Panoramabahn: Schienenverkehr dauerhaft und ohne Unterbrechung sicherstellen

Wir beantragen, der Gemeinderat möge in seiner übernächsten Sitzung am 25. Juni 2020 (nach § 34 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg) folgenden Beschluss fassen:

  1. Der Stuttgarter Gemeinderat setzt sich dafür ein, dass die Panoramabahntrasse dauerhaft und ohne Unterbrechung für den Betrieb von Schienenverkehr (Fern-, Regionalbahnverkehr und/oder S-Bahn) erhalten bleibt. Die Verwaltung wird aufgefordert, gegenüber den Partnern Deutsche Bahn, Land und Verband Region Stuttgart auf dieses Ziel hinzuwirken und in eigener Zuständigkeit Maßnahmen zu ergreifen. Zeitnah wird hierzu in den Ratsgremien berichtet.
  2. Die Verwaltung wird aufgefordert darauf hinzuwirken, dass der neue Halt am Nordbahnhof nicht als provisorisches Stumpfgleis ausgebildet wird, sondern eine Durchbindung zum Bahnhof Feuerbach und in den Nordkorridor für ein künftiges Betriebsprogramm auf der Tangentialachse möglich wird.
  3. Die Verwaltung wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um die Anbindung der Panoramabahntrasse an den Hauptbahnhof sicherzustellen. Der Gemeinderat betrachtet die Trasse aufgrund ihrer Bedeutung für ein S-Bahn-Entstörungskonzept als unverzichtbar.

 

Begründung:

Mit dem Erwerb der Grundstücke für das Projekt Stuttgart 21 hat die Landeshauptstadt Stuttgart von der Bahn AG einen Teil der wichtigsten Schieneninfrastruktur der Stadt übernommen. Auf einem Teil der erworbenen Flächen rollen nach wie vor S-Bahnen, Regionalbahnen und der Fernverkehr – dies betrifft auch die Panoramabahn zwischen S-Vaihingen und dem bestehenden Kopfbahnhof. Im Zuge der notwendigen Verkehrswende, der von der Bahn AG geplanten Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Fernverkehr, sind weitere Schienenkapazitäten in Stuttgart unabdingbar und bestehende zu erhalten. Eine Abkoppelung der Panoramabahntrasse hätte bei einem Störungsfall auf der S-Bahn-Stammstrecke zwischen Mittnachtstraße und S-Vaihingen einen Verkehrskollaps für den S-Bahnverkehr zur Folge, der auf alle radialen Linien abstrahlt. Bereits heute ist die Panoramabahntrasse die „Lebensversicherung“ der S-Bahn-Stammstrecke, die zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße als infrastrukturelles Nadelöhr verläuft. An mehr als 130 Tagen im Jahr verkehren dort bereits heute S-Bahnen, wie das Landesverkehrsministerium in einer Stellungnahme offenlegte (Drucksache 16/6741). Da die Panoramabahntrasse bereits im Besitz der Stadt Stuttgart ist, kann die Eigentümerin auch darüber verfügen, ungeachtet der Aufgabenträgerschaft für die S-Bahn seitens des VRS, des Regionalverkehrs in der Aufgabenträgerschaft des Landes, und des eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehrs.

Die geplante Sperrung der Panoramabahn im 4. Quartal 2025 im Zulauf zum Gleisvorfeld ist nicht mehr nötig: Ursprünglich wollte die Bahn dort aufgrund der Verlegung der S-Bahngleise für ein halbes Jahr unterbrechen – mittlerweile ist anhand des Baufortschritts erkennbar, dass auf eine Unterbrechung der Panoramabahn komplett verzichtet werden kann. Das Ministerium für Verkehrs Baden-Württemberg bestätigte jüngst, dass ein Verzicht auf die Sperrung der Panoramabahn an dieser Stelle „technisch leicht umzusetzen“ sei und „voraussichtlich einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag kosten“ würde, wie der Bahn-Report in seiner Ausgabe 2/2020 auf Seite 9 schreibt. Damit gibt es auch keinen Grund mehr, die Verbindung Stuttgart-Zürich auch nur einen Tag zu unterbrechen, und die Bahnkunden am Bahnhof S-Vaihingen stranden zu lassen.

Die geplante Durchbindung der Gäubahn über den Flughafenbahnhof an den S21-Tiefbahnhof ist zum heutigen Zeitpunkt vollkommen offen, was den Zeitablauf angeht. Für den betreffenden Planfeststellungsabschnitt 1.3b gibt es – Stand heute – keine Genehmigung für die Bahn AG – Klagen der Schutzgemeinschaft Filder e.V. werden überdies vor Gerichten verhandelt. Vorsichtige Schätzungen gehen von bis zu drei Jahren Sperrzeit aus (Bahn-Report, 3/2019, S. 5). Angesichts der bisherigen Verzögerungen und der schwierigen Gemengelage dürfte die tatsächliche Sperrzeit jenseits der drei Jahre liegen. Konkret bedeuten würde dies für täglich 8.000 Reisende, dass alle Zugverbindungen aus Zürich, Singen, Rottweil, Horb usw. nicht mehr zum Hauptbahnhof geführt werden, sondern in Stuttgart-Vaihingen enden würden. Von dort aus bestünde dann eine Umsteigemöglichkeit in S- und Stadtbahnen – die allerdings schon heute – zumindest in der Hauptverkehrszeit – kaum mehr Passagiere aufnehmen können.

Ein unnötiger und vermeidbarer Zwischenhalt und der Verlust eine Entstörungsstrecke für den S-Bahn-Verkehr wären das Ergebnis eines solchen Planvollzugs. Daran ändern auch die Vorschläge nichts, ein Gäubahn-Stumpfgleis am Nordbahnhof einzurichten – die verkehrlichen Probleme vor allem für Fernreisende würden nicht gelöst, sondern verlagert.

Die Panoramabahn ist bereits heute ein essenzielles Stück Schieneninfrastruktur und verfügt überdies über noch mehr Potenzial, um die angestrebten Zuwächse im Schienenverkehr realisieren zu können. Diese Strecke still zu legen wäre eine Bankrotterklärung gegenüber der ökologischen Verkehrswende.

Unsere Anträge zum Thema Gäubahn und Panoramabahn aus der Vergangenheit wurden von der Verwaltung und der Bahn bisher immer ausweichend beantwortet. (Betriebskonzept für Panorama-Express-S-Bahn Zuffenhausen – S-Vaihingen, (Nr. 617/2019) vom Oktober 2019; S-Bahn-Vorlaufbetrieb auf der Gäu-/Panoramabahn (Nr. 109/2016) vom April 2016; Klarheit schaffen: Wann werden Gäubahn bzw. Panoramabahn gesperrt und wie lange? (Nr. 262/2019), vom September 2019).

Durch den Unwillen der Verwaltung, sich mit der Gäubahn zu befassen und dem Gemeinderat die Möglichkeit zu geben sich politisch zu dieser Trasse und möglichen Betriebsvarianten zu verhalten, sehen wir uns gezwungen, unsere Rechte nach der Gemeindeordnung in Anspruch zu nehmen, diese Resolution dem Hauptorgan zur Debatte und Entscheidung vorzubringen.