Rücknahme des Gemeinderatsbeschlusses zum 4. Bürgerbegehren gegen S21

Die Gemeinderatsentscheidung vom 2.7.2015 zur rechtlichen Unzulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens gegen S 21 beruht auf unrichtigen und unvollständigen Angaben, entscheidungserhebliche Informationen wurden unberücksichtigt gelassen. Die Kritik an dieser Gemeinderatsentscheidung seitens der Vertrauensleute ist substantiell, sie wird durch Herrn Dr. Christoph Engelhardt detailliert mit Aussagen und Dokumenten der Bahn und ihrer Gutachter belegt sowie mit Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH), siehe die Begründung unten.

Beispielsweise argumentierte Herr Professor Kirchberg in der Aussprache im Gemeinderat und im Gutachten mit der vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigten Kapazität des Tiefbahnhofs von 32 Zügen pro Stunde und hat dabei übersehen, dass das den Verdacht des Leistungsrückbaus bestätigt, angesichts der mehr als 38 Züge, die heute vom Kopfbahnhof pro Stunde bewältigt werden. Ist 32 nicht weniger als 38?

Darüber hinaus wurde bspw. die Unterdimensionierung der Fußgängeranlagen übergangen und damit eine Hälfte der Begründung des Leistungsrückbaus gar nicht behandelt. Zahlreiche unrichtige Aussagen im Gutachten lassen bezweifeln, ob sich der Gutachter mit den von ihm zitierten Dokumenten und Vorgängen überhaupt auseinandergesetzt hat.

Aufgrund dieser Fehler in der Argumentation sowie weiteren rechtsfehlerhaften Wertungen im Gutachten von Professor Kirchberg, aufgrund der unzutreffenden Tatsachenbehauptungen in der Beschlussvorlage der Stadt wie auch in der Aussprache im Gemeinderat am 2.7.2015 sowie dem darauf basierendem Bescheid an die Vertrauensleute, beantragen wir folgendes:

  1. Die Rücknahme der Entscheidung des Gemeinderats vom 2.7.15 über die rechtliche Unzulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens (Stichwort: Leistungsrückbau), da Entscheidung und Bescheid auf unrichtigen und unvollständigen Angaben beruhten nach § 48 Abs. 2 Ziffer 2 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG BW).
  2. Eine erneute Prüfung der Zulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens auf Basis qualifizierter und neutraler Gutachter.
  3. Die Anhörung der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens und ihres Experten Dr. Christoph Engelhardt im Gemeinderat mit anschließender Aussprache vor einer erneuten Entscheidung.

Die Fehler in dem Verfahren und insbesondere in dem Gutachten von Prof. Kirchberg erreichen ein Ausmaß, dass ihr Zustandekommen aufzuklären und die Vergütung des Gutachtens von Prof. Kirchberg zu prüfen ist. Es wird daher beantragt:

  1. Die Einsichtnahme in alle mit dem Vorgang verbundenen Dokumente einschließlich Emails nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Zum UIG: In der Planfeststellung von Stuttgart 21 wurde der „überragenden Verkehrsbedeutung“ des Projekts S21 Vorrang vor Natur- und Landschaftsschutz gewährt. Insofern ist diese Fragestellung bzw. der vermeintliche Gegenbeweis der Stadt zu der im 4. BB massiv in Frage gestellten Leistungsfähigkeit des Bahnhofs eine Frage nach UIG.
  2. Die Nennung der Ansprechpartner und Organisationen, die in die Bewertung des 4. Bürgerbegehrens durch die Stadt und Gutachter Kirchberg eingebunden waren, sei es auch nur im fernmündlichen und persönlichen Gespräch.
  3. Die Veröffentlichung der Protokolle zu den Aussprachen zum 3. und 4. Bürgerbegehren vom 1.7.2015 im Verwaltungsausschuss und vom 2.7.2015 im Gemeinderat auf den öffentlichen Seiten der Stadtverwaltung (http://www.stuttgart.de/external/show/ratsdokumente), da für die mehr als 40.000 Unterzeichner dieser Bürgerbegehren die Vorgänge transparent dargestellt werden sollten.
  4. Eine eingehende Stellungnahme der Stadt Stuttgart zur Beschwerde der Vertrauensleute mit der Begründung vom 06.10.2015, insbesondere zu den zahlreichen Kritikpunkten der Zusammenstellungen von Dr. Engelhardt.
  5. Eine schriftliche Stellungnahme des Gutachters Prof. Christian Kirchberg, zu den ihm vorgeworfenen Mängeln in seinem Gutachten. Die Stellungnahme wird auf den Internet-Seiten der Stadt in gleicher Weise veröffentlicht wie sein Gutachten.
  6. Prof. Kirchberg wird darüber hinaus anschließend in öffentlicher Sitzung befragt, wozu die Gemeinderatsfraktionen Fachleute ihrer Wahl einbringen können.
  7. In dem Fall, dass mehrere der Argumente von Prof. Kirchberg sich als unrichtig bzw. unvollständig erweisen, wird die dann nicht mehr gerechtfertigte Vergütung des Gutachtens aus Verpflichtung zur sparsamen Haushaltsführung zurückgefordert.

Dieser Vorgang hat deutlich gemacht, welche grundlegenden Fragen zur Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 noch offen sind. Diese Punkte sind für Gemeinderat und Bevölkerung aufzuklären. Es wird daher beantragt:

  1. Der von der Fraktion der SPD und Bündnis 90/Die Grünen schon avisierte Faktencheck zur Leistungsfähigkeit, zu dem sich auch die Bahn schon bereit erklärte (St.Z. 10.08.2015), wird nach Mehrheitsbeschluss im Auftrag des gesamten Gemeinderats bzw. des UTA durchgeführt. Ein direkter Austausch von Argumenten der Kritiker und der Bahn zur Klärung der Sachfragen wird durchgeführt. Zur Vermeidung einer Show- oder Schauveranstaltung und zur Gewährleistung einer effizienten Aufklärung der Sachfragen findet die Moderation durch einen erfahrenen und unabhängigen Gruppen-Moderator statt. Eine Video-Aufzeichnung und -Übertragung dient allein der Dokumentation und Information der Öffentlichkeit.

Begründung:

Die Beschwerdebegründung der Vertrauensleute fasst die Kritik zusammen:

http://wikireal.org/w/images/e/e3/2015-10-06_Anschreiben_Beschwerdebegruendung_4._BB.pdf

In den dort referenzierten Dokumenten von Dr. Christoph Engelhardt sind die Kritikpunkte detailliert aufgeführt und mit Belegen versehen. Wir verweisen auf die in diesen Stellungnahmen aufgeführten Argumente, die dem hier vorliegenden Antrag von SÖS-LINKE-PluS zugrunde liegen.

Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS