Wer die Straßen nutzt, der zahlt! Diese Regel gilt in Stuttgart seit dem Jahr 1968. Wer jetzt glaubt, die sei ein Scherz, liegt falsch. Die Autofahrer:innen sind damit nicht gemeint, sondern Bus und Bahn. Am 23. Dezember 1968 hatte sich die Stadtverwaltung per Vertrag das Recht rausgenommen, der Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB), jedes Jahr drei Prozent ihrer Fahrgeldeinnahmen abzuknöpfen. Man kann das Citymaut nennen, Straßenbenutzungsgebühr, Schlechterstellung des ÖPNV gegenüber allen anderen Verkehrsmitteln – oder eben ein Bekenntnis zum Auto.
Im Jahr 1995 beschloss der Gemeinderat, dass die „SSB fortan nur das jeweils steuerlich höchstzulässige Straßenbenutzungsentgelt zu bezahlen habe“. Es geht hier um Beträge von jährlich rund 718 000 Euro. Mit anderen Worten: diejenigen, die sich einen Fahrschein gekauft haben, müssen drei Prozent davon direkt an die Stadt abtreten. Für die Jahre 1997 und 1998 waren es dann nur noch je rund 614 000 Euro, welche die Stadt der SSB aus der Tasche zog.
Das Bundesfinanzministerium entschied 1998: Das Straßenbenutzungsentgelt könne von bisher drei Prozent der Ticketeinnahmen wurde auf neun Prozent verdreifacht werden. Der Stuttgarter Gemeinderat ließ sich nicht lange bitten: Am 10. Dezember 1998 wurde auf neun Prozent erhöht – einstimmig. Fortan sprudelten jährlich rund 4,6 Millionen Euro in die städtischen Kassen – wen wundern die hohen Preise im Stuttgarter ÖPNV?
Im Juli 2016 folgte ein weiterer Akt der Schamlosigkeit: Eine Niederschlagswasser-Gebühr für die SSB hatte sich der Finanzbürgermeister auch noch einfallen lassen.
Wer den ÖPNV fördern will, muss die Zwangsabgabe ersatzlos streichen – die Chance dafür wurde im Doppelhaushalt erneut verpasst. Wir bleiben dran!