Sharing-Netzwerk „Stuttgart fairteilt“

Wir beantragen:

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, ein nicht-kommerzielles Stuttgarter Sharing-Netzwerk für
  2. a) Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens und
  3. b) persönliche Fähigkeiten aufzubauen.

Bereits bestehende Sharing-Projekte sind in den Aufbau des Stuttgarter Sharing-Netzwerks in geeigneter Weise einzubinden.

Als konkrete erste Maßnahme ist die kostenlose Bereitstellung selbsthaftender Briefkasten-Piktogramme an alle Haushalte und die Einbettung der Sharing-Angebote in eine bestehende oder neu zu schaffende digitale Sharing-Plattform umzusetzen.

In diesem Zusammenhang wird eine ideelle Partnerschaft mit dem Schweizer Verein „Pumpipumpe“ geprüft.

  1. Zur Finanzierung und Betreuung des Sharing-Netzwerks werden Mittel aus dem Aktionsprogramm Klimaschutz bereitgestellt.

Begründung:

 Ein stetig wachsender Stoffstrom aus Gütern bewegt sich Jahr für Jahr durch unsere Stadt: Berge an Restmüll werden täglich zu den Heizkraftwerken angefahren. Die Konsequenzen des Massenkonsums sind nicht lokal begrenzt, sondern global: schwimmende Plastikmüllinseln vor den Küsten, die sich zuspitzende Klimakatastrophe, die Umweltzerstörung durch den Raubbau an endlichen Rohstoffen. Jeder zweite bewaffnete Konflikt auf der Erde ist ein Ressourcenkonflikt[1]. Die Konsumgesellschaft führt zu einem immensen ökologischen Rucksack und schädigt irreparabel den Planeten.

Ein Beispiel: Die tatsächliche Nutzungsdauer einer Bohrmaschine im privaten Haushalt über die Produktlebenszeit hinweg beträgt ca. 11 Minuten[2]. Im Jahr 2019 besaßen in der deutschsprachigen Bevölkerung rund 49,46 Millionen Personen eine Heimwerker- oder Bohrmaschine im eigenen Haushalt[3]. Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie unsinnig es ist, Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens in Privathaushalten anzuhäufen. Denn wie viele Bohrmaschinen, Werkzeugkoffer, Kabeltrommeln, Leitern, Rasenmäher, Zelte, Nähmaschinen, Grills, Raclettes, und Teleskope (etc.) benötigt ein Mehrfamilienhaus oder gar eine ganze Straße?

Die Idee der 2012 gegründeten schweizerischen Nonprofit-Organisation „Pumpipumpe“ ist simpel: teilen statt konsumieren. Mittels kleiner Aufkleber (Abbildung 1) am eigenen Briefkasten kann der Nachbarschaft signalisiert werden, ob ein Gebrauchsgegenstand zum Verleih bereitgestellt wird. Als Ergänzung zu den Aufklebern gibt es eine digitale Karte (Abbildung 2), in die freiwillig inseriert werden kann. Knapp 180 Haushalte in Stuttgart beteiligen sich bereits an diesem Projekt. Durch eine Kooperation mit der bestehenden digitalen Infrastruktur von „Pumpipumpe“, könnte diese Sharing-Kampagne ohne erheblichen Verwaltungsaufwand schnell und mit geringem Aufwand umgesetzt werden. Alternativ könnte die Stadt ein eigenes Sharing-Netzwerk etablieren, als lokale Marke, und die Idee von „Pumpipumpe“ adaptieren bzw. weiterentwickeln. So könnte beispielsweise auch das Sharing von Wissen und individuellen Fähigkeiten ein Thema sein: Gemeinsames Plätzchenbacken zu Weihnachten, das Bedienen einer Nähmaschine erlernen, die Reparatur eines geplatzten Fahrradreifens durchführen, Hilfestellung geben bei der Steuererklärung, einer Bewerbung oder bei Behördengängen, oder den Hund auszuführen.

Ein Ökosystem an Sharing-Initiativen besteht bereits heute in Stuttgart. Zahlreiche Vorreiterorganisationen betreiben Foodsharing, wie die „Fair-Teiler“, und bewahren so Lebensmittel vor dem Wegwurf. Die Plattform „Nebenan.de“ versucht, nachbarschaftliche Netzwerke aufzubauen, indem in einem eingegrenzten Radius ehrenamtliche Dienste wie eine Einkaufshilfe aber auch die nicht mehr gebrauchte Waschmaschine (meist) zum Verschenken angeboten werden. Ihr Know-How gilt es von Beginn an in das Netzwerk einzubinden.

Revolutionen fangen im Kleinen an. Sharing ist ein Baustein, um den überbordenden Ressourcenrucksack unserer Gesellschaft zu senken, aktiv das Klima zu schützen und niederschwellig Eigeninitiative zu fördern. Der Vorteil von Sharing liegt nicht nur in der Förderung der Suffizienz, sondern auch im Community-Building. Es fördert die Kommunikation in den vielfältigen Nachbarschaften, wirkt Vereinsamung entgegen und hilft Fähigkeiten für alle auf freiwilliger Basis für das Gemeinwohl verfügbar zu machen. Sharing hat folglich eine starke sozialpolitische Komponente, der besonderes Gewicht zukommt, angesichts des prognostizierten Anstiegs der Single-Haushalte von heute 50 Prozent auf künftig bis zu 70 Prozent. Sharing stärkt Nachbarschaften, baut Vertrauen auf und gibt Menschen die Möglichkeit, Erlerntes weiterzugeben.

[1] https://www.bpb.de

[2] Schweizerische Eidgenossenschaft, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 12.3777 «Optimierung der Lebens- und Nutzungsdauer von Produkten» der Grünen Fraktion vom 25. September 2012

[3] https://www.vuma.de/vuma-praxis/vuma-berichtsband