Die Rosensteintäuschung – Rede von Luigi Pantisano auf der 361. Montagsdemo am 06.03.2017

Rede von Luigi Pantisano, Gemeinderatsfraktion SÖS LINKE PluS, auf der 361. Montagsdemo am 6.3.2017

Die Rosensteintäuschung

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Bürgerinnen und Bürger,

jede Woche muss ich mir die gleichen Phrasen von OB Kuhn, Baubürgermeister Pätzold und Finanzbürgermeister Föll im Gemeinderat anhören. Egal, ob wir über den Mangel an bezahlbaren Wohnungen diskutieren oder gerade der Feinstaubalarm am Neckartor wieder ein Thema ist, oder – wie vor zwei Wochen – uns die Ergebnisse der sogenannten „Bürgerbeteiligung Rosenstein“ berichtet werden, diese Herrschaften erzählen mir und meinen Fraktionskollegen immer dieselbe Leier: „Wenn Stuttgart 21 fertig gebaut ist, dann wird alles besser. Dann steigen alle vom Auto in die Bahn um und dann können wir das Gleisvorfeld im Rosensteinpark endlich mit Wohnungen bebauen. Jetzt geben Sie Ihren Widerstand gegen S21 doch endlich auf und erkennen sie die Volksabstimmung an.“

Herr Kuhn, Herr Pätzold und Herr Föll: Nein, wir geben unseren Widerstand gegen Stuttgart 21 nicht auf. Nein, diesen Betrug, den Sie Volksabstimmung nennen, erkennen wir nicht mehr an. UND noch was, Herr Kuhn, Herr Pätzold und Herr Föll: Wir haben jetzt lange genug zuschauen müssen, wie sie unsere Stadt zugrunde richten. Wir werden es nicht hinnehmen, dass Sie unseren Park weiter zerstören. Unseren städtischen Boden weiter verkaufen. Unsere Häuser ohne Grund abreißen und unsere Luft mit immer mehr Autos verpesten lassen. Unsere Zukunft beginnt heute, und wir wollen schon heute ökologische und soziale Lösungen für diese wichtigen Herausforderungen in unserer Stadt Stuttgart.

Liebe Freundinnen und Freunde, habt Ihr an der Rosensteinbeteiligung teilgenommen? Ich auch nicht. Unsere Fraktion hat sogar vor einem Jahr ganz offiziell eine Teilnahme an der Beteiligung abgelehnt, weil es sich für uns in Wahrheit um ein Täuschungsmanöver von Seiten des Oberbürgermeisters und mittlerweile glühenden S21-Befürworters Kuhn handelt. Ein Täuschungsmanöver in mehrerer Hinsicht, denn einerseits solltet Ihr und wir eingebunden werden, damit wir den Widerstand gegen S21 aufgeben. Andererseits wollte OB Kuhn in dieser Zeit über sein eigenes Versagen in ganz vielen Feldern der Stadtpolitik hinwegtäuschen. Immerhin ist er jetzt schon 4 Jahre Oberbürgermeister unserer Stadt und was sind seine Erfolge außer Gruben, Feinstaub und glücklichen Immobilienhaien?

Trotz unserer grundsätzlichen Kritik an S21 gibt es bei einer Bürgerbeteiligung ein paar wichtige Regeln, die zu beachten sind, und selbst das bekommen sie nicht hin: Erstens müssen die Rahmenbedingungen klar definiert sein. Auf dem Gleisvorfeld im Rosensteinpark ist aber bis heute die Frage ungeklärt, wie viele der Gleise für einen funktionieren Hauptbahnhof erhalten werden müssen. Der Urteilsspruch zur Klage der Stuttgarter Netz AG wird erst im Jahr 2018 erwartet. Zweitens muss bei einer Beteiligung der Zeitplan von der Beteiligung bis zur Realisierung klar definiert sein. Bei Stuttgart 21 glaubt doch selbst der ehemalige Bahnchef Grube nicht mehr, dass jemals Züge durch S21 fahren werden, oder warum glaubt Ihr ist er sonst so fluchtartig mit Kefer aus der Verantwortung abgehauen?! Drittens muss das Ergebnis einer Beteiligung für die Politik verbindlich sein. Und welche Verbindlichkeit kann ein solches Projekt schon haben, wenn wir nicht einmal gefragt werden, ob wir überhaupt eine Bebauung des Gleisvorfelds wollen. Wir sind uns hier doch einig, dass mehrere der heutigen Gleise auch in Zukunft für den Hauptbahnhof und das Umstieg-21-Konzept erhalten werden müssen, und auf den restlichen Flächen des Rosensteinparks können wir für die Menschen in unserer Stadt den Park erweitern und bei den Wagenhallen schon heute Wohnungen bauen. Ohne die Einhaltung der genannten Regeln war und ist jegliche Beteiligung zum Rosensteinquartier die reinste Zeitverschwendung. Zudem die Ergebnisse im „Memorandum Rosenstein“ keine Chance auf eine Realisierung haben.

Warum das so ist, möchte ich euch anhand einiger Beispiele verdeutlichen: „An geeigneten Standorten sind Flächen (…) vorzusehen für neue Wohn- und Sozialformen mit integrativen Kommunikationsstrukturen, Nutzungsflexibilität, Wohnen in der Gruppe, Wohnmodelle für Jugendliche, generationenübergreifendes Wohnen, interkulturelles Wohnen, genossenschaftliche Wohnformen, Wohnen ohne Auto, die durch konkrete (…)“ Entschuldigt bitte, aber mir ist wohl ein Fehler unterlaufen, das war ein Zitat aus den Ergebnissen der „Offenen Bürgerbeteiligung zu Stuttgart 21“ aus dem Jahr 1997 und nicht aus der Bürgerbeteiligung Rosenstein im letzten Jahr.

Unter der Überschrift „Soziales Miteinander“ haben die Beteiligten im Jahr 2017 der Stadt hingegen folgendes ins Memorandum Rosenstein geschrieben: „Für viele Bürgerinnen und Bürger ist der Anteil an sozialem und gefördertem Wohnungsbau (…) ein bedeutsames Kriterium dafür, wie ernst die Stadt das Bedürfnis der Bevölkerung nach bezahlbaren Wohnungen nimmt.“ Liebe Bevölkerung, es sind mittlerweile 20 Jahre vergangen, und was denkt ihr jetzt 20 Jahre später? Nimmt die Stadt Eure Bedürfnisse mittlerweile ernst?

Herr Kuhn, Herr Pätzold, Herr Föll: Wir fordern Sie auf, uns endlich ernst zu nehmen und heute schon für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Verhindern Sie den Abriss der Häuser in der Beethovenstraße in Botnang, stoppen sie das Vorhaben der SWSG, die bezahlbare Wohnungen in der Keltersiedung in Zuffenhausen abreißen will – um teurere Wohnungen zu bauen – und hören Sie endlich damit auf, städtische Grundstücke an Investoren zu verkaufen wie am Vogelsang im Stuttgarter Westen, wo ein Investor die Biomarkhalle nun durch einen Rewe ersetzt und gleichzeitig plant, über 100 unbezahlbare Wohnungen zu bauen.

Alles gute Beispiele, die aufzeigen, dass wir doch nicht das Gleisvorfeld im Rosensteinpark bebauen müssen, um bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart zu schaffen. Auf dem C-Areal könnte ja heute schon gebaut werden, blöd nur, dass die Stuttgart-21-Baustelle eine Bebauung an dieser Stelle verhindert. Also ich bin jetzt ein Jahr Stadtrat im Gemeinderat und ich komme mir schon ziemlich verarscht vor.

Ein weiteres gutes Zitat aus dem Memorandum lautet wie folgt: „Es ist ein großes Anliegen der Bevölkerung, das Potenzial zu nutzen, dauerhaft eine hohe Luftqualität für Stuttgart und insbesondere für den Innenstadtbereich sicherzustellen. Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung wichtiger Frischluftschneisen.“ Herr Kuhn, Herr Pätzold und Herr Föll, hören Sie bitte genau hin: „Es ist ein großes Anliegen der Bevölkerung, dauerhaft eine hohe Luftqualität für Stuttgart sicherzustellen, insbesondere durch die Aufrechterhaltung wichtiger Frischluftschneisen.“ Verdammt noch mal, wenn diese Bürgerbeteiligung Rosenstein ernst gemeint ist, dann müssen alle Planungen für eine Bebauung des Gleisvorfelds gestoppt werden, denn mit dem guten Klima ist es dann schnell zu Ende.

UND Herr Kuhn, Herr Pätzold und Herr Föll: beenden Sie auch sofort alle Planungen der ALLIANZ AG, die in Vaihingen einen riesigen Bürokomplex in die Landschaft stellen will, und dadurch gleichzeitig eine wichtige Frischluftschneise blockiert wird.

Liebe Freundinnen und Freunde, über das Hirngespinst der CDU, die einen 600 Mio. € teuren Autotunnel unter den gesamten Stuttgarter Osten bauen will, fange ich an dieser Stelle erst gar nicht an zu reden, denn ich fürchte, dass wir in den nächsten Jahren leider noch öfters über diesen Ostheimer Tunnel sprechen werden.

Mir bleibt nur noch eins zu sagen, die Beteiligung Rosenstein kann getrost in einer Schublade verschwinden, denn wir werden es nicht zulassen, dass unser Kopfbahnhof und unser Park weiter zerstört werden. Herr Kuhn, Herr Pätzold und Herr Föll: Wir werden Sie los, Sie uns aber nicht!

Vielen Dank. OBEN BLEIBEN!