Wohnungsmarkt in Zuffenhausen
Von Bernd Zeyer 18. Mai 2016 – 08:00 Uhr
Bei einer Mieterversammlung wird die Informationspolitik der SWSG sowie deren Umgang mit ihren Mietern kritisiert. Dabei fallen auch harsche Worte.
Zuffenhausen – Hoch her ging es am Mittwochabend zeitweise in der Zehntscheuer. Die Mieterinitiativen Stuttgart und die Bezirksbeiratsfraktion SÖS/Linke/Plus hatten Bürger eingeladen, deren Wohnungen vom Abriss bedroht sind. Einige Mieter machten ihrem Ärger dabei lauthals Luft, der Unmut richtete sich vor allem gegen die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG), von der Eduard Schilling, der Leiter des Kundencenters Nord, zur Veranstaltung gekommen war.
„Ich kann wegen Ihnen nicht schlafen“, sagte ein älterer Herr in Richtung Schilling und nahm noch ganz andere, bedrohliche Worte in den Mund, in denen von „Kalaschnikows“ und „schwarzen Kisten“ die Rede war, die auf dem Neckar treiben. Ebenfalls erbost zeigte sich ein anderer Mieter: „Wir werden behandelt wie Tiere.“ Weitere Veranstaltungsteilnehmer sparten ebenfalls nicht mit Kritik, schalteten verbal aber deutlich zurück. Angeprangert wurden vor allem die Informationspolitik der SWSG sowie deren Umgang mit ihren Mietern. „Es geht immer nur um den schnöden Mammon“, sagte eine Dame und erhielt viel Applaus von den gut 50 Anwesenden.
Bereits vor dem Start des Diskussionsteils waren die Vortragenden hart ins Gericht mit der Stadt, der SWSG, der Baugenossenschaft Zuffenhausen (BGZ) und der Baugenossenschaft Neues Heim gegangen. „Die Wohnungssituation in Stuttgart spitzt sich dramatisch zu“, sagte Ursel Beck von den Mieterinitiativen Stuttgart. Für Geringverdiener und Rentner gebe es immer weniger bezahlbaren Wohnraum. 2015 seien in ganz Stuttgart nur 62 neue Sozialwohnungen gebaut worden. Tausende Wohnungen wiederum stünden leer und dienten den Eigentümern als Spekulationsobjekte. Immer mehr günstiger Wohnraum falle der Abrissbirne zum Opfer.
„Wir müssen den Abrisswahn stoppen“
„Wir müssen den Abrisswahn stoppen“ sagte Horst Fleischmann aus dem Mieterbeirat der SWSG und präsentierte konkrete Zahlen. Insgesamt 271 günstige Wohneinheiten würden allein in Zuffenhausen wegfallen, wenn die Pläne von SWSG, BGZ und BG Neues Heim umgesetzt werden würden. Neben der Keltersiedlung, wo die SWSG an der Künzelsauer, der Langenburger, der Schöntaler und der Stuppacher Straße 105 Wohneinheiten abreißen und durch Neubauten ersetzen wolle, sei auch die Fürfelder Straße mit 40 Wohnungen betroffen. Zudem wolle die BGZ in der so genannten Kommunistensiedlung (Wimpfener, Stammheimer und Heimstättenstraße) 66 Wohnungen abreißen, weitere 60 Wohneinheiten fielen an der Fleiner Straße (Baugenossenschaft Neues Heim) weg. „Die Menschen werden einfach verpflanzt“, sagte Fleischmann. Viele Mieter hätten jahrzehntelang dort gewohnt, jetzt müssten sie ihre angestammte Heimat verlassen. Doch nicht nur das: Die Altbauten würden durch neue Häuser ersetzt, in denen die Mieten deutlich teurer würden, sich zum Teil sogar fast verdoppeln würden. Stuttgarts OB Kuhn habe versprochen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, daran müsse man ihn erinnern. „Geht zum Bezirksbeirat und macht Druck“, riet Fleischmann den Betroffenen. Schuld an der Misere trage auch der Erste Bürgermeister Michael Föll, der sich ein anderes Klientel in den SWSG-Wohnungen wünsche.
Susanne Bödecker aus der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke/Plus des Bezirksbeirats erläuterte, man hätte als beratendes Gremium nur wenig Möglichkeiten, etwas zu unternehmen. Oft werde man vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Beirat könne aber Anstöße geben. „Die Mieter müssen etwas auf die Füße stellen, dann wird der Druck groß“, sagte Bödecker. Wohnen dürfe nicht zum Luxus werden und müsse für jede Einkommensschicht bezahlbar sein.
„Wir fordern ein Umsteuern bei der SWSG“, sagte Thomas Adler, die Gesellschaft müsse mehr bezahlbaren Wohnraum bieten. Adler sitzt für SÖS/Linke/Plus im Gemeinderat und ist auch einer der SWSG-Aufsichtsräte. Die Abrisspolitik sei empörend, nicht zuletzt deshalb, weil viele der jetzigen Abrissgebäude früher mit öffentlichen Geldern gebaut worden seien. Rein finanziell gesehen könne man für jede abgerissene Wohnung drei sanieren – allerdings lasse sich damit nicht so viel verdienen. Was die SWSG-Planungen für die Keltersiedlung angehe, so müsse erst der Bebauungsplan geändert werden, die Mieter hätten also noch Zeit, sich zu organisieren.
SWSG-Vertreter Eduard Schilling ergriff nur kurz das Wort. Er räumte ein, dass die Diskussion ihn sehr bewegt habe und er Verständnis für die Anliegen der Mieter aufbringe. „Bitte keine Drohungen und Beleidigungen“, sagte Schilling. Man müsse die sachliche Ebene suchen. Hinter jedem SWSG-Mitarbeiter stecke ein Mensch.