Polizeigewalt bei Mieten-Demonstration am 6. April muss aufgeklärt werden

Wir fragen:

  1. Wie rechtfertigt die Polizei Stuttgart den Einsatz von Pfefferspray gegen Personen, die friedlich bedruckte Papierzettel an die Fassade des leerstehenden Gebäudes in der Heusteigstraße 74 angebracht haben?
  2. Wie erklärt sich die Polizei Stuttgart die Anzahl von 55 durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzten und durch die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. ärztlich versorgten Teilnehmer_innen der spontanen Demonstration in der Böblinger Straße nach Auflösung der offiziellen Veranstaltung am Marienplatz?
  3. Aus welchen Gründen wurde die spontane Demonstration durch den unmittelbaren Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken nach wenigen Metern von bewaffneten Polizeikräften gestoppt, anstatt diese weiterlaufen und von den sich vor Ort befindenden Polizeikräften begleiten zu lassen?
  4. Bezeichnet die Stadt den massiven Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz durch die Polizeikräfte als verhältnismäßig und unvermeidbar?
  5. Gab es am Samstag, 6. April im Laufe der Demonstration und danach Polizeibeamt_innen, die verletzt wurden? Wenn ja wie viele und wodurch?

Begründung:

Am Samstag, den 6. April 2019 demonstrierten 4000 Menschen gegen explodierende Mieten und Wohnungsnot in der Stuttgarter Innenstadt. Dazu aufgerufen hatte ein breites Bündnis von über 30 Organisationen, Vereinen, Parteien und Verbänden. Nach der Auftaktkundgebung auf dem Schlossplatz zog der Demonstrationszug durch das Bohnen- und Heusteigviertel zur Abschlusskundgebung am Marienplatz.

Während und nach Abschluss der Demonstration kam es wiederholt zu Polizeigewalt gegen Teilnehmer_innen der Demonstration. Zum ersten Zwischenfall kam es in der Heusteigstraße 74. Als einige Teilnehmer_innen kleine Papierzettel an das seit Jahren leerstehende Haus klebten wurden diese von Polizeibeamten ohne Vorwarnung sofort mit Pfefferspray attackiert

Nach Auflösung der Demonstration auf dem Marienplatz kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Einige Menschengruppe aus rund 150 Personen lief vom Marienplatz auf der Böblinger Straße Richtung Erwin-Schöttle-Platz und wurde bereits nach wenigen Metern gewaltsam von Polizeikräften gestoppt. Diese bildeten Ketten und verhinderten unter massivem Einsatz von Schlagstock- und Pfefferspray ein Weiterlaufen der Teilnehmenden. Als die Teilnehmenden nach wenigen Minuten zum Abschlusskundgebungsort zurückkehren wollten, wurden diese erneut durch Polizeiketten und sofortigen Pfeffersprayeinsatz daran gehindert. Dabei kam es zu vielen Verletzten, durch das zum Teil aus nächster Nähe eingesetzte Reizgas. Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. zählte insgesamt 55 Behandlungen, davon 51 Verletzte durch Pfefferspray, 2 chirurgische Verletzungen durch Schlagstockeinsatz und 2 internistische Versorgungen. Auch am Straßenrand und sich auf den Gehsteigen aufhaltende Anwohner_innen und Passant_innen wurden durch das eingesetzte Pfefferspray verletzt.

Ein Polizeisprecher rechtfertigte gegenüber dem SWR am Montag, den 8. April die Pfefferspray-Attacken damit, “man habe eine drohende Hausbesetzung verhindern wollen, auch mit dem Einsatz von Pfefferspray”. Ein Verdacht, dass es zu einer möglichen Hausbesetzung kommen könnte, ist und kann keine Rechtfertigung sein einen Demonstrationszug von der keine Gewalt und körperliche Eskalation ausgeht wiederholt mit Pfefferspray zu attackierten. Das Recht auf Versammlungsfreiheit und spontane Demonstrationen und Versammlungen sind laut Verfassung garantiert und ein demokratisches Grundrecht.