Wir fragen:
- Werden im Klinikum Stuttgart Anwendungsbeobachtungen im Auftrag von und/oder in Kooperation mit Pharmaunternehmen an Patient_innen durchgeführt?
- Wenn ja,
a) wie viele Verträge zu Anwendungsbeobachtungen wurden im Klinikum in den letzten fünf Jahren durchgeführt?
b) wie viele Patient_innen waren Teilnehmer_innen von Anwendungsbeobachtungen?
c) wurden die Patient_innen darüber aufgeklärt, dass mit ihren Daten eine Anwendungsbeobachtung durchgeführt wurde? Gibt es schriftliche Einwilligungen der Patient_innen?
d) mit welcher Begründung führt das Klinikum Stuttgart Anwendungsbeobachtungen durch?
e) wie hoch waren die jährlichen Einnahmen des Klinikums durch Anwendungsbeobachtungen in den letzten fünf Jahren.
- Gibt es im Klinikum Stuttgart bereits schriftliche fixierte Handlungsanweisungen für Mitarbeiter_innen hinsichtlich des Umgangs mit Anwendungsbeobachtungen? Wenn nein, sind hierzu Handlungsanweisungen geplant und mit welchem Inhalt?
Wir beantragen:
- Die Klinikleitung berichtet im übernächsten Krankenhaus-Ausschuss am 20. Juli 2018 über den Umgang mit Anwendungsbeobachtungen und über die Anzahl von Verträgen.
Begründung:
Sogenannte Anwendungsbeobachtungen sind höchst umstritten, da der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sehr gering bis wertlos sei und darüber hinaus Ergebnisse auch nur sehr selten veröffentlicht werden. Die Sendung Kontraste des Fernsehsenders Das Erste vom 26.4.18 berichtete darüber hinaus am Beispiel eines neuen Medikaments gegen Multiple Sklerose sogar von lebensgefährdenden bis hin zu tödlichen Folgen für Patienten auf Basis dieses höchst aggressiven Marketinginstruments.
Anwendungsbeobachtungen dienen der Pharmaindustrie vor allem als Mittel der Patientenrekrutierung für neue Produkte. Patienten werden über die niedergelassene Ärzten auf das jeweilige Produkt des Herstellers eingestellt und damit zum zukünftigen „Stammkunden“, womit Absatzmärkte erschlossen und gesichert werden können. Den Ärzten ist aufgrund der im Verhältnis zu ihrer Leistung unangemessen hohen Honorierung ein einträgliches Zusatzeinkommen sicher. Rund 100 Mio Euro fließen dadurch pro Jahr in Deutschland von Pharmaunternehmen an Ärzte.
Zudem versucht die Pharmaindustrie mit Anwendungsbeobachtungen ihre neu zugelassenen Medikamente schnell auf dem Markt einzusetzen, da die Preisgestaltung im ersten Jahr nicht reglementiert ist. Zudem wird der Eindruck vermittelt, dass das neue, teurere Medikament den bereits erprobten Medikamente überlegen wäre. Erst nach einem Jahr muss ein Kosten-Nutzen-Nachweis erfolgen. Somit drängt der Pharmahersteller gerade im ersten Jahr mit den neu zugelassenen Medikamenten aggressiv auf den Markt, wobei mangels klinischer Erfahrungen die Gefahr noch nicht bekannter Nebenwirkungen erhöht ist. Dafür, dass Kliniken das neu zugelassene Medikament verschreiben und die Reaktionen/Nebenwirkungen des Medikaments dokumentieren, erhalten sie Geld. In dem beschriebenen Fall erhielt die Klinik zum Beispiel über fünf Jahre pro Patient 1320 Euro. Wegen solcher Zahlungen
Auch Kliniken beteiligen sich an dieser Form der „legalen Korruption“ – wie es der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete. Demgegenüber gibt es aber auch Kliniken wie z.B. das Uni-Klinikum Dresden, das in einer Handlungsanleitung für Mitarbeiter_innen Verträge über Anwendungsbeobachtungen als „grundsätzlich nicht erwünscht“ einstuft, da sie in erster Linie Marketingzwecken der Pharmaunternehmen dienen.
Wir möchten daher gerne wissen, wie das Klinikum Stuttgart zu Anwendungsbeobachtungen steht. Ob es – ganz im Sinne des Verbands der Arzneimittelhersteller – Anwendungsbeobachtungen als unverzichtbares Instrument der Arzneimittelforschung betrachtet, als Möglichkeit Zusatzeinnahmen zu generieren oder es eine kritische Sicht auf dieses fragwürdige Instrument ähnlich dem Uniklinikum Dresden hat.