Wir beantragen:
- Die Sperrung der Freitreppe am Stuttgarter Kunstmuseum an Wochenenden und vor Feiertagen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr wird aufgehoben.
- Die bestehenden „Alkoholfreien Zonen“ in der Stadt Stuttgart werden aufgehoben.
Begründung:
Die Stadt Stuttgart ist als Landeshauptstadt ein Anziehungspunkt für viele Menschen aus der Region und dem Land. Sowohl tagsüber zum Arbeiten, Einkaufen als auch abends und nachts beim Feiern und bei Kultur- und Freizeitaktivitäten. Dieser Rolle als Großstadt sollten die Stadtverwaltung, allen voran der Oberbürgermeister und der Ordnungsbürgermeister gerecht werden.
Die aktuelle Sperrung der Freitreppe mit Bauzäunen ist ein falsches, fatales und auch peinliches Signal, welches von unserer Stadt ausgeht. Stuttgart macht sich bundesweit lächerlich mit der nächtlichen Absperrung der Freitreppe durch Bauzäune mit gleichzeitigem massiven Polizeieinsatz.
Die Konflikte und Auseinandersetzungen an der Freitreppe und in der Innenstadt schaukelten sich hoch, weil in den letzten Wochen mit einer massiven Polizeipräsenz am Abend das bestehende Alkoholverbot mit häufigen Kontrollen von jungen Menschen durchgesetzt werden sollte. Dies führt bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu großem Unmut und Unverständnis und zu einer Ungleichbehandlung. Insbesondere wenn zugleich die Öffnung der Gastronomiebetriebe erfolgt, in denen selbstverständlich Alkohol konsumiert werden darf.
Kommerz-, Konsum- und Eventkultur wird aktiv propagiert, die Innenstadt soll ‚Magnet‘ sein, um das Rad am Laufen zu halten und Geld zu machen. Jugendliche, die nicht zahlungskräftig sind, sind nicht willkommen. Wer nicht will, dass solche Konfrontationen Dauerzustand in der Innenstadt werden, muss eine andere Innenstadt gestalten: die muss wieder Wohnort für alle Bevölkerungsschichten werden. Wer diese Dominanz erhalten oder gar stärken will und die Innenstadt als Magnet für Selbstdarstellungsbedürfnisse aus der ganzen Region konzipiert, hebelt die zivilisierende Wirkung eines Zusammenlebens wie im Wohnviertel aus. Kurzfristig braucht es Phantasie statt Videoüberwachung, Freitreppensperrung oder Verweilverboten. Denn Freitreppen sind zum Nutzen, öffentliche Orte zum Verweilen geschaffen.
Tagsüber ist die Königstraße überlaufen und die Freitreppe ebenfalls voll besetzt. Auch andere Orte in der Stadt, wie die Freitreppe am Feuersee, der Marienplatz und selbst die Rotenberg-Kapelle sind beliebte und volle Treffpunkte. Auch hier gilt das Alkoholverbot, allerdings wird an diesen Orten nicht massiv die Durchsetzung des Verbots kontrolliert. Das erzeugt den Eindruck, dass die Maßnahmen ein bestimmtes Jugendmilieu treffen soll, welches sich an der Freitreppe und um den Schlossplatz in den Abendstunden aufhält: vorwiegend junge Menschen mit Migrationshintergrund, Schwarze Jugendliche und People of Color.
Die Absperrung der Freitreppe mit Bauzäunen ist auch insofern widersinnig, da die Jugendlichen und jungen Menschen sich weiter davor und dahinter oder nebenan im Königsbau aufhalten können. Es verlagert die Szene also lediglich. Öffentlicher Raum in einer Stadt gehört allen Menschen. Gerade für junge Menschen sind öffentliche Räume notwendig, diese müssen sie sich konsumfrei aneignen können und dürfen dort auch auffallen und laut sein, ja sich auch präsentieren und auch so verhalten können, wie es Erwachsene nicht tun würden. Das gehört zum Jugendlich-Sein dazu. Es ist aber kontraproduktiv, dieses typische Verhalten von jungen Menschen zu kriminalisieren und grundsätzlich als verdächtig einzustufen.
Verbote, Videoüberwachung und massive Polizeipräsenz setzen das Zeichen, dass Jugendliche und junge Menschen in Stuttgart unerwünscht sind.
Die generelle Videoüberwachung öffentlicher Plätze lehnen wir grundsätzlich ab. Zusätzlich zur Freigabe der Treppe fordern wir die Stadtverwaltung auf, gemeinsam mit der Mobilen Jugendarbeit, dem Stadtjugendring und Kultureinrichtungen der Stadt gemeinsamen mit Jugendlichen vor Ort ein Konzept für die selbstverwaltete Nutzung der öffentlichen Räume in der Stadt zu ermöglichen. (siehe gesonderter Antrag). Dies können sowohl Kunst- und Kulturveranstaltungen sein, Festivals oder andere Ideen von jungen Menschen.
Zum zweiten Antragspunkt:
Die „Alkoholfreien Zonen“ in der Innenstadt der Stadt Stuttgart wurden eingeführt zu einer Zeit, in der die Inzidenzwerte der Corona-Pandemie außer Kontrolle waren. Sie wurden erlassen, zur besseren Einhaltung und Kontrolle der von Menschen viel genutzten Innenstadtbereiche. Da nun viele Menschen geimpft sind und die Inzidenzwerte insgesamt massiv sinken ist der Fortbestand von „Alkoholfreien Zonen“ nicht mehr notwendig. In Stuttgart liegen wir inzwischen kontinuierlich bei einem Wert von unter 50 und auch schon immer wieder bei unter 35. Das Leben kehrt in der Stadt zurück, Gastronomien, Einzelhandel und Kultureinrichtungen nehmen sukzessiv ihren Betrieb wieder auf. Es ist nun auch an der Zeit, dass die Stadt den öffentlichen Raum für alle Bürger:innen öffnet und von übermäßiger Polizeipräsenz und Verbotszonen befreit.
Gezeichnet:
Luigi Pantisano Tomas Adler Hannes Rockenbauch
Fraktionsvorsitzender Fraktionsvorsitzender
Matthias Gottfried Christoph Ozasek Stefan Urbat