Urteil zu Fahrverboten – Zeit der Ausreden ist vorbei

Argumentation von Stadt und Land gescheitert

„Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Stuttgart Fahrverbote verhängen darf. Daher fordern wir OB Kuhn auf, unverzüglich entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Es darf nicht auf Kosten der Gesundheit der Stuttgarter weiter auf Zeit gespielt werden, indem man auf eine landeseinheitliche Regelung wartet“, kommentiert Thomas Adler, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS das Urteil. Die Gründe des Scheiterns von Stadt und Land in letzter Instanz sind vielfältig: „Wer vor Gericht allen Ernstes behauptet, die Rechte der Betroffenen eines Diesel-Fahrverbotes stünden höher, als der Schutz der Gesundheit, hängt offensichtlich am Gängelband der Autoindustrie. Mit diesem Argument sind Stadt und Land angetreten – und vollkommen zurecht an die Wand gefahren“, führt Thomas Adler aus. Kommunalrechtliche Aspekte versuchte die Stadt ebenfalls ins Feld zu führen: „Auch das Argument, durch ein Diesel-Fahrverbot würde das Selbstverwaltungsrecht der Stadt unverhältnismäßig eingeschränkt werden, ist lächerlich und absurd. Das sind reine Schutzbehauptungen, hinter denen die Stadt jahrelang ihre Untätigkeit versteckt hat“, ergänzt Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS.

SÖS LINKE PluS hat seit Jahren Rezepte für die Verkehrswende angeboten

 „Wir haben seit Jahren einen massiven Ausbau des ÖPNV gefordert, uns vehement für leistbare Ticketpreise eingesetzt und beantragt, die Infrastruktur für Radfahrende und zu Fußgehende zu verbessern. So gut wie nichts davon ist umgesetzt. Jetzt kommt das dicke Ende, an dessen Schluss Fahrverbote stehen. Das hätte man alles vermeiden können“, betont Rockenbauch und verweist auf Anträge aus dem Jahr 2005, in denen ein Weg skizziert wurde, wie die Grenzwerte auch ohne Fahrverbote einzuhalten gewesen wären.

Auch in jüngster Vergangenheit hat die Fraktionsgemeinschaft Vorschläge gemacht, wie die Kapazitäten im ÖPNV erhöht werden könnten: „Noch im November hat die Stadtverwaltung in den Haushaltsberatungen großspurig getönt, man brauche die zusätzlichen 15 Stadtbahnen nicht, die wir beantragt hatten. Vor Gericht den Anschein zu erwecken, als tue man alles, um die Kapazitäten im ÖPNV zu erhöhen, ist eine Falschaussage“, kritisiert der verkehrs- und umweltpolitische Sprecher von SÖS LINKE PluS, Christoph Ozasek.

Die Autoindustrie ist in der Pflicht

Die Mitverantwortung der Autoindustrie im Zuge der Diesel-Gate-Affäre beschreibt Thomas Alder wie folgt: „Die politisch Verantwortlichen in Stadt, Land und Bund sind der Autoindustrie jahrelang in den Auspuff gekrochen. Mittlerweile sind sie schon im Katalysator angekommen und müssten eigentlich merken, dass der nicht funktioniert.“ Daraus müssten Konsequenzen gezogen werden: „Es muss sich jetzt etwas Grundlegendes ändern – nicht die Verbraucher_innen und nicht die öffentliche Hand sollen die Zeche zahlen, sondern die Autohersteller, die betrogen haben“, so Adler weiter.

Die Rolle der Gerichte – das Versagen der Politik

„Seit Jahren werden Gerichte in eine politisch-gestalterische Rolle gedrängt, weil die Politik sich davor drückte, die Bürger vor giftigen Abgasen zu schützen“, kommentiert Hannes Rockenbauch die Gerichtsverfahren, die sich bereits über viele Jahre hinziehen.

„Das Urteil sollte der grün geführten Landesregierung, dem grünen Regierungspräsidenten und dem grünen Oberbürgermeister zu denken geben. Deren strategische Partnerschaft mit der Autoindustrie muss enden“, betont Thomas Adler.

Konsequenzen – ab jetzt zählen nur noch Taten

„Was jetzt zählt sind Taten! Die jahrelange vorsätzliche Körperverletzung muss jetzt ein Ende haben – der Gesundheitsschutz kann nicht gegen die Profitinteressen der Autoindustrie abgewogen werden“, betont Rockenbauch. „Die Stadt muss jetzt alles in die Waagschale werfen, um zügig die Kapazitäten im ÖPNV zu erweitern und gleichzeitig die Ticketpreise senken“, fordert Adler.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müsse jetzt zum Anlass genommen werden, die Verkehrswende umfassend anzugehen: „Gesundheitsschutz bedeutet nicht nur das zuverlässige Einhalten von Grenzwerten – auch beim Thema Lärm muss etwas passieren“, fordert Hannes Rockenbauch und verweist auf Studien zu Tempo 30, welches den Lärm reduziert und die Verkehrssicherheit erheblich erhöht. „Neben einem aktualisierten Luftreinhalteplan braucht es jetzt einen Maßnahmenkatalog mit Zeitstufenliste, damit jeder weiß, was in den kommenden Monaten auf ihn zukommt“, betont Rockenbauch.

„Das muss jetzt der Weckruf aus dem politischen Tiefschlaf für Stadt und Land sein. Die Schwarzer-Peter-Strategie ist krachend gescheitert, ab jetzt zählen Taten. Jeder Tag der vergeht, an dem die Grenzwerte nicht eingehalten werden, ist einer zu viel“, betont Thomas Adler.

„Jede Privatperson, die sich so verhalten hätte wie Stadt und Land in Sachen Luftschadstoffe, wäre schon längst im Gefängnis gelandet. Es kann nicht sein, dass politisch Verantwortliche jahrelang ihrer Verantwortung nicht nachkommen und trotzdem straffrei bleiben“, sind sich die beiden Fraktionsvorsitzenden einig.