Die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS fragt zum Brand einer Betonspritzmaschine im S21-Tunnel zwischen Wangen und Stadtmitte am 10.4.2019:
1. Welche baulichen Schäden resultieren aus dem Brand?
a. Wurde die Tunnelschale durch die Hitze-Einwirkung geschädigt? In welchem Ausmaß?
b. Welche Ausbesserungsmaßnahmen sind zur Schadensbeseitigung erforderlich?
c. Welche Mehrkosten entstehen dadurch?
d. Welche Bauzeit-Verzögerung ergibt sich daraus?
2. Warum ist die Städtische Feuerwehr zur Bekämpfung des Brandes ausgerückt und nicht – wie es im Planfeststellungsbeschluss verbindlich vorgeschrieben ist – durch eine „Rettungswehr“, die vom ausführenden Tunnelbau-Unternehmer gestellt werden muss?
a. Hat der Tunnelbau-Unternehmer keine oder nur eine unzureichende „Rettungswehr“ vorgehalten?
b. Warum konnte diese „Rettungswehr“ den Brand nicht sofort unter Kontrolle bringen?
Erläuterung zu Frage 2: Während der Bauzeit ist die städtische Feuerwehr nur für die ersten 200 m Tunnel zuständig; alles Übrige macht die sogenannte „Grubenwehr“, die mitsamt Ausrüstung vom Auftragnehmer für den Tunnelbau zu stellen ist. Die Gestellung einer „Rettungswehr“ vom ausführenden Tunnelbau-Unternehmer ist im Planfeststellungsbeschluss verbindlich vorgeschrieben.
3. Wo genau innerhalb des Tunnels befand sich die brennende Maschine; in welcher Entfernung zu den Tunneleingängen?
4. Wie lange dauerte es, bis die Feuerwehr am Einsatzort war
– ab Ausbruch des Feuers?
– ab der Alarmierung?
5. Wie sind Brandentfernung und Zeit bis zur Brandbekämpfung zu bewerten im Vergleich zu einem möglichen Brand in der Mitte des Tunnels?
6. Welche Gegebenheiten haben das Anrücken der Feuerwehr begünstigt, welche erschwert?
Welche begünstigenden und erschwerenden Faktoren unterscheiden sich gegenüber dem Zielzustand / Endausbau der Tunnelanlage?
Insbesondere: Welche Zufahrten wurden genutzt?
Wie unterscheiden sich diese Wege vom Zielzustand des Tunnels?
7. Welche Temperaturen herrschten am Einsatzort zum Zeitpunkt des Eintreffens der Feuerwehr maximal?
Wie lange dauerte es vom Entdecken des Brands bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Maximaltemperaturen?
8. War der Tunnel bei Eintreffen der Feuerwehr noch ohne Atemschutz begehbar?
9. Wie war der Verrauchungszustand? Welche Sichtweiten herrschten zu welchem Zeitpunkt?
10. Hätte zum Zeitpunkt des Eintreffens der Feuerwehr noch die Möglichkeit bestanden, etwa 1000 Fahrgäste eines Zuges sicher zu evakuieren, insbesondere Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die einen Zug nicht selbständig verlassen können?
11. Wie gelangt das Löschmittel zum Einsatzort im Tunnel, wenn – wie im gegebenen Fall und bei allen Bränden, die Öl-gekühlten Motoren, Hydrauliköle oder Leichtmetallkomponenten betreffen – nicht mit Wasser gelöscht werden kann?
12. Wie lange dauerte es im gegebenen Fall, ausreichende Mengen Löschmittel an den Einsatzort zu bringen?
13. Wie lange dauerte es, bis der Brand vollständig gelöscht war?
14. Welche giftigen und korrosiven Stoffe entstanden bei diesem Brand? Insbesondere:
a. Dioxine und Furane (beispielsweise durch brennende Elektrokabel aus PVC oder PCB-haltige Hydrauliköle)?
b. Chlorwasserstoff (beispielsweise durch brennende Elektrokabel aus PVC)
c. Wie stark sind der CO2- Gehalt sowie der CO-Gehalt im Nahbereich in der Tunnelluft angestiegen?
d. Welche weiteren giftigen Brandgase wie HCN (Blausäure), HCL (Salzsäure), SO2 (Schwefeldioxid) u.a.m wurden bei dem Brand in welchen Mengen/Konzentrationen freigesetzt?
15. Wie sind die durch den Brand entstandenen Gefahren zu bewerten, welche von den giftigen und korrosiven Stoffen ausgehen?
16. Wie wird die Kontaminierung der Tunnelinnenwände insbesondere mit den oben genannten Stoffen geprüft?
17. Ab welchem Zeitpunkt konnte der Tunnel nach dem Ereignis ohne Atemschutz betreten werden?
18. Wie wird sichergestellt, dass giftige Ablagerungen aus diesem Brand im zukünftigen Betrieb des Tunnels nicht durch Zug-bedingte Luftbewegungen in die Bahnhofshalle getragen werden?
19. Wie wird sichergestellt, dass korrosive Ablagerungen aus diesem Brand nicht zu vorzeitigen baulichen Beeinträchtigungen und entsprechenden Sanierungs-Sperrungen führen?
20. Wieviel Hydrauliköl brannte und was enthielt es (z.B. brand-problematische Stoffe wie PCB)?
21. Gibt es einen Nachweis über die in den Maschinen vor Ort enthaltenen Öle, insbesondere Hydrauliköle und sonstige brand-problematische Stoffe?
22. Wie ist die Menge Hydrauliköl der verbrannten Betonspritzmaschine zu bewerten im Vergleich zu einem ICE-Treibkopf?
Wir beantragen:
1. Eine detaillierte schriftliche Beantwortung unserer Fragen
Begründung:
Der Brand in einem S-21-Tunnel am 10.4.2019 bestätigt erneut, dass Zweckoptimismus und Leugnen von Risiken beim Brandschutz des Milliardengrabs S-21 kein guter Ratgeber sind.
Die Fraktionsgemeinschaft SÖS LINKE PluS weist konsequent auf die Gefahren hin, die sich aus dem nach wie vor fehlenden Brandschutzkonzept für den S21-Tiefbahnhof und den zuführenden Tunnelprojekten ergeben. Stets beantworteten die Bahn und das Eisenbahnbundesamt unsere detaillierten Fragen ausgesprochen lapidar.
So erhielten wir zum Beispiel die Aussage der Bahn in einer Ausschuss-Sitzung, dass es gar nicht zu einem ICE-Brand kommen könne. Am 12. Oktober 2018 wurde die Bahn mit dem immensen Brand eines ICE im Westerwald eines besseren belehrt. Das Eisenbahnbundesamt verweist wiederholt darauf, dass eine abschließende brandschutztechnische Genehmigung der Anlage erst nach Abschluss der Bauarbeiten und vor Inbetriebnahme im Sinne einer Gesamtbeurteilung erfolgen könne. Welche Folgen für den Steuerzahler ein solches Vorgehen bei Großprojekten hat, sieht man am desaströsen Großprojekt des Flughafens Berlin-Brandenburg, kurz BER, der wegen der Mängel im Brandschutz nicht in Betrieb genommen werden durfte und bei dem inzwischen die Gebäude mitsamt Infrastruktur verfallen, bevor sie jemals genutzt werden konnten.
Neben den Fragen nach entstandenen Schäden am Tunnelbau mit finanziellen und zeitlichen Folgen interessiert uns, welche kurz- und langfristigen Gefahren durch emittierte Giftstoffe entstehen. Ferner, ob das Tunnelbau-Unternehmen seiner – per Planfeststellungsbeschluss vorgeschriebenen – Verpflichtung nachgekommen ist, eine sogenannte „Rettungswehr“ zu stellen. Wenn die Brandstelle tiefer als 200 Meter im Tunnel liegt, ist die sogenannte „Grubenwehr“ zuständig, die mitsamt Ausrüstung vom Auftragnehmer für den Tunnelbau zu stellen ist.
Die städtische Feuerwehr ist während der Bauzeit nur für die ersten 200 m Tunnel zuständig. Als sie am 10.4.2019 zum Brand ausrückte, konnte sie – laut Presseberichterstattung – allerdings zunächst wegen der starken Verrauchung nicht zur Brandstelle im Tunnel gelangen.
Wir stellen weiter unangenehme aber umso wichtigere Fragen an die Bahn, das Eisenbahnbundesamt und die Branddirektion Stuttgart, in der Hoffnung, damit später drohenden Katastrophen vorzubeugen. Es hat sich in der Vergangenheit regelmäßig gezeigt: die Realität gibt uns – egal ob bei Risiken für Leib und Leben oder bei Kostenexplosionen – seit Jahren (leider) recht.