Neues Mobilfunk-Konzept – Vorsorge garantieren

Antrag:

  1. Die Stadt erstellt ein Konzept für eine Mobilfunkversorgung, die sich an einem Primat der Politik orientiert und damit sozialen und ökologischen Kriterien unterliegt: Folgende Inhalte sind besonders zu berücksichtigen:

a)Eine wissenschaftliche Begleitung zu optimalen Standorten, sowohl unter technischen Gesichtspunkten als auch für die Verwirklichung der Strahlenminimierung.

b) Die Stadt Stuttgart prüft juristische Möglichkeiten, die Wettbewerber zu Kooperationen zu verpflichten, damit nicht Parallelnetze der Wettbewerber entstehen, um einen unnötigen Energie- und Ressourcenverbrauch und eine Mehrfachbestrahlung zu verhindern.

c) Eine Technikfolgenabschätzung für 5G sowohl für den Energie- wie auch Ressourcenverbrauch, als auch die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlungsbelastung ist vorzulegen.

d) Die Stadt prüft und fördert Konzepte zur Indoor- Outdoor-Trennung, um perspektivisch mit Kleinzellennetzen die Makro-Standorte obsolet zu machen. Dazu werden Karten über die bestehenden und geplanten 5G Makro-Standorte öffentlich ausgelegt und in Beteiligungsverfahren diskutiert.

e) Eine Bürgerbeteiligung findet statt gemäß der Leitlinie für informelle Bürgerbeteiligung der Landeshauptstadt Stuttgart und orientiert sich an den Kriterien in der Digitalisierungsstrategie der Landesregierung.

 

  1. Die Stadt wird beauftragt, bis zu den HH-Beratungen dem Gemeinderat mitzuteilen, welche personellen und finanziellen Ressourcen für die Erstellung eines flächendeckenden Mobilfunk-Vorsorgekonzepts erforderlich sind.

 

Begründung:

Die Stadt Stuttgart ist nicht „Getriebener“ sondern „Gestalter“ einer neuen technologischen Entwicklung. Eine sofortige Einführung der 5G-Technologie steht im Widerspruch zum Vorsorgeprinzip, da noch keine Technikfolgenabschätzung vorliegt. Eine Begleitforschung des Bundesamtes für Strahlenschutz wird erst konzipiert. Deshalb sagte die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz, Dr. Inge Paulini am 25.2.2019 in der 3sat-Sendung nano:

„Die Personengruppen, die wir besonders im Fokus haben, die besonders schützenswert sind – sind Kinder, Säuglinge, Kranke, alte Menschen. Der Ausbau der 5G-Netze sollte auf jeden Fall so erfolgen, dass sensible Orte, Orte, wo diese Menschen sich aufhalten – Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser – dass die erst mal ausgenommen werden.“ (siehe 3sat-Video ab Minute 2:20)

In Stuttgart leben Kinder, Säuglinge, Kranke und Alte nicht nur in Kindergärten, Schulen und Krankenhäusern. Diese Aussage zeigt, wie notwendige eine Regulierung der Mobilfunkversorgung ist, auch um einen Wildwuchs zu verhindern.

5G ist eine Infrastruktur für die digitale Transformation aller Lebensbereiche. Über ihre Folgen in der Kommune muss ein ökologischer Fußabdruck erstellt werden. Zu den ökologischen Risiken der Digitalisierung schreibt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, dass „das künftige Schicksal der planetarischen Umwelt massiv vom Fortgang der digitalen Revolution abhängen wird. Er mischt sich in einen gesellschaftlichen Diskurs ein, der immer hektischer geführt wird, weil es um die globale Innovationsführerschaft im 21. Jahrhundert geht. Und er versucht, Antworten auf Kernfragen zu finden – Fragen nach der mittelfristigen Zukunft, ja sogar nach dem schieren Fortbestand des Anthropos auf der Erde. Nur wenn es gelingt, die digitalen Umbrüche in Richtung Nachhaltigkeit auszurichten, kann die Nachhaltigkeitstransformation gelingen. Digitalisierung droht ansonsten als Brandbeschleuniger von Wachstumsmustern zu wirken, die die planetarischen Leitplanken durchbrechen.“ (Unsere gemeinsame digitale Zukunft, S. 1).

Nach der Zustimmung zur Gigabit-Region und dem Vertrag mit der Telekom wird der 5G-Ausbau für Stuttgart umgesetzt werden. Die Telekom kündigt bereits erste Makrostandorte für 5G in Stuttgart an. Es braucht jetzt schnell Richtlinien und Vorgaben für eine kommunale Steuerung, insbesondere auch deswegen, weil sich weitere Wettbewerber um Lizenzen bewerben werden.

Wir regen eine Orientierung am Konzept der Stadt Ravensburg an, die nach einer gründlichen Bürgerbeteiligung ein Vorsorgekonzept mit folgenden strategischen Zielen beschlossen hat:

  • Die Stadt Ravensburg ist nicht „Getriebener“ sondern „Gestalter“ einer neuen technologischen Entwicklung.
  • Es wird eine flächige Abdeckung auch in den „ländlichen Bereichen“ von Ravensburg erreicht.
  • Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung soll bereits bei der Planung die „zusätzliche Strahlenbelastung“ minimiert werden. Dies scheint aus heutiger Sicht durch ein flächendeckendes Angebot von neuer strahlungsarmer 5G-Infrastruktur am besten möglich. In einem zweiten Schritt sollen durch Messungen die Änderungen der Strahlenbelastung im zeitlichen Verlauf erfasst werden. Durch den Rückbau weniger zentraler, alter strahlungsintensiver Sendeanlagen (insb. 2 und 3G) bei gleichzeitigem Aufbau vieler kleiner dezentraler 5G-Sendeanlagen kann eine flächendeckende Strahlungsbelastung reduziert werden. Der Funk-Traffic wird mit den neuen dezentralen Anlagen quasi „unter die Erde in das Glasfasernetz gebracht“.
  • Für elektrosensible Personen sollen Schutzzonen / -räume geschaffen werden.
  • Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung sollen die Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen untersucht werden.
  • Mittels einer wissenschaftlichen Begleitung sollen auch soziologische Veränderungen untersucht werden.

Im Zuge dieser Maßnahmen wird ein neues Mobilfunkkonzept erarbeitet … Der flächige Ausbau eines 5G-Netzes bedingt einen weiteren Ausbau des Glasfasernetzes, siehe nachfolgend: Strategieplan für Glasfaserausbau.“

Quelle: Strategie digital@RV, S.23,  https://session.ravensburg.de/bi/to0040.php?__ksinr=11103