Stadt Stuttgart vor Risiken aus CBL-Vertrag über das Abwassernetz bewahren

Antrag vom 16.01.2015 Nr. 7/2015

Im Jahr 2005 hat die amerikanische Finanzverwaltung festgelegt, dass die bisherigen Leasingtransaktionen („Cross-Border-Leasing-Verträge“, CBL) grundsätzlich als missbräuchliche Steuerumgehungen anzusehen sind. Die von den Finanzinvestoren angestrebten Steuervorteile waren somit nicht mehr zu erreichen. Im Jahr 2008 unterbreiteten die amerikanischen Finanzbehörden ein Vergleichsangebot: Ein Finanzinvestor konnte Straffreiheit erlangen, wenn er 80 Prozent seiner bis dahin erzielten Steuerverkürzung an den Staat zurückbezahlte und seine Aktivitäten in diesem Bereich offen legte. Zudem wurde er aufgefordert, alle CBL-Verträge zu beenden.
Ein Großteil der Kreditinstitute und Versicherungen beugte sich dem Druck und akzeptierte den Vergleich. Nicht die John Hancock Life Insurance (JH), Vertragspartner der Stadt Stuttgart. JH strengte einen Prozess gegen die US-Steueraufsicht an, den er verlor. Im Urteil wurde erneut bestätigt, dass CBL-Geschäfte unsaubere Scheingeschäfte sind, für die auch keine Steuervorteile für getätigte Investitionen zu gewähren seien.
Es kann seither nicht ausgeschlossen werden, dass der amerikanische Finanzinvestor durch die weg gebrochenen Steuervorteile und seine gebundenen Eigenmittel ein Interesse daran hat, den Vertrag rückgängig zu machen, möglicherweise durch Vertragsverletzungsverfahren, aus denen ihm ggf. noch Schadensersatz zuwachsen könnte. Änderungen am Abwassernetz könnten willkommene Anlässe hierfür bieten. Die Stadt ist gut beraten, Vertragsverstöße sorgfältigst zu vermeiden und mögliche Änderungen im Vorfeld mit ihrem Vertragspartner abzustimmen.
Da der CBL-Vertrag der Geheimhaltung unterliegt, ist nicht abzuschätzen, ob und in welcher Höhe sich aus Veränderungen am Abwassernetz, wie z.B. der geplanten Verlegung des Nesenbachdükers oder weiterer Druckleitungen im Rahmen von Stuttgart 21, Vertragsverletzungen ableiten lassen. Da Schadensersatzforderungen in mehrstelliger Millionenhöhe drohen – in einem CBL-Vertrag in Essen war Schadensersatz mit bis zu 30 Prozent des Transaktionsvolumens vereinbart – halten wir es für erforderlich, alle Risiken für die Stadt Stuttgart so weit wie möglich auszuschließen.

Wir beantragen:

  • Die Verwaltung gibt Auskunft darüber, in welchem Umfang Veränderungen am Abwassernetz, wie z.B. die Verlegung des Nesenbachdükers, eine Verletzung des CBL-Vertrags mit JH darstellen könnte.
  • Sie gibt Auskunft darüber, ob solche Veränderungen mit dem amerikanischen Vertragspartner abgestimmt werden müssen.
  • Eine rechtlich fundierte Einschätzung wird zudem darüber abgegeben, ob die baulichen Veränderungen dazu führen können, dass die sehr CBL-kritischen amerikanischen Steuerbehörden das verleaste Objekt als „limited use property“ einstufen und ob daraus JH ein Schadensersatzanspruch gegen die Stadt zuwachsen könnte.
  • Die Verwaltung stellt dar, welche und in welcher Höhe Schadensersatzansprüche vertraglich abgedeckt sind.
  • Die Bahn AG wird aufgefordert, die Landeshauptstadt Stuttgart frei zu stellen von den Risiken, die der Stadt entstehen könnten, falls die Bahn AG mit ihren Baumaßnahmen gegen geltendes Recht bzw. gegen gültige – auch internationale – Verträge verstößt.
  • Ebenso wird das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) aufgefordert, die Landeshauptstadt Stuttgart frei zu stellen von den Risiken, die der Stadt entstehen könnten, für den Fall, dass die vom EBA erteilten Genehmigungen gegen geltendes Recht bzw. gegen gültige – auch internationale – Verträge verstoßen.
  • Die Verwaltung stellt dar, auf welche Weise und zu welchen Kosten der CBL-Vertrag mit JH beendet werden könnte.