Hannes Rockenbauch: Von 1984 bis 1989 warst du selbst Stadtrat für die Grünen, dann von 1994 bis 2004 erneut. Hast du es erlebt, dass die Konzerne versucht haben Einfluss auf die Politik zu nehmen?
Roland Kugler: Es gab Versuche der Einflussnahme, das ist auch nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Wir haben das auch in Fraktionssitzungen erlebt – wenn wir eine Maßnahme gefordert haben, die für einen großen Teil der Stuttgarter Wirtschaft, etwa die Handwerker, schwer akzeptabel war, dann hat man Anrufe bekommen, dann ist man angesprochen worden. Je größer eine Fraktion ist, desto mehr wird da natürlich versucht, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Man weiß als Politiker, wenn ich etwas tue, was einem mächtigen Teil der Wirtschaft in Baden-Württemberg schadet (die Autoindustrie ist natürlich der wichtigste Wirtschaftszweig im Lande), dann laufe ich Gefahr, eine schlechte Presse zu bekommen. Das ist für einen Politiker nicht gut, wenn er schlechte Presse bekommt, weil er denkt ja auch irgendwann an seine Wiederwahl. Dann kann das auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, man weiß es nicht.
Hannes Rockenbauch: Läuft das eher indirekt?
Roland Kugler: Ich selbst habe keinen Anruf von einer Konzernzentrale bekommen, auch als Anwalt nicht. Da gab es keine Anweisungen. Aber man bekommt es so mittelbar mit. Das verändert einen schon ein bisschen, es hemmt einen zumindest manchmal. Bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat man das gesehen, als er frisch gewählt worden ist. Da hat er in einer Nebenbemerkung gesagt, seiner Meinung nach bräuchte es weniger Autos. Das hat er nur einmal als Ministerpräsident gesagt und dann nie mehr.
Hannes Rockenbauch: Müssen die Grünen jetzt wieder kleiner werden, damit wieder mehr grüne Inhalte umgesetzt werden oder darf SÖS LINKE PluS nie groß werden?
Roland Kugler: Vor der Gemeinderatswahl halte ich mich mit Wahlempfehlungen lieber zurück (lacht)
Hannes Rockenbauch: Je größer man wird, je höher man in der politischen Hierarchie aufsteigt, desto mehr ist man das Ziel von Einflussnahme von außen?
Roland Kugler: Je mehr Einfluss man hat, politische Inhalte umzusetzen, desto mehr Versuche der Einflussnahme kommen – auch aus der Wählerschaft. Bei den Wähler_innen der Grünen ist natürlich nicht jeder ein Ur-Grüner. Manche wählen die Grünen aus einem oder zwei Gründen, sind aber vielleicht auch Autofahrer, arbeiten bei Daimler. Das muss man dann schon mit bedenken. In einer Koalition auf Landesebene wird das nochmal schwieriger. Eine Partei muss trotzdem klar formulieren, was ihre Ziele sind. Im Gemeinderat ist das sicher einfacher, da gibt es keine Regierung.