Anwendung und Bewertung des Vorkaufsrechts in Stuttgart

Wir fragen und bitten um schriftliche Beantwortung: 

  1. Wie oft wurde in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, das städtische Vorkaufsrecht ausgeübt?
  2. Wie viele Wohneinheiten wurden über das Vorkaufsrecht zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, von der Stadt Stuttgart oder einer ihrer Beteiligungen gekauft?
  3. Auf welcher Rechtsgrundlage wurde in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, das städtische Vorkaufsrecht ausgeübt?
  4. Wurden bereits Grundstücke, nach der Ausübung des Vorkaufsrechts seit 2001, nicht innerhalb einer angemessenen Frist ihrem mit Ausübung des Vorkaufsrechts verfolgten Zweck zugeführt. Wenn ja, musste der:m Verkäufer:in ein Ausgleichsbeitrag gezahlt werden? Wenn ja: in welcher Höhe?
  5. Wie oft wurde in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, das städtische Vorkaufsrecht nicht ausgeübt?
  6. Wie viele der über das städtische Vorkaufsrecht gekauften Grundstücke, wurden in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, wiederverkauft?
  7. Welche Gründe gab es jeweils für die Nichtausübung des Vorkaufsrechts?
  8. Wenn das Vorkaufsrecht aufgrund von zu hohen Preisen nicht ausgeübt wurde, wie hoch waren diese über dem Verkehrswert?
  9. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Verwaltung für ein kommunales preislimitiertes Vorkaufsrecht?
  10. Wie viele Wohneinheiten wurden über Abwendungsvereinbarung zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, vor Veränderungen gesichert?
  11. Wenn eine Abwendungsvereinbarung getroffen wurde, wie und wann wird geprüft, ob die Vereinbarungen auch eingehalten wurden?
  12. Wie oft wurde in dem Zeitraum zwischen 2001 und 2021, aufgeschlüsselt nach Jahren, die Vereinbarungen eine Abwendungsvereinbarung nicht eingehalten?
  13. Welche Auswirkungen wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum kommunalen Vorkaufsrecht auf die Entscheidungen in Stuttgart bzgl. Vorkaufrechten haben?
  14. Wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Auswirkung auf den neuen Grundsatz der Bodenpolitik auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes haben? Wenn ja, welche?

 Begründung:

Der Mangel an kommunalem, leistbarem Mietwohnraum steigt von Jahr zu Jahr, auch hat die Landeshauptstadt Stuttgart sich mit dem Grundsatz Bodenpolitik dazu bekannt, den kommunalen Immobilienbestand konstant zu erhöhen.

Im mehrheitlich vom Gemeinderat gefassten Zielbeschluss vom Oktober 2017 heißt es, „(…) dass die Stadt Stuttgart – durch geeignete Maßnahmen wie die Ausübung von bestehenden Vorkaufsrechten, Schaffung neuer Vorkaufsrechte durch Milieuschutzsatzungen, Kaufverhandlungen mit privaten Eigentümern – dafür sorgt, dass der kommunale Bestand an Wohnungen und Flächen deutlich erhöht wird (…)“ (Interfraktioneller Antrag Nr. 293/2017). Auch in dem neu gefassten Grundsatzbeschluss zur Neuausrichtung der städtischen Bodenpolitik heißt es: „Die Stadt verfolgt durch den strategisch geleiteten Erwerb von Flächen eine generationenübergreifend wirksame aktive Bodenpolitik.“ (GRDrs 146/2021Neufassung)

Aufgrund dieser Beschlüsse sollte die Verwaltungsspitze alle Vorkaufsrechte ziehen. Dies gebietet auch der Schutz der Mieterinnen und Mieter vor Umwandlungen von Mietwohnraum in Eigentumswohnungen und Luxussanierungen.

Der Mangel an kommunalem, leistbarem Mietwohnraum nimmt inzwischen groteske Züge an. Um fast 48 Prozent haben sich die Mieten seit dem Jahr 2009 verteuert, bei Neuvermietungen sogar um 72 Prozent! Wohnen ist Menschenrecht und wir stehen in der Pflicht, das Ausbluten der Stuttgarter:innen für Wohnraum zugunsten von Investor:innen zu beenden, sowie endlich einen ausreichenden Bestand an Sozialwohnungen und Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher:innen sicherzustellen. Hier zeigt es sich in der Altersgruppe der über 65-Jährigen, dass der Anteil der Mietbelastungsquote bei 47 Prozent ist und bei den alleinstehenden älteren Frauen sogar bei 53 Prozent.

Deswegen ist auch die Ausübung der Vorkaufsrechte ein dringend benötigtes Mittel, um leistbaren Wohnraum zu erhalten. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. November 2021 ist die Ausübung des kommunalen Vorkaufsrechts praktisch nutzlos geworden. Als Folge ist das kommunalen Vorkaufsrecht nicht mehr in Fällen der Annahme „erhaltungswidriger Nutzungsabsichten“ anwendbar, sondern lediglich bei vorliegenden baulichen Mängeln oder Missständen. Die Nutzung des Vorkaufsrechtes war bislang eines der wichtigsten kommunalen Instrumente für den Mieter*innenschutz. In München konnten damit in 20 Jahren die Bewohner*innen von mehr als 10.000 Wohnungen durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes oder durch eine Abwendungserklärung vor Verdrängung geschützt werden.