Das Statement unserer Stadträtin Guntrun Müller-Enßlin zur Opernsanierung am 28. Juli 2021 im Gemeinderat:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Beigeordnete, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
„Spinnt ihr? Habt ihr sie noch alle? Das ist doch Wahnsinn – völlig überzogen!“ Das waren die Reaktionen, als OB Kuhn sich 2014 während einer Vernissage im Kubus für die Sanierung der Oper aussprach und dabei eine Summe von 300 Millionen Euro ins Spiel brachte. Seither sind 7 Jahre vergangen und der veranschlagte Betrag hat sich vervielfacht. 1,2 Milliarden sollen es nun sein, 600 Millionen für die Stadt. Die kritischen Stimmen sind nicht verstummt. Zitat: „Staun! Wofür im Haushalt stellen wir sonst eine solche Summe bereit?“ Zitat: „So viel Geld für ein einzelnes Kultursegment, das ohnehin schon mehr kostet als alle anderen zusammen! Wenn es um die Oper geht, darf wohl nichts zu teuer sein.“ Zitat: „Warum nicht den gleichen Betrag für den Klimaschutz?“ Der Gegenwind aus der Bevölkerung ist beträchtlich. Sind das alles Kultur- und Kunstbanausen, die so reden? Sind es nicht vielmehr die, die sich noch einen Funken gesunden Menschenverstand bewahrt haben, die nicht ganz das Gespür verloren haben, dass da die Relationen verrutscht sind, dass da in der Verhältnismäßigkeit etwas aus dem Ruder läuft?
Wir, die FrAKTION, bekennen uns zur Opernrenovierung – es gibt überhaupt keine Zweifel, dass das Haus einer Sanierung bedarf. Ja, wir sprechen uns dafür aus, dass die Mitarbeiter*Innen gute Arbeitsbedingungen haben und der Spielbetrieb leichter wird. Aber – zu diesen Konditionen? Wir bedauern, dass nur ein einziger Vorschlag geprüft und vorangetrieben worden ist – ohne Alternative. Wie oft haben wir eine solche eingefordert! Vergeblich. Nun steht ein einziger Entwurf da, bei dem man nur die Wahl hat, Ja oder Nein zu sagen; mit einem Nein steht man als Kulturverweigerer da. Finanzierungskosten scheinen sich in dem Maß selber zu legitimieren, in dem sie steigen. Es dreht sich dann um: Etwas, das soviel kostet, ist es zweifellos auch wert und man darf nicht Nein dazu sagen. Der Druck, heute zuzustimmen und mitzumachen, ist denn auch extrem.
Ich glaube, meine Fraktion und ich sind unverdächtig, nichts für Künstler-Innen und Kultur übrig zu haben. Unsere Liste der Kultureinrichtungen, kleinen und großen, für deren Förderung wir uns im letzten Doppelhaushalt eingesetzt haben, war lang. Sie wird auch in den kommenden Haushaltsberatungen wieder lang werden und wir sind gespannt, wie da der Rückhalt aus den anderen Fraktionen sein wird. Wir werden uns einsetzen gegen den Dauerbrenner strukturelle Unterfinanzierung, der alle zwei Jahre wieder hochploppt, ohne dass sich je etwas ändert. (Auch diesmal werden sich wieder zig Vertreter*innen aus Kunst und Kultur die Klinken der Fraktionszimmer in die Hand geben, weil die Zuschüsse vorne und hinten nicht reichen. Wir werden uns einsetzen für Kulturangebote, bei denen Menschen aus allen Bevölkerungs- und Bildungsschichten Zugang zu verschiedenen Kunstformen und zu ihren eigenen kreativen Ressourcen finden.) Die Stimme einer Insiderin aus dem Kunst- und Kulturbereich möchte ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten. Zitat: „Die Oper in ihrer heutigen Form ist doch eher ein Auslaufmodell. Es geht bei der Sanierung der Oper, so wie sie jetzt geplant ist, offenbar vor allem um ein Festhalten am Status quo. Oper, wenn sie eine Zukunft haben soll, muss ganz neu gedacht werden – als „Oper für alle“. Mit neuen Strukturen und neuen Formaten, um bessere Arbeitsbedingungen zu fördern und andere als die herkömmlichen Zielgruppen zu erreichen. Ein Opernhaus mit Pflege der Traditionen, aber auch mit mehr zeitgenössischer Oper, mehr Opern von Frauen, Bürgeropern, Hiphop-Opern, Tanz-Opern, – das alles auch mit neuen Impulsen, zum Beispiel aus der Stuttgarter freien Szene. Wenn schon so viel Geld investiert wird, dann sollten mehr als nur 0,5 % der Bevölkerung Anteil haben an diesem Spiel-Ort, an dieser Art Kunst und Kultur.“ Zitat Ende. Für eine solche Bürger-Oper der Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchten wir uns einsetzen. Wir möchten uns für Kunst in ihrer besten Form stark machen. Und dafür auch Geld in die Hand nehmen. Aber vielleicht würde man für diese Vision einer zukünftigen Oper dann gar nicht diese Unsummen brauchen, die derzeit zur Debatte stehen. Wie wir als FrAKTION heute abstimmen werden: Dreimal dürfen Sie raten.