PM: Für ein vielfältiges Miteinander, statt Spaltung und Argwohn

Stellungnahme der Fraktion „Die Linke und SÖS“ und der Tierschutzpartei zum
11-Punkte-Plan des Oberbürgermeisters und des Ordnungsbürgermeisters

Stuttgart ist eine vielfältige und weltoffene Stadt, in der Menschen aus nahezu 200 Nationen in Freundschaft und Frieden zusammenleben. Stuttgart galt viele Jahre bundes- und weltweit als Vorbild in der Integrationspolitik. Die Hälfte der Stuttgarter*innen hat selbst eine Einwanderungsgeschichte oder ist mit allen Kontinenten der Erde über die Herkunft der Eltern und Großeltern verbunden. Kultur, Wirtschaft, Handel und Industrie, Sport, Pflege, Bildung und Sicherheit wären ohne die unermessliche Leistung der vielen Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte undenkbar. Viele Geflüchtete, die unter schwierigsten Bedingungen vor Krieg und Elend geflohen sind und seit vielen Jahren in Deutschland leben, sind ein wichtiger und nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unserer Stadtgesellschaft. Sie sprechen unsere Sprache, sie arbeiten in der Pflege, in Kitas, bei der Stadtverwaltung, im Handwerk und in der Industrie. Etliche Betriebe müssten ohne die Arbeitsleistung von Migrant*innen längst schließen.

Unserer Ansicht nach ist der von Oberbürgermeister Frank Nopper und Ordnungsbürgermeister Clemens Maier vorgelegte 11-Punkte-Plan denkbar ungeeignet, die bestehenden Probleme zu lösen. Sie betreiben reine Symbolpolitik in Form von weiteren Verschärfungen und repressiven und polizeilichen Maßnahmen, die sich pauschal und ausschließlich gegen migrantisch gelesene Menschen und Geflüchtete richten. Sie treiben damit den Keil der Spaltung tief in unsere Stadtgesellschaft, statt eine echte Ursachenbekämpfung einzuleiten. Es droht ein deutliches Abrücken Stuttgarts von seinen Grundwerten einer weltoffenen Stadt – von den Grundwerten, die Oberbürgermeister Manfred Rommel eingeführt und unter OB Wolfgang Schuster und OB Fritz Kuhn fortgeführt wurden.

Die im vorgelegten Plan geforderte Aufklärungskampagne gegen Messer im öffentlichen Raum zielt ausschließlich auf Flüchtlingsunterkünfte ab. Die gleichzeitig aufgestellte Forderung von mehr Befugnissen für die Polizei zu „anlasslosen Kontrollen” bedeutet, die verbotene Praxis des „Racial Profiling“ zu legalisieren, die Schwarze und migrantisierte Menschen unter Generalverdacht stellt. In diesem 11-Punkte-Papier werden einseitig Geflüchtete und Migrant*innen verantwortlich gemacht für ein Problem, welches vielfältige Ursachen hat und eben nicht nur von einer bestimmten Personengruppe verursacht wird. Es werden Vorurteile gegen Geflüchtete und Migrant*innen forciert und manifestiert, die in keiner Weise dazu geeignet sind, das Problem der Messerkriminalität auch nur im Ansatz zu lösen.

Zusätzlich stellt der 11-Punkte-Plan Forderungen an Bund und Land, die deutlich aufzeigen, dass damit das Ziel verbunden ist polizeilich-repressive Gesetzesgrundlagen zu schaffen, die einseitig gegen Migrant*innen und Geflüchtete gerichtet sind. Dass hiermit schwerwiegende und teils verfassungswidrige Grundrechtseingriffe verbunden sind, wird nicht ansatzweise erwähnt, geschweige denn problematisiert. Die Forderung nach einer „Senkung der Anforderung an die Höhe des Strafmaßes“ in Verbindung mit dem Schutzstatus von minderjährigen wie erwachsenen Geflüchteten zeigt, dass hier einseitig eine Personengruppe kriminalisiert wird. Diese Forderung öffnet Tür und Tor dafür, dass Geflüchtete selbst bei kleinsten Vergehen unverhältnismäßig harte Strafen zu erwarten haben. Außerdem haben Kinder und Jugendliche in Deutschland einem besonderen rechtlichen Schutzstatus – unabhängig von ihrer Herkunft. Das regeln unter anderem die UN-Kinderrechtskonvention und das Sozialgesetzbuch.

Mit diesen Vorschlägen wird der gesellschaftliche und soziale Zusammenhalt in Stuttgart massiv beschädigt und die bisherige Gesellschafts-, Sozial- und Integrationspolitik grundlegend in Frage gestellt. Mobile Jugendarbeit, Schulsozialarbeit, Kultur- und Bildungsarbeit, Aktivitäten zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe, Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum – all das trägt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und bedarf einer Stärkung und weiterer Förderung. Diese essenziellen Bausteine, die einen entscheidenden Beitrag zur Schaffung von Sicherheit leisten, kommen in den Vorschlägen von OB Nopper und BM Maier überhaupt nicht vor.

Wir laden die ökosozialen Parteien und Gruppen im Gemeinderat ein, mit uns gemeinsam einen Antrag in den Gemeinderat einzubringen. Wir wollen Forderungen aufstellen, damit sich Stuttgarter*innen wieder sicher fühlen, sei es vor Gewalt im öffentlichen Raum, vor unbegründeten Repressionen durch die Polizei oder das sie am Ende des Monats ihre Miete nicht mehr bezahlen können.