Paketpostamt als Interim für die Stuttgarter Philharmoniker prüfen – kein Grundsatzbeschluss zum Konzertforum am Neckar vor der Gemeinderatswahl 2024 Änderungsantrag zu GRDrs 404/2024

Wir beantragen:
1. Die Verwaltungsspitze prüft den Standort Paketpostamt in der Ehmannstraße als Inte-rimsspielstätte für die Stuttgarter Philharmoniker
2. Die Abstimmung über die Gemeinderatsdrucksache Konzertforum – Grundsatzbeschluss (GRDrs 404/2024) wird vertagt
3. Das bestehende Sanierungsgebiet Bad Cannstatt 21 – Neckartalstraße – (GRDrs 316/2023) bleibt in seiner bestehenden Fassung vollumfänglich erhalten.
Begründung:
Mit dem Konzertforum am Neckar will ein privater Investor in Kooperation mit dem Stuttgarter Kammerorchester auf dem Rilling-Areal in Stuttgart Bad Cannstatt ein Konzertforum errichten. Die Gesamtkosten beziffert der Investor auf mittlerweile rund 120 Mio. Euro, davon sollen 7 bis 10 Mio. Euro aus „privaten Spenden“ generiert werden, weitere 15 Mio. Euro will das Stuttgarter Kammerorchester „nach Empfehlung der Metrum Management GmbH als Drittmittel insbeson-dere aus öffentlichen Fördermitteln (z.B. Bund/Land) akquirieren“, wie es in der Vorlage „Konzertforum – Grundsatzbeschluss“ (GRDrs 404072024) heißt. Die restlichen Mittel sollen von der Landeshauptstadt Stuttgart bezahlt werden, die im Gegenzug eine dauerhafte Spielstätte für die Stuttgarter Philharmoniker bekommt. Die Stuttgarter Philharmoniker müssen in absehbarer Zeit aus dem stark sanierungsbedürftigen Gustav-Siegle-Haus weichen und brauchen dringend ein Ausweichquartier. Bislang hat sich die Verwaltungsspitze jedoch in keiner Weise um ein Inte-rimsquartier gekümmert, obwohl wir dies bereits vor über zwei Jahren per Antrag angemahnt hatten (siehe Antrag vom 12. April 2022 „Interimssuche für Philharmoniker jetzt starten – Sanie-rung des Gustav-Siegle-Hauses zeitnah angehen“ (Nr. 118/2022). Durch eifriges Nichtstun hat sich die Stadtspitze jetzt in die Situation gebracht, dass sie wegen des Interimsstandorts für die Stuttgarter Philharmoniker massiv unter Druck geraten ist. Dies haben die Initiatoren des Konzertforums am Neckar erkannt und den Philharmonikern angeboten, ebenfalls in ihren Räum-lichkeiten unterzukommen.
Das Versäumnis der Interimssuche kann jedoch geheilt werden, wenn die Stadt das Paketpost-amt in der Ehmannstraße als (Ausweich-) Spielstätte für die Philharmoniker zumindest prüft. Im Zuge der Interimssuche für die Stuttgarter Oper hatte es das Paketpostamt bereits in die engste Auswahl geschafft. Im Jahr 2018 wurde dort Bela Bartóks „Blaubart“ aufgeführt und eindringlich unter Beweis gestellt, dass dort musikalische Veranstaltungen sehr gut hinpassen. Warum also nicht auch die Stuttgarter Philharmoniker? Auf dem 46 000 Quadratmeter großen Gelände ist Platz genug für eine Interimsspielstätte für die Stuttgarter Philharmoniker. Das Kopfgebäude hat 12 400 Quadratmeter und ist bis zu 28 Meter hoch – hier könnte ein Konzertsaal ohne weiteres Patz finden – oder nach Züricher Vorbild ein Gebäude im Gebäude. In der schweizerischen Stadt wurde die Tonhalle Maag nach sieben Monaten Bauzeit für den Betrag von weniger als 10 Mio. Euro realisiert. Interim geht auch günstiger. Zudem hat das Land offenbar einen langfristi-gen Mietvertag mit der Post abgeschlossen und die Post selbst nutzt das Areal nur noch rudi-mentär. All das spricht dafür, dass das Paketpostamt als Interimsspielstätte für die Stuttgarter Philharmoniker sehr gut geeignet ist.
Mit dem angestrebten Grundsatzbeschluss zum Konzertforum am Neckar soll drei Tage vor der Wahl des neuen Gemeinderats „voreilig“ – wie es die Fünf Stuttgarter Kammergruppen der Ar-chitektenkammer Baden-Württembergs in ihrer Stellungnahme vom 3. Juni 2024 formulieren – entschieden werden, dass dieses kulturelle Großprojekt realisiert werden soll. Die Kritik der Architektenkammer erschöpft sich aber nicht in dem Zeitplan: Die ungeklärte städtische Finanzie-rung, der Widerspruch zu den Zielen des bestehenden Sanierungsgebiets, der Verzicht auf einen städtebaulichen Wettbewerb, die problematische Kostenentwicklung, vergaberechtliche Beden-ken und fehlende Transparenz werden von der Kammer bemängelt.
Wir teilen diese Kritik ausdrücklich. Für die Neckarvorstadt (in deren Herzen das Konzertforum am Neckar entstehen soll) wurde vor weniger als einem Jahr eine Sanierungssatzung beschlos-sen. (siehe „Sanierungsgebiet Bad Cannstatt 21 – Neckartalstraße“ (GRDrs 316/2023). Dort wird ausdrücklich mehr soziale Infrastruktur, mehr bezahlbarer Wohnraum, Schutz vor Gentrifizierung und 205 zusätzliche dringend benötigte KITA-Plätze gefordert. Diese Ziele würden durch das Konzertforum am Neckar obsolet.