artikel „500 Euro Miete für eine Abstellkammer“ eindrücklich beschrieben, dass Räumlichkeiten, deren Qualität nicht einmal einfachsten Ansprüchen genügt, von manchem/mancher Vermieter_in bervorzugt an ALG-II- oder Sozialhilfe-Empfänger_innen und Geflüchtete vermietet wird, da die Mietzahlungen von Jobcenter und Sozialämtern pünktlich und zuverlässig eingehen. Eine Überprüfung baurechtlicher Standards, die Angemessenheit von Miethöhe und Leistung oder der Tatbestand von Überbelegungen erfolgt in der Regel nicht.

In Verdachtsfällen müsste jedoch geprüft werden, ob der Straftatbestand der Mietwucher gemäß § 291 StGB vorliegt. Das ist der Fall, wenn die Miete „in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung“ steht. Vermieter nutzen hier bei Vertragsschluss teilweise die „Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche“ von Mieter_innen bewusst aus. Viele der betroffenen Mieter_innen selbst sind nicht in der Lage, sich gegen solche Verhältnisse zur Wehr zu setzen.

 

Deshalb beantragen wir:

  1. Die Verwaltung nutzt alle zulässigen Spielräume, um die Mietobergrenzen über das Niveau, wie in GRDrs 8/2019 dargestellt, anzuheben.
  2. Bei der Ermittlung der Mietobergrenzen werden nicht lediglich Wohnungen einfacher Ausstattung berücksichtigt, sondern auch Wohnungen mittlerer Ausstattung.
  3. Die Stadt verpflichtet sich, Bezieher_innen von Grundsicherung ab sofort nicht mehr dazu aufzufordern, neuen Wohnraum zu suchen und sie auch nicht zu sanktionieren, solange die Mietobergrenzen nicht entsprechend Punkt 2 erhöht werden.
  4. Das Jobcenter und das Sozialamt werden aufgefordert, Hinweisen auf Mietwucher in Kooperation mit dem Baurechtsamt unverzüglich nachzugehen und bei erhärtetem Verdacht systematisch die Angemessenheit der Miethöhe juristisch prüfen zu lassen.