Stuttgart ist die deutsche Großstadt, mit dem höchsten Starkregen-Risiko. Die jüngsten Überschwemmungen nach Unwettern in der Region haben gezeigt, dass ein tragfähiges Konzept für die Entwässerung der Landeshauptstadt bei Hochwasser dringend notwendig ist. Durch die Kessellage ist die Innenstadt besonders gefährdet bei Starkregen; die Arnulf-Klett-Passage und die darunter liegenden Anlagen der U- und S-Bahn sind logischerweise einem noch höheren Überschwemmungsrisiko ausgesetzt.
In unmittelbarer Nähe der Klett-Passage liegt auch die Stuttgart 21-Baustelle, die nochmals tiefer liegt und deren Gefährdung durch plötzlich steigende Wasserstände zumindest unklar ist. Mit ihrer Anfrage Nr. 201/2016 haben die Grünen zwar eine Forderung gestellt, eine Darstellung des Alarm- und Einsatzplans bei örtlichem Hochwasser und Starkregen zu erstellen, klammern aber die Frage des Hochwasserschutzes für den neuen Bahnhof aus.
Fundierte Berechnungen legen den Verdacht nahe, dass das Überschwemmungsrisiko für den künftigen Hauptbahnhof und die Klett-Passage deutlich erhöht ist. Daher fragt die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS, wie genau der künftige Hauptbahnhof vor Hochwasser und Starkregen geschützt werden soll.
Bemerkenswert ist, dass noch in den 1930-er Jahren eine Abflussleistung von 128 Kubikmetern Wasser pro Sekunde für notwendig erachtet wurde. Im Jahr 2016 hält die Stadt Stuttgart aber offenbar rund 100 Kubikmeter für ausreichend. Durch die Klimaerwärmung ist das Risiko von Starkregen im Laufe der Jahre gestiegen. Im Vergleich zum Jahr 1930 gibt es im Stadtgebiet immer weniger Freiflächen, die bei Regen Wasser aufnehmen können. Somit müsste die Abflussleistung im Vergleich zum Jahr 1930 nicht verringert, sondern deutlich erhöht werden. Diese Ungereimtheit gilt es mit der Anfrage der Fraktionsgemeinschaft zu klären.
„Wir nehmen die Verwaltung in die Pflicht, klare Aussagen zur Gefährdungslage durch Hochwasser und Starkregen zu treffen und einen effektiven Schutz zu installieren“, begründet Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender von SÖS-LINKE-PluS die detaillierte Anfrage.
Einen weiteren Widerspruch gilt es aufzuklären: die Stadt Stuttgart weist für das Stadtzentrum keine Überschwemmungsgebiete aus. Das Eisenbahn-Bundesamt führt in der Genehmigung für Stuttgart 21 aber an, dass der Mittlere Schlossgarten im Fall der Fälle überflutet wird. „Hier besteht dringender Klärungsbedarf. Dies zeigt wieder einmal, dass das Projekt Stuttgart 21 nicht zu Ende gedacht wurde. Ähnlich wie beim Brandschutz scheint auch der Hochwasserschutz zumindest lückenhaft, wenn nicht gar stümperhaft zu sein. Bei der Sicherheit für die Menschen darf es keine Kompromisse geben“, fasst Hannes Rockenbauch die Kritik an dem fehlenden Hochwasserkonzept zusammen.
Im Rahmen der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 verzichtete die Deutsche Bahn auf Untersuchungen zu bisherigen Hochwasserereignissen auf dem Gelände. „Dies ist auf Grund der Lage des Tiefbahnhofs völlig unverständlich“, kritisiert Fraktionssprecher Thomas Adler das Verhalten der Bahn. „Wenn schon die Bahn so nachlässig mit der Hochwassergefährdung umgeht, dann muss wenigstens die Stadt eigene Untersuchungen vornehmen und Maßnahmen ergreifen, um die Bevölkerung zu schützen“, betont Adler.
Mit dem vierseitigen Antrag fragt die Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS umfassend zur Hochwassergefährdung. Zudem wird die Verwaltung mit bestehenden Widersprüchen konfrontiert. Die Anfrage besteht aus 44, teils sehr technischen Fragen. Ziel ist es, mit den angeforderten Antworten und Daten ein umfassendes Bild zur tatsächlichen Überschwemmungsgefahr durch Hochwasser und Starkregen zu bekommen und auf dieser Grundlage Maßnahmen zu ergreifen, um einen effektiven Schutz vor Hochwasser zu gewährleisten.