Wir lehnen den Haushalt ab, obwohl es – entgegen aller Befürchtungen – kein Sparhaushalt ist und knapp 1000 Stellen beschlossen wurden. Müssten wir lediglich Fehler der Vergangenheit korrigieren, könnte man mit diesem Haushalt leben. Doch die Verwaltung eines Status quo reicht nicht aus: Die dramatischen Folgen des Klimawandels, der Mangel und die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum, überbordender Autoverkehr und steigende Armut erfordern ein konsequentes Umsteuern. Der dafür notwendige politische Gestaltungswille ist nicht erkennbar, denn der Haushalt zeigt keine Vision auf, er stellt keine Weichen zum Umdenken. Er ist kein Abschied von der Wachstumsideologie des „höher, schneller, mehr…“, die sich als tödlich offenbart, weil sie unsere Lebensgrundlagen zerstört.
Es reicht nicht, das aktuell Notwendige zu beschließen, es braucht große mutige Schritte, um den Herausforderungen präventiv zu begegnen. Große Würfe sind möglich, das zeigen Investitionen und Stellen für das neue Amt für Digitalisierung. Eine ähnliche Konsequenz wünschten wir für die drängenden öko-sozialen Probleme dieser Stadt!
Dem Haushalt fehlen auch Weichenstellungen, das Pariser 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Mit den Beschlüssen ist keine Verkehrswende in zehn Jahren umzusetzen. Mit der Schaffung einzelner Radwege kann der Pkw-Verkehr nicht deutlich reduziert werden und es dürfen nicht weitere Millionen in Tunnel- und Straßenbauprojekte gesteckt werden. Nicht mal unser Antrag, die Kosten für Anwohnerparken – insbesondere für SUVs – zu erhöhen, fand Zustimmung.
Klimaschutz-Anträge werden prinzipiell an das 200 Millionen-Klima-Paket von Alt-OB Kuhn delegiert. Gut, dass 50 Millionen Euro jährlich für die Gebäudesanierung städtischer Liegenschaften zur Klimaneutralität beschlossen wurden, aber wenn es dafür kein Personal zur Umsetzung gibt, verkommt dieser Beschluss zur Symbolpolitik. Die Gebäudesanierung der städtischen Immobilien macht nur 4% des Gesamtbestands aller Immobilien aus und reicht bei weitem nicht für ein klimaneutrales Stuttgart bis 2035. Die Begründung der Verwaltung, man fände nicht genügend Personal dafür und hätte auch gar keinen Platz, macht zwei weitere Problemfelder deutlich: der Fachkräftemangel und Raumnot in den Ämtern.
Obwohl Stellen bewilligt werden, bleiben viele davon lange Zeit unbesetzt, weil das Gehalt für ein Leben im teuren Stuttgart nicht ausreicht, weil die Arbeitsplätze nicht attraktiv sind, weil Bewerber:innen keine Wohnung finden, weil Ämtern Platz für weitere Schreibtische fehlt.
Stellenschaffungen werden zum Placebo, wenn sie nicht besetzt werden können. Unsere beiden Anträge für eine Stuttgart-Zulage für städtische Beschäftigte und ein Verkaufsstopp städtischer Immobilien fanden keine Mehrheit. Auch von einem – von uns bereits vor drei Jahren geforderten – strategischen Liegenschaftsmanagement ist die Stadt meilenweit entfernt. Im Gegenteil: es werden Liegenschaften über Jahrzehnte nicht saniert und der Verkauf städtischer Immobilien geht weiter. Folge: Die Stadt muss teure Immobilien anmieten und diese oft noch als Mieterin auf eigene Kosten renovieren. Nachhaltig geht anders! Immerhin wurden auf unseren Antrag hin, zumindest zwei Sanierungsmaßnahmen für städtische Ämter beschlossen, leider nicht auch noch die Sanierung der Rathauspassage.
Auch um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und neuen zu schaffen, dürfen städtische Immobilien nicht verkauft werden. Stattdessen fordern wir, mit einen kommunalen Boden- und Wohnungsfonds in Höhe von 100 Millionen jährlich, Boden anzukaufen, um Personal- und Sozialwohnungen in städtischer Hand anbieten zu können. Zudem wollten wir Gelder, die für die Förderung von Wohneigentum vorgesehen sind, für die Schaffung von neuen Sozialwohnungen umschichten. Beides fand keine Zustimmung.
Dieser Haushalt trägt nicht dazu bei, dass Armut und insbesondere Kinderarmut in Stuttgart abnimmt, obwohl in dieser reichen Stadt inzwischen mehr als jedes 5. Kind in Armut leben muss! Wir fordern seit Jahren Entlastungen für Familien, doch es ändert sich strukturell nichts. Im Gegenteil, der Anteil armer und armutsgefährdeter Kinder und alter Menschen steigt. Es mangelt am Willen, Strukturen konsequent zu verändern. Entlastungen wären zum Beispiel ein kostenloser ÖPNV für Kinder und eine deutliche Senkung der Kita Gebühren in Kitas von freien Trägern, wie sie von uns gefordert wurden.
Die strukturellen Mängel bei Klima, Wohnen und Sozialem sind gewichtige Gründe, dass wir dem Haushalt nicht zugestimmt haben.