Pressemitteilung: Luftreinhaltung statt Luftnummer

Die Messungen des Umweltbundesamtes bestätigen die Ergebnisse der Deutschen Umwelthilfe: Euro-6-Diesel-Pkw stoßen 507 Mikrogramm Stickoxid pro gefahrenem Kilometer aus, erlaubt sind 80. Auch bei Euro-5-Fahrzeugen muss man von 906 anstelle der erlaubten 180 Mikrogramm ausgehen. Euro-4-Gefährte liegen mit 674 rund 170 Prozent über den erlaubten 250 Mikrogramm. „Das ist nicht nur ein Armutszeugnis, sondern jahrelanger, geplanter Betrug“, fasst der verkehrspolitische Sprecher der Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS, Christoph Ozasek, zusammen.

Der Abgasbetrug bei Dieselmotoren hat auch Auswirkungen auf den Luftreinhalteplan für Stuttgart. Grundlage für die Annahmen des Gutachtens ist das Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA). Auf Grundlage der Ergebnisse des Umweltbundesamts wurde das Berechnungsmodell geändert. „Wir gehen davon aus, dass elf Tage vor der Präsentation des Konzepts zum Luftreinhalteplan die zentralen Annahmen nicht mehr geändert und die Schlussfolgerungen angepasst wurden“. Deshalb sei klar, dass der Luftreinhalteplan schon vor seinem Inkrafttreten in seiner Aussagekraft fragwürdig sei, schlussfolgert Ozasek. „In das Wirkungsgutachten müssen jetzt dringend die aktualisierten Emissionsfaktoren einfließen“, sagt Ozasek.

Generelle Kritik am Wirkungsgutachten

Das im Februar vorgestellte Wirkungsgutachten zum Luftreinhalteplan sieht die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS als eine blumige Umschreibung und keinesfalls als Wegweiser zur Einhaltung der Grenzwerte. „Beim Lesen kamen mir mehr Fragen als dass ich Antworten erhalten hätte“, sagt Christoph Ozasek. Nach Rückfragen an das Landesverkehrsministerium sei die Lage nicht viel besser geworden. „Im Gutachten stehen Maßnahmen, die gar nicht umsetzbar sind: Eine Citymaut hält das Verkehrsministerium nicht für realisierbar, aber für ein Szenario im Gutachten wurde diese dennoch berechnet. Das ist irreführend und absurd“, kritisiert Ozasek.

Ähnlich verhalte es sich mit dem Park & Ride Stellplätzen. „Im Gutachten wird von zahlreichen neuen Standorten im Stadtgebiet ausgegangen, wo und wie diese entstehen sollen bleibt aber völlig offen“, erläutert der verkehrspolitische Sprecher der Fraktionsgemeinschaft. „Insgesamt ist das Gutachten eine Luftnummer, nicht nur wegen der Blaue Plakette, die auf absehbare Zeit nicht kommen wird, sondern vor allem weil es zentrale Grundsätze der Wissenschaft außer Acht lässt: viele Annahmen sind nicht nachvollziehbar und entziehen sich so fundierter Kritik“, fasst Ozasek das Wirkungsgutachten zusammen. „Der schöne Schein soll gewahrt werden, um so ein weiteres Mal den Mantel des Schweigens über die Untätigkeit von Bund, Land und Stadt zu legen“, ergänzt Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender von SÖS LINKE PluS, die Kritik am Plan der Landesregierung.

Erwartungen an den Luftreinhalteplan

„Wir erwarten am 6. Mai 2017, dass im Plan steht, wie die gesetzlichen Grenzwerte für alle Luftschadstoffe bis spätestens 1. Januar 2018 verbindlich und zuverlässig eingehalten werden“, fordert Hannes Rockenbauch. „In den letzten Jahren haben wir zahllose Vorschläge unterbreitet, wie schnelle Erfolge bei der Lufthygiene zu erreichen wären – aufgegriffen wurde nichts davon“, betont Christoph Ozasek.

Alternativer Luftreinhalteplan

„Wir brauchen eine Mischung aus Angeboten und Verboten, anders werden die Grenzwerte vor allem für Stickoxide nicht einzuhalten sein“, skizziert Hannes Rockenbauch die Haltung der Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS. Einerseits müssten sofort wirksame Fahrverbote durchgesetzt werden, wobei nicht erkennbar ist, wie die Landesregierung diese wirksam umsetzen will. Auch darf es keine Rücksichtnahme auf die Autolobby geben, deren Täuschungsmanöver sich mit den Euro-6-Diesel unvermindert fortsetzt. Andererseits müsse das Ziel, die Verkehrsmenge kurzfristig um 20, und mittelfristig um mindestens 50 Prozent, zu reduzieren endlich angegangen werden. Pförtnerampeln, Straßenumwidmungen und Straßenrückbau insbesondere auf dem Cityring seien hier geeignete Instrumente. Auf der Angebotsseite müssten die Kapazitäten, Verbindungen und Taktungen im öffentlichen Personennahverkehr erheblich ausgeweitet werden. Zusätzlich müsse die Citymaut für die SSB, die bei über sieben Millionen Euro pro Jahr liegt endlich ersatzlos gestrichen werden. „Dieses Geld bezahlen die Fahrgäste und die Maut

belastet das Nahverkehrsunternehmen auf eine skandalöse Art und Weise“, kritisiert Hannes Rockenbauch. Zusätzlich müsse die Stadt endlich massiv in die Wege für Fußgänger_innen und Radfahrer_innen investieren; „Hier werden wir die Haushaltskoalitionäre genau im Blick behalten, ob sie alle Verkehrsträger gleichberechtigt mit Geld ausstatten, oder ob es dabei bleibt, dass das Auto das größte Stück vom Kuchen abbekommt während sich der ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger um die Krümel streiten müssen“, kündigt Hannes Rockenbauch an.

Fahrverbote

„Es ist schon bemerkenswert, dass wir mit unser Forderung nach Fahrverboten nicht nur eine Mehrheit in der Bevölkerung haben, sondern auch Rückendeckung von der EU bekommen“, kommentiert Christoph Ozasek die aktuelle Debatte um die bevorstehenden Diesel-Fahrverbote. „Schon vor Jahren haben wir diese Forderung gestellt und sind im besten Fall belächelt worden – heute zeigt sich, dass dies ein richtiger Schritt war. Für die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS steht der Gesundheitsschutz grundsätzlich immer vor den automobilen Interessen“, sagt Fraktionssprecher Hannes Rockenbauch.