Mehr Öffentlichkeit bei Verträgen wagen

In der Gemeindeordnung Baden-Württembergs ist das Prinzip der Öffentlichkeit als Pfeiler der kommunalen Demokratie fest verankert. Transparenz, Kontrolle und Willensbildung verbinden sich als zentrale Funktionen in diesem Prinzip. Lediglich in sehr engen Grenzen von „öffentlichem Wohl“ und zum „Schutz berechtigter Interessen Einzelner“ (§17 Abs. 2 GemO) darf hiervon abgewichen werden. Jedoch heben bei der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen, als Instrumente zur Verwirklichung öffentlicher politischer Zwecke, bundesgesetzliche Bestimmungen über Verschwiegenheitsverpflichtungen im GmbH-Gesetz und Aktien-Gesetz den Öffentlichkeitsgrundsatz zunehmend aus. Auch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse von Mitgesellschaftern entziehen der Öffentlichkeit wesentliche Informationen.

Wir bedauern, dass in der Vergangenheit bei wichtigen Angelegenheiten, die umfassend das Gemeinwohl berührten, Verträge abgeschlossen wurden, die unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen Dritter der Geheimhaltung unterliegen. Zu nennen sind hierbei die Totalprivatisierung der Energie- und Wasserversorgung im Jahr 2002, Cross-Border-Leasing-Verträge oder die nun neu abgeschlossenen Konsortialverträge bei Netzeigentum und –Betrieb. Gemeinderäte werden so zur absoluten Geheimhaltung verpflichtet und können die meist für Laien völlig undurchsichtigen Vertragswerke lediglich in verschlossenen Datenräumen einsehen. Dies führt berechtigt zu Misstrauen bei der interessierten Öffentlichkeit und behindert die mitschreitende Kontrolle durch Presse und Öffentlichkeit genauso wie die öffentliche Meinungsbildung. Auch führt die Geheimhaltung tendenziell eher zur Bevorteilung Dritter in ihren wirtschaftlichen Interessen zulasten der öffentlichen Hand, da für Kommunen bei komplizierten Rechtsbeziehungen selten vergleichbare Verträge einsichtig ist. Zum Schutz des Gemeinwohls im Zielkonflikt mit den Gewinnmaximierungsinteressen Dritter sind öffentliche Vertragsbeziehungen eine notwendige Voraussetzung zur Förderung des öffentlichen Wohls.

Wir wollen mehr Öffentlichkeit wagen und beantragen daher:

  1. Der Gemeinderat legt der Stadtverwaltung, den städtischen Eigenbetrieben und Gesellschaften im Alleinbesitz der Stadt Stuttgart oder ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften die Verpflichtung zum Öffentlichkeitsprinzip bei allen neuen Vertragsbeziehungen mit Dritten auf. Alle Verträge sind als Originale zu veröffentlichen. Nur bei zwingenden gesetzlichen Vorgaben dürfen zukünftig Abschnitte in Einzelverträgen geschwärzt werden. Gleiches gilt für die Gesellschafterverträge der städtischen Gesellschaften. Alle Verträge sind im Original zu veröffentlichen.
  2. Alle Verträge sind über die Website der Stadt oder Webseiten von Eigenbetrieben und Beteiligungsgesellschaften barrierearm digital einsehbar zu machen.
  3. Die Verwaltung prüft alle bestehenden Verträge auf die nachträgliche Möglichkeit zur Offenlegung und erörtert dies mit den jeweiligen Vertragspartnern. Dazu erfolgt ein öffentlicher Bericht im zuständigen Fachausschuss.
  4. Die Verwaltung erörtert das Anliegen ebenfalls mit allen Beteiligungsgesellschaften unter anteiliger städtischer Beteiligung und berichtet hierzu ebenfalls öffentlich im zuständigen Fachausschuss.

Verfahrenshinweis:

§ 34 Abs. 1 Satz 4  der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg heißt es: „Auf Antrag einer Fraktion oder eines Sechstels der Gemeinderäte ist ein Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung spätestens der übernächsten Sitzung des Gemeinderats zu setzen“. Wir möchten von diesem Recht Gebrauch machen und bitten um fristgerechte Umsetzung.