Pressemitteilung: Kinderarmut in Stuttgart – über 16 000 Betroffene. Zeit zu handeln!

Die beschämende Realität sieht so aus: In Stuttgart leben rund 16 000 Kinder in Armut oder an der Grenze zur Armut. „Eine wohlhabende Stadt wie Stuttgart darf einen solchen Zustand unter keinen Umständen hinnehmen“, mahnt Laura Halding-Hoppenheit, sozialpolitische Sprecherin von SÖS LINKE PluS an. „Es gibt viele Gründe etwas dagegen zu tun – und die Stadt hat Möglichkeiten“, hebt Halding-Hoppenheit hervor.

Mit Blick auf das Gespräch bei Oberbürgermeister Fritz Kuhn zum Thema Kinderarmut  am 2. Mai 2017 formuliert die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS Forderungen, um die mit Kinderarmut einhergehenden Benachteiligungen zu beseitigen. „Kostenloses, gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen ist ein erster Schritt“, so Halding-Hoppenheit weiter. „Darüber hinaus wollen wir, dass Kinder, Schüler_innen den öffentlichen Personennahverkehr kostenlos nutzen können. Damit bieten wir den Kindern gute Bedingungen für ihre Entfaltung und entlasten alle Familien“, ergänzt Hannes Rockenbauch, Fraktionssprecher von SÖS LINKE PluS.

Armut schmälert den Bildungserfolg und macht krank

Zudem solle sich die Stadt dafür einsetzen, die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem zu beheben, sich für den Ausbau von Ganztages- und Gemeinschaftsschulen einzusetzen und das Fach Ernährung und die praktische Anwendung im Unterricht zu verankern. Der gesundheitliche Aspekt spielt für Kinder aus armen Familienverhältnissen eine besonders wichtige Rolle: „So ist das Risiko für einen nur mittelmäßigen bis sehr schlechten allgemeinen Gesundheitszustand bei Jungen und Mädchen mit niedrigem sozioökonomischen Status um das 3,4 bzw. 3,7-fache höher als bei Kindern mit einem hohen sozioökonomischen Status“, steht im Armuts- und Reichtumsbericht des Landes auf Seite11. „Auch das ist ein zwingender Grund, etwas gegen Kinderarmut zu tun. Wir wollen dass alle Kinder reich an sozialer und  gesellschaftlicher Teilhabe sind und bei der Bildung keine Steine in den Weg gelegt bekommen“, sagt Laura Halding-Hoppenheit.

„Zudem müssen wir mehr Schulsozialarbeiter_innen einstellen“, fordert Halding-Hoppenheit. „Es ist beschämend, dass gerade Flüchtlingskinder und Kinder, die in Armut leben müssen hier nicht ausreichend unterstützt werden“, konstatiert die sozialpolitische Sprecherin. „Mit dieser Sparpolitik erschweren wir den Integrationsprozess unnötig und erschweren die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe für alle Kinder in Stuttgart“, ergänzt Hannes Rockenbauch.

Kinderrechte – bisher ein Papiertiger

Der Erste Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg habe gezeigt, dass es weiterhin erhebliche Defizite bei der Umsetzung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-KRK) gebe. Die Studie zeige auch, dass es eine Wechselwirkung von Bildung und Armut gebe. In dem Bericht heißt es unmissverständlich: Kinderarmut geht vor allem mit Einschränkungen bei der Bildung einher. „Das Bildungs- und Teilhabepaket im SGB II  gewährleistet lediglich ein Bildungsexistenzminimum“, steht auf Seite 9 des Berichts. „Die hohen Hürden zur Kostenübernahme für die Schülerförderung führen faktisch zu einer Einschränkung des Rechts auf freie Schulwahl. Der Teilhabebetrag von nur 10 Euro pro Monat reicht regelmäßig nicht aus, um die Bildungschancen und Talente der Kinder außerhalb der Schule zu fördern und ihre Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.“ (S.9)

Wenn weiter tatenlos zugeschaut werde drohe das Problem noch schlimmer zu werden: „Armut wird – wenn ihr nicht gezielt entgegen gewirkt wird – an die nächste Generation weitergegeben“ heißt es in dem Armuts- und Reichtumsbericht des Landes Baden-Württemberg auf Seite 35.

 Armut führt zu sozialer Ausgrenzung

Trotz Beschäftigungs- und Wirtschaftswachstum nimmt die Kinderarmut in Baden-Württemberg weiter zu. (S. 13). „Damit ist klar, dass der wirtschaftliche Erfolg des Landes nicht allen zu Gute kommt“, hebt Hannes Rockenbauch hervor. „Diese beschämende Entwicklung muss uns dazu veranlassen effektive Maßnahmen zu ergreifen, die soziale und gesellschaftliche Teilhabe aller Kinder sicherzustellen“, fordert Rockenbauch.

Wohnungsnot und Kinderarmut

In dem Bericht wird weiter ausgeführt: „Armut und soziale Ausgrenzung werden im wirtschaftlich prosperierenden Land Baden-Württemberg in besonderer Weise augenscheinlich in der Unterversorgung armer Menschen mit angemessenem und bezahlbarem Wohnraum.“ (S. 13) „Wir fordern seit Jahren, dass sich die Stadt im sozialen Wohnungsbau engagiert – passiert ist nichts. Letztes Jahr ist in Stuttgart keine einzige Sozialwohnung neu gebaut worden – dafür sind hunderte Wohnungen aus der Mietpreisbindung gefallen“, ärgert sich Laura Halding-Hoppenheit über den Kahlschlag beim sozialen Wohnungsbau.

Wende bei Sozial-Wohnungs-Bildungs- und Verkehrspolitik nötig

„Wir sehen ganz klar, dass mit wirtschaftlichem Erfolg die Armut eben nicht beseitigt wird – wie das viele neoliberale Theoretiker immer predigen – das Gegenteil ist der Fall!“, konstatiert Laura Halding-Hoppenheit. „Wenn wir das Problem Kinderarmut an der Wurzel packen wollen, müssen wir eine echte Wende bei der Sozialpolitik, der Bildungspolitik, der Wohnungspolitik und in der Verkehrspolitik vollziehen“, fasst Rockenbauch die Kinderarmut in Stuttgart zusammen. Nicht alles könne die Stadt leisten, „aber ein kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen kann sich die Stadt locker leisten, kostenlose Nutzung von Bus und Bahn für Schüler_innen und Kinder ist ebenfalls finanzierbar“, sagt Rockenbauch und verweist auf die Haushaltsüberschüsse der vergangenen zwei Jahre. „Kostenloser Eintritt in Museen für alle Kinder wäre ein weiterer, wichtiger Schritt für Kinder auch im Bereich der kulturellen Teilhabe voran zu kommen“, führt Rockenbauch aus. Im Jahr 2015 waren es 245 Millionen Euro Überschuss, für das Jahr 2016 wird ähnlich hohen Mehreinnahmen gerechnet.

Vorbild Heilbronn

Heilbronn hat es vorgemacht: Bereits seit dem Jahr 2008 hat die Stadt mit 122 000 Einwohnern die KITA-Gebühren für alle Kinder ab drei Jahren abgeschafft. „Es ist eine Frage der Überzeugung: Auch Stuttgart kann dem Beispiel Heilbronns folgen“, sagt die sozialpolitische Sprecherin. „Mit dieser Maßnahme zeigt die Stadt Heilbronn, dass Kinder- und Familienfreundlichkeit mit praktischen politischen Maßnahmen umsetzbar ist“, lobt Hannes Rockenbauch den Heilbronner Weg.