Sollen die Grenzwerte eingehalten werden (das ist nicht gleichzusetzen mit sauberer Luft), müssen Emissionen in der Region Stuttgart um 20 Prozent sinken, die lokalen Emissionen am Neckartor sogar um 50 Prozent. Das Land Baden Württemberg hat folgendes ausgerechnet: zeitweise Fahrverbote mit Ausnahme von Fahrzeugen mit Blauer Plakette (für Dieselfahrzeuge Abgasnorm EURO 6): würde die Emissionen um 5 Prozent pro Jahr, pro Tag um 36 Prozent verringern. Wenn die blaue Plakette generell für die Umweltzone gilt, würden es anscheinend 40 Prozent weniger Emissionen sein. Ein reines Dieselfahrverbot würde 39 Prozent Entlastung pro Tag bringen.
Das Land sagt zu Dieselfahrverboten: „Das wollen wir unbedingt vermeiden“
Eine Citymaut: „ist rechtlich im Moment nicht möglich.“
Das Verkehrsministerium lässt verlautbaren: „Die Flottenerneuerung beim Diesel ist der Schlüssel“.
Die CDU schlägt vor, den Verkehr auf “auf eine Achse, wo möglichst niemand wohnt” zu verlagern. Es geht um Stuttgart – wo sind nochmal die Gegenden wo niemand wohnt?
Die Grünen jammern: „Wir sind sehr abhängig von der technischen Entwicklung“. Sind wir nicht, weil wir nach dem Verursacherprinzip die Zahl der Autos reduzieren können, Fahrverbote verhängen – aber all das scheint den Grünen nicht wirtschaftsfreundlich genug zu sein.
Die FDP sieht die Stickoxide als das Problem und konstatiert: „Das ist ja gar nicht zu schaffen“. Also hängen wir weiße Fahnen in der Stadt auf und warten bis sie von den Abgasen grau und schwarz werden.
Das Landesverkehrsministerium wundert sich über die „große Spannweite an Meinungsunterschieden.“ Die Blaue Plakette sei „nicht tot“, sondern würde vielmehr „das Problem lösen, und Sicherheit bringen“. Das Land müsse auch den Gerichten sagen, dass diese nicht gleich eingeführt werden könne, da angeblich erst eine Marktdurchdringung von 80 Prozent Euro 6-Diesel notwendig sei. Dies wäre frühestens 2020/2021 der Fall. Ab 2018 müssen Land und Stadt aber die Grenzwerte einhalten. Man hält an einem Projekt fest, was politisch zumindest auf Eis liegt, nicht von dem Jahr 2020 eine Wirkung entfaltet und will so zeigen, dass man die Werte einhalten kann?
Das Land warnt noch, dass sich viele keine Gedanken machen würden, „was es für das Land Baden Württemberg bedeutet, wenn der Diesel in Trudeln gerät.“ Wenn Menschen ins Trudeln geraten wegen schlechter Luft, scheint das niemanden zu stören.
Das Land habe sich mal die Wochenendauswertung am Neckartor angeschaut. Dort herrsche dann weniger Verkehr und es würden weniger Schadstoffe ausgestoßen. Das sei „überraschend“.
Was 2018 geschehe, könne man noch nicht sagen. Dazu müsse man den Luftreinhalteplan erst noch abwarten. Abwarten ist das Stichwort: sei dem Jahr 1999 ist bekannt, wo die Grenzwerte liegen. Seit 2010 sind sie verbindlich. Ende 2016 will das Land also abwarten, bis der nächste Plan, die nächste Untersuchung/Erhebung/Auswertung/Evaluierung/Analyse/Gutachten vorliegt.
Zur Beruhigung sei erwähnt, dass die Hintergrund-Messtation – schön im Park in Bad Cannstatt nahe am Neckar gelegen – die Grenzwerte einhält.
Wer die Situation wirklich begriffen hat an dieser Stelle ist CDU-Ordnungsbürgermeister Martin Schairer: „Wir sind in der Situation eines absoluten Zwischenberichts“. Dieser Zwischenbericht ist so absolut, dass man noch nicht absolut sicher sein kann, ob es bis Anfang 2018 so weit sein wird, dass über einen Planungsentwurf und der notwendigen Ressortabstimmung hinausgekommen sein wird. Zum Ende kam dann noch der sachdienliche Hinsweis der CDU-Fraktion, dass die Kläger vom Neckartor dort gar nicht wohnen würden, zumindest zum Teil.
Das Land sagte zu den Klägern vom Neckartor: „Der Vergleich war vor Gericht notwendig, sonst wäre es schlimmer gekommen.“ Um dann nachzuschieben: „der Anspruch auf Unversehrtheit des Körpers ist ein Verfassungsgut“. Entsprechend müsse man die gesundheitlichen Aspekte sehr ernst nehmen.
Zur bevorstehenden Klage äußerte der Vertreter des Landesverkehrsministeriums: „weil wir Angst davor haben, dass ein Richter Verkehrsbeschränkungen verhängt“. Woher kommt die Angst? Es ist das Resultat von 17 Jahren Untätigkeit. So lange sind die Grenzwerte bekannt, genau so lange haben Land und Stadt dies ignoriert – zu Lasten aller, welche die Stuttgarter Luft einatmen.
Unsere Forderungen reichen bis ins Jahr 2005 zurück:
Eine Nahverkehrsabgabe, eine Straßennutzungsabgabe
Emissionsabhängige Verkehrssteuerung durch ein Verkehrsleitsystem
Erhöhung der Parkgebühren in der Innenstadt auf 5 Euro pro Stunde
Reduzierung von Parkraum in der Innenstadt
Tempo 40 auf Bundesstraßen im Stadtgebiet
Schritttempo in Wohngebieten
Massiver Ausbau des ÖPNV,
Mehr Fahrradwege,
Mehr Fußwege.
Bei all dem wurde im Gemeinderat nur von unserer Fraktion angesprochen: es geht um die öffentliche Gesundheit, um Menschenleben, Lebensqualität.
So lange im Rat darüber diskutiert wird, wie die Grenzwerte möglichst wirtschaftsfreundlich eingehalten werden, ändert sich auch am Problem nichts. Dann müsse Gerichte dafür sorgen, was Aufgabe der Politik ist: Die körperliche Unversehrtheit der Menschen steht immer über den wirtschaftlichen Interessen. Dies scheint bislang weder bei der Mehrheit des Gemeinderats noch im Landesverkehrsministerium angekommen zu sein.