Wir fragen:
- Welche Personalkapazitäten werden durch welche Aufgaben bei der Gewerbeaufsicht gebunden?
- Wie viele explizit für den Arbeitsschutz ausgewiesene Stellen sind im Amt für Umweltschutz bei der Gewerbeaufsicht (Abt.36-7) vorhanden, wie viele davon sind besetzt?
- Für wie viele Arbeitsplätze bzw. sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist ein/eine Beschäftigte*n in der Gewerbeaufsicht zuständig?
- Wie viele Kontrollen vor Ort erfolgen jährlich durch die Stuttgarter Gewerbeaufsicht?
- Auf Bundesebene steht das neue Arbeitsschutzkontroll-Gesetz kurz vor seiner Verabschiedung. Darin steht als Ziel, dass fünf Prozent aller Betriebe jährlich kontrolliert werden müssen. Wie viele Betriebe werden derzeit jährlich von der Gewerbeaufsicht auf Einhaltung der Arbeitssicherheitsrichtlinien kontrolliert?
- Wie viele zusätzliche Stellen müssten innerhalb welcher Zeit geschaffen werden, um die Vorgabe fünf Prozent aller Betriebe jährlich zu kontrollieren, erfüllen zu können?
- Im Jahr 2005 wurde im Zuge der Verwaltungsreform die Gewerbeaufsicht vorläufig/interimsweise dem Amt für Umweltschutz zugeordnet. Hält die Stadt Stuttgart diese Zuordnung weiterhin für funktional?
Wenn ja, mit welcher Begründung? - Kann nicht auch im Amtstitel der Begriff des Arbeitsschutzes aufgenommen werden, um das Thema sichtbarer zu machen und damit auch den Stellenwert zu erhöhen?
- Gemäß dem Finanzausgleichsgesetz zahlt das Land zum größten Teil die Stellen der Gewerbeaufsicht.
a) Auf welche Hindernisse/Begrenzungen stößt die Stadt, wenn sie alle erforderlichen Stellen gemäß dem Personalschlüssel von 1:10.000 (ein*e Kontrolleur*in pro 10 000 Arbeitnehmer*in) schaffen wollte?
b) Welche finanziellen Belastungen entstünden der Stadt Stuttgart? - Wie haben sich die jährlichen Bußgeldeinnahmen in den vergangenen sechs Jahren entwickelt?
- Welche zusätzlichen Aufgaben musste die Gewerbeaufsicht beim Amt für Umweltschutz (Abteilung 36-7) aufgrund der Corona-Pandemie stemmen?
- Welche strukturellen Verbesserungen können zu einer effektiveren Gewerbeaufsicht beitragen? Welche Positivbeispiele gibt es?
Begründung:
Das Thema Arbeitsschutz erregt nur dann öffentliches Interesse, wenn sich Zustände als eklatant problematisch herausstellen. Unwürdige Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen waren jüngst in die Schlagzeilen geraten, auch ein tragischer tödlicher Arbeitsunfall eines jungen Mannes in Stuttgart hatte vor wenigen Jahren das Licht auf unzureichende Zustände im Arbeitsschutz geworfen. Dies ist nur die sichtbare Spitze des Eisbergs.
Der Rat der höheren Arbeitsaufsichtsbeamten der Europäischen Union (slic = Senior Labour Inspectors Committee) hat vermehrt Richtlinienverstöße im Arbeitsschutz in Deutschland angemahnt. Deutschland steht damit an der Vorstufe eines Defizitverfahrens, weil annähernd keine Kontrollen mehr im Arbeitsschutz stattfinden, um die Einhaltung der Arbeitssicherheitsrichtlinien zu garantieren. Damit drohen mittelfristig auch der Stadt Stuttgart Bußgelder in Höhe von 200.000 bis 1 Million Euro täglich, wenn nicht Abhilfe geschaffen wird. Das mag Anlass gewesen sein, dass auf Bundesebene ein neues Arbeitsschutz-Kontroll-Gesetz kurz vor der Verabschiedung steht. Dieses bleibt ein zahnloser Tiger, wenn nicht auf Landes- und kommunaler Ebene die entsprechenden Voraussetzungen und Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, in welchem die Gewerbeaufsicht kommunalisiert wurde. Kritische Stimmen bemängeln, dass sie damit in die Bedeutungslosigkeit verwiesen worden sei.
Auch im Schlussbericht über die Prüfung des Jahresabschlusses vom Rechnungsprüfungsamtes zum Jahr 2019 wird auf Seite 8 hervorgehoben, dass auch mit den im letzten Haushalt bewilligten 6,5 Stellen die Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und des EU-Parlaments bei weitem nicht für eine wirksame Aufsichtskontrolle reichen. Begründet wird dies mit dem Personalschlüssel von einem/einer Kontrolleur*in pro 10.000 Arbeitnehmer*innen. Dieser Personalschlüsse gilt bereits seit mehr als 20 Jahren und wird bei weitem nicht eingehalten. In Stuttgart gab es (2018) 416.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, was bedeuten würde, dass die Stadtverwaltung ca. 40 Stellen in der Gewerbeaufsicht für den Arbeitsschutz haben müsste.
Mit den oben genannten Fragen soll geklärt werden, wie viele zusätzliche Personalstellen erforderlich sind und welche strukturellen Veränderungen erforderlich sind, um die gesetzlichen Vorgaben bei der Gewerbeaufsicht und des Arbeitsschutzes zu gewährleisten.