Am 21. November 2014 hat unsere Fraktionsgemeinschaft den Antrag „Krankenkassenkarten für Flüchtlinge“ gestellt (Nr. 362/2014). Darin haben wir beantragt, die Stadt möge mit in Frage kommenden Krankenkassen in Kontakt treten, um über die Einführung von Gesundheitskarten für Flüchtlinge in Stuttgart zu verhandeln. Mit einer solchen Gesundheitskarte würde es ihnen endlich möglich sein, eigenständig und diskriminierungsfrei zum Arzt zu gehen. Die bisherige gängige Praxis, nach der ein Asylbewerber vor jedem Arztbesuch eine Genehmigung des Sozialamtes benötigt, ist für einen kranken Menschen eine zusätzliche Belastung und eine Ungleichbehandlung für die Geflüchteten. Zudem entsteht dabei enormer, unnötiger Verwaltungsaufwand für Ärzt_innen, Ämter und Sozialarbeiter_innen.
Die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben bereits vor Jahren Gesundheitskarten für Asylbewerber_innen eingeführt. Diesen Monat wurde auch bekannt, dass die Kommune Bonn ab 2016 Gesundheitskarten an Geflüchtete ausgibt. Die Stadt nimmt dafür am Landesbekundungsverfahren teil. Das Land NRW hat der Kommune eine Krankenkasse vermittelt, mit der entsprechende Verträge abgeschlossen wurden.
Auf unseren Antrag aus dem November antworte die Stadtverwaltung am 16. Februar 2015, sie unterstütze den politischen Vorstoß einiger Länder zur Einführung der Karten, es werde jedoch eine landesweite Regelung benötigt, der Städtetag Baden-Württemberg werde kontaktiert. Nun sind zehn Monate vergangen und noch immer sind in Stuttgart keine Gesundheitskarten für Flüchtlinge in Sicht. Die Landesregierung will zuvor eine bundesweite Gesetzesänderung.
Die Stadt Stuttgart wartet also auf das Land, das Land wartet auf den Bund. Und aus Andrea Nahles´ Sozialministerium ist nichts zu hören von einer Bereitschaft zur kurzzeitigen Einführung der Karten. Dabei fragen wir uns: Weshalb braucht Baden-Württemberg überhaupt eine bundesweite Gesetzesänderung, wenn es in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen bereits Gesundheitskarten gibt? Und weshalb braucht die Stadt Stuttgart das Land, wenn doch auch die Kommune Bonn die Karten bereits eigenständig einführen konnte?
Der Gemeinderat Stuttgart kann jetzt ein klares Bekenntnis setzen, indem er sich bereit erklärt, eigenständig einzuspringen, sollten sich die Bemühungen des Landes noch weiter hinziehen. Denn die Flüchtlinge brauchen so schnell wie möglich eine gute, respektvolle Versorgung, und unsere Ämter und Sozialarbeiter_innen sind bereits jetzt in hohem Maße überlastet.
Die Bonner Dezernentin Angelika Maria Wahrheit (SPD) begründete das Engagement ihrer Stadt mit den Worten: „Ich bin froh über diese vernünftige Entscheidung. Einige Kommunen müssen diesen Schritt vormachen, um den Druck auf den Bund zu erhöhen.“ (General-Anzeiger Bonn: Asylbewerber in Bonn bekommen Gesundheitskarte, 4.9.2015) Neben Bonn haben sich auch die Stadt Rostock und die Kreisstadt Steinfurth (NRW) für eine kommunale Einführung der Karten ausgesprochen. Der finanzielle Aufwand ist die Kommunen überschaubar, in Bonn belaufen sich die Kosten auf 150.000 Euro.
Wir beantragen:
Sollte bis Ende des Jahres noch immer nicht beschlossen sein, dass Gesundheitskarten für Geflüchtete mit einer Bundes- oder durch eine Landesregelung eingeführt werden, dann übernimmt die Stadt Stuttgart die Verantwortung für die Einführung, was heißt:
1. Die Stadtverwaltung überprüft die Voraussetzungen, um für Asylbewerber_innen in Stuttgart Gesundheitskarten einzuführen.
2. Die Stadtverwaltung tritt in Verhandlung mit denkbaren gesetzlichen Krankenkassen und klärt die Konditionen für Verträge zur Einführung der Krankenkassen-Karten ab.
3. Die Stadt übernimmt die Kosten und führt Gesundheitskarten für Geflüchtete ein.
Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS