AfD – Angstmacher für Deutschlands Spaltung – von Guntrun Müller-Enßlin

Guntrun Müller-Enßlin, Pfarrerin i.R., SÖS-Stadträtin, sah sich ein AfD-Wahlvideo an. Über diese offen rassistische Propaganda sei sie geschockt. „Es gruselte mir“, sagte sie unserer Redaktion und schrieb ihre Eindrücke und Gefühle nieder. Sie empfiehlt allen, die die AfD immer noch für eine normale Oppositionspartei halten, dieses Video anzuschauen. Sie schreibt:

Ein Witz, den man sich in der Zeit des Nationalsozialismus hinter vorgehaltener Hand erzählte, ging so: „Wie soll der deutsche Arier sein?“ „Blond wie Hitler, groß wie Goebbels, schlank wie Göring.“ An diesen Witz musste ich denken, als ich vor kurzem auf ein Video der AfD stieß, mit dem sie bei der Landtagswahl in Brandenburg auf Stimmenfang ging.

Ein blonder Jüngling mit markanten Wangen, griechischer Nase und dominantem Kinn, der Idealtypus des deutschen Ariers im Nationalsozialismus. Dazu die Stimme: „Du entscheidest!“

Ein belebter Platz mit bunten Marktständen, gleich darauf ein finsterer nächtlicher Ort, auf dem sich noch finsterere Gestalten tummeln. Dazu heißt es: „Du entscheidest – ob die Ortsmitte deiner Heimatstadt einen Wochenmarkt behält oder einen Drogenmarkt bekommt.“

Botschaft der Bildsequenz im AfD-Video: Deutscher Arier, sei wachsam, eingeschleuste Drogendealer bedrohen dich. Der deutsche Wochenmarkt wird geflutet von Burkafrauen, deren Kinder unsere Stadt okkupieren werden.

Ein blonder Junge, der von zwei größeren Jungen mit dunkler Hautfarbe bedrängt wird. „Du entscheidest, ob Züge wieder pünktlich fahren oder der Bahnhof zum Tatort wird“, sagt die Stimme. Und so geht es weiter.

„Du entscheidest, ob Eltern ihre Kinder morgens mit gutem Gewissen zur Schule schicken können, oder ob die Angst vor Gewalt auf dem Schulhof schlaflose Nächte bringt. Ob dein Geld in deine Zukunft investiert wird oder in die Zukunft von Fremden. Ob es sanierte Schulen und Kitas gibt oder neue Asylheime.“

Dazu Illustrationen, immer nach dem gleichen Muster. Hier das nette kleine blonde Mädel, das auf seinem Schulweg nicht sicher sein kann, dort die finster dreinblickenden jungen Männer, allesamt People of Colour, die Schlimmes im Schilde führen, oder ein Heer von Frauen in Burkas mit Augenschlitzen, die auf furchterregende Weise eine Straße vereinnahmen.

Botschaft der Bildsequenz im AfD-Video: Sichere und pünktliche Bahnhöfe, bedroht von dunklen Gestalten. Statt Kindergärten für blonde deutsche Kinder werden Asylantenheime gebaut.

Ein auf die Spitze getriebener Scherz aus der Satiresendung Extra3 oder der Heute Show? Leider nicht. „Du entscheidest“, heißt es am Schluss des Videos, „ob es eine Wende gibt. Entscheide dich am 22. September für die AFD.“
Ein indirekter rassistischer Aufruf zur Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten

Ein unfassbar gruseliger mit künstlicher Intelligenz „ersonnener“ Werbespot der deutschen Ultrarechten also, nicht nur aufgrund seines allzu simplen undifferenzierten Entweder-Oder-Schemas; sondern weil er zur Illustration der Alternativen völlig ungeniert in die Kiste der nazistischen Ariertypologie greift und dem deutschen Arier den vermeintlichen bösen (farbigen, fremden) Untermenschen entgegensetzt. Ein Setting, von dem man meinte, es ein für allemal in den Orkus der Geschichte verbannt zu haben, und das einen schaudern lässt.

Wie der anfangs zitierte Witz zeigt, war es für deutsche Normalbürger bereits im Nationalsozialismus nicht allzu schwer, die bis in körperliche Merkmale hinein ausdifferenzierte und propagierte Rassenideologie als unhaltbare Verirrung zu entlarven. Aber da war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Hitlers Rassenwahn hatte fürchterliche Folgen, und man sollte meinen, dass die Nachkriegsgenerationen daraus gelernt hätten. Haben sie aber offenbar nicht.

Das Wahlvideo ist nichts weniger als ein Angriff auf Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Hier wird die Menschenwürde angetastet, hier teilt man die Gesellschaft qua Aussehen und Herkunft ein in wert und unwert, spaltet sie auf in gute Deutsche und böse Fremde. Ein zutiefst rassistischer Akt, der noch nicht mal verbrämt, sondern schamlos zur Schau gestellt wird.

Botschaft der Bildsequenz im AfD-Video: Deutsche Familie, eure Existenz steht auf dem Spiel. Junge arabische Männer werden eingeschleust, zum großen Bevölkerungsaustausch. Sie zerstören unseren Wohlstand. Es geht um Sein oder Nichtsein. Deutsche Arier: Wählt AfD! Bevor sie uns abschaffen, muss eine Partei an die Macht, die diese Invasoren deportiert.

Wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat, dem wird in dem Video überdeutlich vor Augen geführt, wessen Geistes Kind die AFD ist. Der Wahlspot zeugt von einem Denken und Menschenbild, mit dem die Rassenideologie des dritten Reiches traurige Urständ feiert. Wurde damals die jüdische Bevölkerung für alles Schlechte verantwortlich gemacht, so sind es heute die Migrant*innen, die uns Deutsche ins Unglück stürzen und die man loswerden muss.
Das Video zu Ende gedacht heißt: Ehe die Migranten uns vernichten, vernichten wir sie!

Was für eine groteske Verirrung, welch ein Rückfall hinter zivilisatorische Errungenschaften, in keinster Weise vereinbar nicht nur mit unseren Grundrechten, sondern auch mit dem christlichen Menschenbild unserer Kultur.

Aus diesem Grund haben sich die katholischen Bischöfe in Deutschland bereits im Februar von der AFD distanziert. Diese sei aufgrund ihres völkischen Nationalismus für Christen nicht wählbar. AFD-Christen sind aus meiner Sicht in gleicher Weise ein No-Go, wie ehemals die Deutschen Christen. Etliche evangelische Kirchenfunktionäre im deutschen Osten sind dem Vorbild der katholischen Bischöfe mittlerweile gefolgt.

Die Bischöfe haben gute Argumente. Denn das von Jesus vertretene Menschenbild in den Evangelien des Neuen Testaments ist kein spaltendes, ausschließendes, sondern ein einendes. Während seines irdischen Wirkens stellte sich Jesus stets auf die Seite der Schwächeren, wandte sich ausdrücklich den Randsiedlern zu, unheilbar Kranken, Zöllnern, Ausgestoßenen, Fremden und holte sie in die Mitte der Gesellschaft. Er sprach von der vorurteilslosen Liebe Gottes zu allen Menschen, ob Freund oder Feind und leitete daraus sein Programm ab, das nicht Ausgrenzung, sondern Integration hieß. Er hatte die Vorstellung einer Weltfamilie, in der alle zusammengehören und füreinander da sind, und war damit seiner Zeit weit voraus. Seine Vision bewahrheitet sich immer mehr in unserer Zeit, in der wir mit dem Klimawandel und anderen Problemen vor globalen Herausforderungen stehen, wie wir sie nie zuvor gekannt haben. Diese werden wir, wenn überhaupt, nur gemeinsam bewältigen, als Weltfamilie mit dem Bewusstsein, dass wir alle im gleichen Boot sitzen.

Spaltende Ideologien, wie die, auf der die AFD fußt, sind hiergegen nicht nur kontraproduktiv, sondern wahres Gift. Es ist wichtig, dass wir auf die entsprechenden Strömungen reagieren und ihre verheerende Wirkung mit aller Deutlichkeit anprangern.

Guntrun Müller-Enßlin

Das AfD-Video „Wochenmarkt oder Drogenmarkt“ im Original:
YouTube Video

Anmerkung der Redaktion: Dieses Video sollte im Gemeinderat gezeigt und dann eine Debatte geführt werden, wie die demokratischen Kräfte mit einer solch rassistischen und faschistischen Partei umgehen sollen.

Bilder: Screenshots SÖS
Veranstaltungshinweis: Netzwerk „Gemeinsam gegen Rechts – für eine bessere Demokratie“: Kundgebung am 26. Oktober um 14 Uhr auf dem Schlossplatz