Ökologische und soziale Verkehrswende

Nahverkehrsplan: Weichen für ökologisch-soziale Verkehrswende stellen

Mit der zweiten Fortschreibung des Nahverkehrsplans für Stuttgart trifft der Gemeinderat wesentliche Weichenstellungen hinsichtlich der öffentlichen Personenbeförderung in den kommenden Jahren. Neben der Direktvergabe an die SSB ist deshalb auch über den Stellenwert des ÖPNV am gesamten Verkehrsaufkommen, seiner Qualität, Erschließung und Vernetzung im Umweltverbund zu sprechen. Angesichts der anhaltend rechtswidrigen Luftschadstoffsituation und der gesundheitsschädigenden Lärmbelastung in den Quartieren entlang des Vorrangstraßennetzes ist die öffentliche Personenbeförderung ein wesentlicher Schlüssel zur Bewältigung der Kfz-bedingten Umwelt- und Gesundheitsschäden.

SÖS-LINKE-PluS beantragt zur Fortschreibung die folgenden Maßnahmen:

Wesentliche Voraussetzung zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des ÖPNV ist eine gesicherte Finanzierung der SSB. Angesichts der bestehenden und sich verschärfenden Finanzierungsengpässe durch hohe Aufwendungen für die Instandhaltung/Weiterentwicklung der Infrastruktur und Ersatzbeschaffung von Fahrzeugen vor dem Hintergrund des auslaufenden Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes bis 2019 und des zur Fortschreibung anstehenden L-GVFG muss im Nahverkehrsentwicklungsplan über völlig neue, solidarische und verkehrslenkende Finanzierungsmodelle nachgedacht werden.

Wir beantragen daher:

1. Im Rahmen des Nahverkehrsentwicklungsplans werden alternative Finanzierungsmodelle zweckgebunden für den ÖPNV geprüft. Die Verwaltung stellt dar, ob die genannten Modelle bei der geltenden Rechtslage umsetzbar sind, bzw. welche Rechtsgrundlagen hierzu geschaffen werden müssten, und erhebt mittels eines Gutachtens die Folgewirkungen der Modelle hinsichtlich relevanter Umweltindikatoren und ihrer Wirkung auf den Modal Split:
a. Die Anhebung der Hebesätze auf Grundsteuer und/oder Gewerbesteuer
b. Nahverkehrsabgabe pro Einwohner und pro Jahr
c. Nahverkehrsabgabe als Mobilitätsbonus pro Kfz-Zulassung/Ummeldung
d. Nahverkehrsabgabe, die von Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten erhoben wird
e. Straßenbenutzungsabgabe

2. Die Verwaltung prüft in Verbindung mit den oben genannten Finanzierungsmodellen die Bereitstellung eines ticketfreien ÖPNV-Angebots im Stadtgebiet und stellt die damit zu erwartenden Kosteneinsparungen durch Wegfall entsprechender Infrastruktur, Kontrollen und Personalbedarfe dar.

3. Im Nahverkehrsentwicklungsplan werden Modal-Split-Zielgrößen für die Anteile von Kfz-Verkehr und Anteile im Umweltverbund bis zum Jahr 2030 festgelegt und alle verkehrspolitischen Entscheidungen auf ihren Beitrag zur Erreichung der Zielgrößen geprüft. Wir schlagen vor, als Ziel 20 Prozentpunkte weniger Kfz-Verkehr am Modal Split bis 2030 festzulegen.

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Für die Fortschreibung des Nahverkehrsplans beantragen wir die folgenden Maßnahmen-Bausteine zur Prüfung durch die Verwaltung.

Der Vernetzung alternativer Verkehrsmittel kommt eine erhebliche Bedeutung zu, um passgenaue, attraktive und alltagstaugliche Mobilitätslösungen jenseits des Privat-PKWs sicherzustellen. Mit der Polygo-Card ist bereits ein großer Schritt hinsichtlich einheitlicher Zugangsbedingungen zu öffentlichen Verkehrsmitteln getan. Die zielgerichtete räumliche Verbindung umweltschonender Verkehrsmittel mittels intermodaler Verkehrsknotenpunkte ist aus unserer Sicht nun der nächste entscheidende Schritt.

4. Im Nahverkehrsplan sind intermodale Verkehrsknotenpunkte an wesentlichen räumlichen Schnittstellen von Schienenpersonenverkehr, Straßenbahn und Bus definiert, die sukzessive mit ergänzenden Angeboten umweltschonender Verkehrsmittel wie Leihfahrräder, Car-Sharing-Fahrzeuge, bzw. P+R-Möglichkeiten auszustatten sind. Zusätzlich wird geprüft:
a. Die Sicherung zusätzlicher Flächen an Mobilitätsknotenpunkten zur Bereitstellung ergänzender oben genannter Verkehrsangebote durch Erwerb von Grundstücken.
b. Fahrrad-Abstellmöglichkeiten in abschließbaren Boxen als Regelangebot, und die Überdachung bestehender Fahrradabstellflächen.

5. Die Stadt Stuttgart bewirbt sich auf das Förderprogramm „Modellregion für nachhaltige Mobilität“ zur Entwicklung dieser für die regionalbedeutsamen Pendlerbewegungen wesentlichen Mobilitätsknotenpunkte und prüft weitere Förderprogramme.

Die Stammstrecken der S-Bahn zwischen Schwabstraße und Hauptbahnhof bzw. zwischen Hauptbahnhof und Feuerbach sind an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt. Zur Entlastung dieser unterdimensionierten Stammstrecken und einer Stabilisierung des S-Bahn-Betriebs, sowie der attraktiven Vernetzung der Landkreise sind bestehende, das Stadtgebiet durchlaufende Schienenwege in den Nahverkehrsplan aufzunehmen. Attraktive, direkte Tangentialverbindungen sind u.a. geeignet den Durchgangsverkehr auf der B 10/B27 sowie den Dauerstau auf der A8 zu reduzieren.

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6. Tangentialverbindungen: Als Nord-West-Tangentiale wird die Gäu-/ Panoramabahn, als Nord-Ost-Tangentiale die Schusterbahn zur Personenbeförderung genutzt und zu diesem Zweck in den Nahverkehrsplan aufgenommen. Der Takt soll dabei mindestens einstündig, zur Hauptverkehrszeit halbstündlich gewährleistet sein. Hierzu führt die Verwaltung Gespräche mit dem Verband Region Stuttgart, dem VVS, DB Regio und der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mit dem Ziel einer durchgehenden Regionalbahnbedienung und den Möglichkeiten eines zukünftigen S-Bahn-Betriebs.

Das Personenbeförderungsgesetz schreibt bis zum Jahr 2022 die Herstellung vollständiger Barrierefreiheit bei Haltestellen und Fahrzeugen vor. Ein gutes Wegstück hat die SSB bereits zurückgelegt. Es besteht jedoch Optimierungsbedarf. Die Wegebeziehungen an Umsteigepunkten weisen häufig erhebliche Lücken auf. Taktile Leitsysteme sind häufig nicht durchgebunden. Es fehlt die Informationsdarreichung mittels des 2-Sinne-Prinzips. Auch die Ticketautomaten sind zur schnellen Orientierung zu kompliziert.

7. Barrierefreiheit: Die Ziele zur Erreichung der Barrierefreiheit werden ergänzt um:
a. die Herstellung vernetzter Leitsysteme an Umsteigepunkten, insb. mittels taktiler Leitbahnen, Braille-/Prismen-Schrift an Handläufen und 3D-Umgebungsmodellen;
b. die durchgängige Realisierung des 2-Sinne-Prinzips, auch an einfachen Haltepunkten, z.B. neben der optischen Anzeige eine akustische Informationsausgabe;
c. die Konzipierung der neuen Generation an SSB-Fahrscheinautomaten nach dem 2-Sinne-Prinzip, insb. um Zusatzfunktionen wie Fahrplanauskünfte, so dass diese barrierefrei verfügbar sind. Dazu ist sowohl eine Sprachsteuerung zu prüfen, als auch Ausdrucke in Braille-/Prismenschrift;
d. ganzheitliche Qualitätsstandards für die Barrierefreiheit, die teilweise mangels gesetzlicher Definition von der Stadt zu entwickeln sind und gemeinsam mit SSB, DB und VRS an den intermodalen Verkehrsknotenpunkten umzusetzen sind.

Zur Verbesserung des Verkehrsangebots im Stadtgebiet prüft die Verwaltung:

8. Die Kostenabschätzung für eine Verlängerung des 10-Minuten-Takts auf allen Stadtbahnlinien bis 23.00 Uhr.

Unterzeichnet von:

Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS mit Stadtrat Ralph Schertlen (DIE STAdTISTEN)