Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Stuttgart einführen

Wir beantragen:

  1. Die Verwaltung beziffert die notwendigen Haushalts- und Personalmittel zur Umsetzung von Tempo 30 auf allen Straßen im Stadtgebiet und stellt die hierfür nötigen finanziellen und personellen Ressourcen in den Haushalt ein.

Begründung:

Die Stadt Paris hat Ende August 2021 Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit im gesamten Stadtgebiet umgesetzt. Von der Maßnahme verspricht man sich in der französischen Hauptstadt 25 Prozent weniger Unfälle, zweimal weniger Lärm und mehr Raum insbesondere für Radfahrende, wie Spiegel Online am 29. August 2021 berichtet. Zusätzlich hat die Stadtverwaltung von Paris damit begonnen, 52 Kilometer Pop-up-Radwege in dauerhafte Radfahrstreifen umzuwandeln, Straßen in Fußgänger:innenzonen umzuwandeln, öffentliche Begegnungsflächen und Fahrradabstellplätze zu schaffen. Bäume werden gepflanzt und Gartenflächen angelegt, meldet Spiegel Online darüber hinaus.

Dass sich dieses Beispiel nicht 1:1 auf Deutschland übertragen lässt, hat im wesentlichen rechtliche Gründe. Aber mit der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind neue Handlungsmöglichkeiten geschaffen worden; abgesehen davon wurden die Möglichkeiten der bisherigen STVO in Stuttgart keinesfalls ausgereizt.

Die Stimmen für eine flächendeckende Umsetzung von Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit sind vielfältig: „Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert ein generelles Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde in geschlossenen Ortschaften. Raserei und erhöhte Geschwindigkeit gehörten zu den Hauptursachen für tödliche Unfälle (…)“, heißt in einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom 17. Mai 2021. Die Bundesgeschsäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), Ann-Kathrin Schneider wird mit folgenden Worten zitiert: „Tempo 30 entspannt das Leben in den Städten, es macht sie sicherer, klimafreundlicher und leiser. Wie in Paris und anderen europäischen Metropolen sollte es auch in deutschen Städten möglich sein, Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit einzuführen. Paris wird durch Tempo 30 aufblühen, und das sollten deutsche Städte auch.“ Eine Studie des Umweltbundesamts (Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen) vom November 2016 kommt zu folgenden Ergebnissen:

„In der Praxis wurden bei Messfahrten Reisezeitverluste an Tempo-30-Strecken von 0 bis 4 Sekunden je 100 Meter festgestellt. Dies ist auch bei längeren Abschnitten oder einer Aneinanderreihung von mehreren Regelungen volkswirtschaftlich kaum relevant. Wichtiger für die subjektive Wahrnehmung und damit die Akzeptanz von Tempo 30 ist die Homo­genität des Verkehrsflusses. Der Verkehrsfluss kann Messungen zufolge bei Tempo 30 besser sein als bei Tempo 50. Tempo 30 führt in der Mehrzahl der untersuchten Fälle zu wahrnehmbaren Lärmentlastungen. Dazu tragen vor allem nachts auch die geringeren Lärmspitzen bei. Tempo 30 reduziert die Luftschadstoffbelastung, wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses beizubehalten oder zu verbessern. Tempo 30 hat positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Vorliegende Studien ergeben keine Anhaltspunkte für gegenteilige Annahmen.“

Gründe genug, um in Stuttgart flächendeckend Tempo 30 einzuführen. Mit der Novellierung der STVO ergeben sich zusätzlich Möglichkeiten über Verkehrsversuche zumindest temporär Tempo 30 einzuführen. Darüber hinaus besteht auf Grundlage von § 45 Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (StVO) die Möglichkeit etwa “ zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen“ Tempo 30 einzuführen. Die aktuelle Fassung der StVO trat im April 2020 in Kraft – eine zugesagte Berichterstattung der Stuttgarter Verwaltungsspitze zu den neuen Möglichkeiten der StVO fand (Stand Anfang September 2021) nicht statt. Es ist jetzt Zeit zu Handeln und eine echte soziale und ökologische Verkehrswende in Gang zu setzen.