4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart rechtskonform machen! Änderungsantrag zu GRDrs 848/2019

Wir beantragen:

  1. Die Maßnahme M1 „Einzelstreckenverkehrsverbot“ für Euro-5-Diesel wird abgelehnt. Stattdessen wird in der Stellungnahme ein zonales Fahrverbot für Euro-5-Diesel in der Umweltzone Stuttgart gemäß Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen des 4. Luftreinhalteplans eingefordert.
  2. Zur Maßnahme M2 „Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h“: Der Gemeinderat fordert als Ergänzung zu Tempo 40 im gesamten Kessel die Begrenzung auf Tempo 30 in den Nachtstunden zwischen 22.00 und 6.00 Uhr im Vorrangstraßennetz. Hierzu ist eine zusätzliche Beschilderung vorzunehmen und dementsprechend die Neuprogrammierung der Lichtsignalanlagen umzusetzen.
  3. Neue Maßnahme: Die Stadt Stuttgart ersucht das Land für PKW mit einem Leergewicht von über zwei Tonnen und/oder einer Motorisierung von über 150 PS/ 110 kW ein Fahrverbot in der Umweltzone zu erlassen.
  4. Ergänzung der Stellungnahme hinsichtlich der „Drittmittelfinanzierung“: Die Stadt Stuttgart ersucht das Land, die gesetzliche Grundlage für eine Drittmittelfinanzierung des ÖPNV zu erlassen. Künftig soll es Kommunen auf freiwilliger Basis ermöglicht werden den öffentliche Verkehr als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge solidarisch zu finanzieren und hierzu eine Nahverkehrsabgabe zu erheben. Die Stadt Stuttgart bietet sich hierzu als Modellkommune an, um die Wirkweise einer Drittmittelfinanzierung im Rahmen eines Pilotversuchs zu untersuchen.

Begründung:

Auch mit dem Entwurf der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans begeht das Land erneut vorsätzlichen Rechtsbruch. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 ist eindeutig. Das Land Baden-Württemberg ist verpflichtet nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung flächendeckend Fahrverbote für Euro-5-Diesel Fahrzeuge mindestens in der Umweltzone Stuttgarts zu erlassen – und nicht wie in der Maßnahme M1 vorgesehen ausschließlich auf einzelnen Strecken mit der Konsequenz erheblicher Ausweichverkehre. Die seit dem Jahr 2010 geltenden gesetzlichen Grenzwerte für Stickoxid wurden in Stuttgart durchgehend nicht eingehalten. Sämtliche Urteile von Verwaltungsgerichten, Verwaltungsgerichtshöfen und des Bundesverwaltungsgerichts hat das Land im Kern ignoriert. Umso erstaunlicher, dass die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag Nicole Razavi nun verbreitet, die CDU wolle „die Entscheidungen des Gerichts nicht einfach ignorieren“ (Siehe Stuttgarter Zeitung vom 7. September 2019). Nun wird es also höchste Zeit, das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig sofort umzusetzen, indem für die gesamte Umweltzone Stuttgart ab sofort Fahrverbote für Euro-5-Dieselfahrzeuge verhängt werden.

Im Zuge der Temporeduzierung im Stuttgarter Kessel von 50 auf 40 soll die Stadt sich dafür einsetzen, dass gleichzeitig nachts in diesem Bereich Tempo 30 zur Verminderung der Luftschadstoffbelastung angeordnet wird. Die Ergebnisse der Lärmkartierung zeigen deutlich, dass der Lärmpegel nachts an den vielbefahrenen Straßen im Stuttgarter Talkessel über dem Grenzwert von 59 Dezibel (A) tagsüber und 49 Dezibel (A) nachts liegt. Mit der flächendeckenden Einführung von Tempo 30 nachts würde ein wichtiger Beitrag zur Lärmreduzierung geleistet und die Verkehrssicherheit erheblich erhöht. Städte wie Freiburg im Breisgau haben solche Beschlüsse bereits mit übergroßer Mehrheit im Gemeinderat gefasst und umgesetzt.

Auch aus Gründen der Verkehrssicherheit muss die Geschwindigkeit in den Städten reduziert werden: Ein Pkw, der mit Tempo 60 unterwegs ist, verfügt über eine viermal so hohe Zerstörungskraft wie ein Auto, was mit Tempo 30 unterwegs ist.

Die Verkehrsunfälle, bei denen Fußgänger*innen verletzt oder getötet wurden, haben sich in den letzten Monaten gehäuft. Dabei war ein Muster erkennbar: Hochmotorisierte Fahrzeuge, oftmals in der Kategorie Möchtegern-Geländewagen in der Gewichtsklasse oberhalb von zwei Tonnen Leergewicht. Solche Fahrzeuge haben in einer Stadt aus mehreren Gründen nichts verloren: Sie benötigen unnötig viel Platz, sie verpesten die Luft überdurchschnittlich, da sie übermäßigen viel Treibstoff verbrennen, und sie gehören zu den Fahrzeugen, die im Fahrbetrieb den meisten Lärm verursachen.

Derartige Gefährte bringen den Stuttgarter*innen ausschließlich Nachteile und gehören raus aus der Stadt. Die Verwaltung soll sich dafür einsetzen, dass ein Instrument geschaffen wird, wie diese „Stadtpanzer“ dauerhaft verboten werden können. Der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte Stephan von Dassel (B90/Grüne) forderte jüngst nach einem schweren Unfall mit mehreren Toten ein Verbot sogenannter SUV in den Städten mit folgenden Worten: „Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt. Es sind Klimakiller, auch ohne Unfall bedrohlich, jeder Fahrfehler wird zur Lebensgefahr für Unschuldige.“ Klare Worte fand auch Marion Tiemann, Verkehrsexpertin von Greenpeace: „Mit ihren spritschluckenden SUVs zeigen die Autobosse zukünftigen Generationen und lebenswerten Städten den Mittelfinger. Wollen die Hersteller nicht länger ein großer Teil des Problems bleiben, müssen sie schleunigst auf kleine, leichte, geteilte E-Autos setzen und Mobilität als Dienstleistung begreifen”

Als Ergänzung zur Stellungnahme beantragen wir zudem die gesetzlichen Grundlagen für eine Drittmittelfinanierung des ÖPNV. Insbesondere in der Form, dass gemäß des Verursacherprinzips Verkehrsmittel mit hoher Umweltbelastung verteuert werden, um den umweltschonenden ÖV zu finanzieren. Die Drittmittelfinanzierung wäre in dieser Ausgestaltung ein erheblicher Schritt zur Luftreinhaltung und Entlärmung der Stadt.