Foto: Roland Hägele

Nachruf auf Gangolf Stocker – von Guntrun Müller-Enßlin

Gute Gespräche bei gutem Essen

An was ich mich besonders erinnere, sind unsere gemeinsamen Mittag- und Abendessen. Unzählige Restaurants im Stuttgarter Osten und in Weilimdorf haben wir abgeklappert, Gartenwirtschaften, kleine Speiselokale, oft Geheimtipps von Gangolf. Gutes Essen genoss er. Einmal bestellte er ein sündhaft teures Entrecôte mit provencalischen Kartoffeln, das wir dann gemeinsam vom gleichen Teller vertilgten, weil ihm die ganze Portion zu viel war. Zum Essen gab es Wein, weiß für ihn, rot für mich und immer gute Gespräche. Wenn die Politik abgehakt war, wandten wir uns unseren Projekten zu: seinen Bildern, meinen Romanmanuskripten, den Büchern, die wir gerade lasen. Ganze Buchregale haben wir einander in den vergangenen Jahren ausgeliehen; die Memoiren von Ulla Hahn, einer Vertreterin seiner Generation, waren sein Highlight. Viele unserer Essen endeten in seinem Atelier, wo er mir seine neuesten Werke zeigte und mich nach meiner Meinung fragte. Meine Manuskripte hat er alle gelesen – lange bevor sie Bücher wurden.

 

Dieser Text erschien in der Kontextwochenzeitung am 31. März 2021 und ist unter folgendem Link abrufbar:

https://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/522/ein-kaempfer-mit-kuenstlerseele-7397.html