Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, liebe Menschen,
es geht heute um die Frage, wie es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Stadt bestellt ist und wie wir ihn verbessern können. Was ist uns in Stuttgart wichtig? Wollen wir zu einer Stadt werden, in denen nur noch die Reichen in teuren Luxushotels oder Penthouse-Wohnungen leben. Oder ist es uns wichtig, dass in unserer Stadt auch morgen noch Krankenschwestern, Stadtbahnfahrer, Polizisten und Erzieher leben können? „Wir müssen unsere Stadtgesellschaft erhalten, sonst geht unsere Stadt kaputt.“, sagte Christine Hannemann, Soziologin der Universität Stuttgart.
Die Rahmenbedingungen für die Sozialgesetzgebung, wie z.B. die Rentenhöhe oder das Arbeitslosengeld durch Bundesgesetze vorgegeben. Wir können als Kommunalpolitiker korrigierende Maßnahmen ergreifen und bestimmte Zielgruppen unterstützen. Korrekturen reichen aber nicht, daher setzt sich die LINKE bundesweit für die Benachteiligten dieser Gesellschaft ein.
Fast alle Aufgabenbereiche der Kommunalpolitik haben sozialpolitische Auswirkungen. Daher ist kommunale Sozialpolitik eine bedeutende Querschnittsaufgabe. So muss in der Verkehrspolitik dafür gesorgt werden, dass auch Menschen mit kleinem Geldbeutel mobil sind. Über niedrige Ticket-Preise für Busse und Bahnen, z.B. einem 365-Euro-Jahresticket, wie wir es gefordert haben, ist das möglich. Wir haben entsprechende Haushaltsanträge gestellt. Doch die anderen Fraktionen haben sich uns meist nicht angeschlossen.
Soziale Kommunalpolitik bedeutet für uns, dass auch in den Themenbereichen Kultur, Sport und Bildung Teilhabe für alle Menschen gewährleistet wird.
Wir feiern 70 Jahre Menschenrechte und wir können darauf stolz sein. In der EU- und UN-Charta gilt auch Wohnen als Menschenrecht. Dieses Menschenrecht können wir in der reichen Stadt Stuttgart nicht gewährleisten.
Unser allergrößtes soziales Problem in Stuttgart ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wohnungspolitik ist eines der zentralen sozialpolitischen Themen. Wir haben es auf der letzten Generaldebatte hier diskutiert und mein Kollege Thomas Adler hatte unser Konzept für eine soziale Wohnungspolitik vorgestellt. Ich brauche hier daher nicht näher darauf einzugehen!
Kommunale Sozialpolitik muss integrieren. Alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, Alters, Geschlechtes, Herkunft oder sexuellen Orientierung sollen sich hier gut leben können. Und kommunale Sozialpolitik betrifft alle Lebensphasen des Menschen, von der Geburt über die Kindheit, Jugend, das
In der ersten Jahreshälfte 2018 stieg die Einwohnerzahl um 515 Personen. Mehr als die Hälfte des Anstiegs führt das Amt auf einen Geburtenüberschuss zurück. Das ist schön! In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden 306 mehr Kinder geboren, als Menschen verstarben. Aber die Stuttgarter Kliniken sind nicht für so viele Geburten gerüstet. In Stuttgart gab es zunehmend Fälle, dass hochschwangere Frauen zur Entbindung in Kliniken kamen und abgewiesen wurden. Auch Hebammen sind Mangelware. Es ist sehr gut, dass es Frühe Hilfen und viele Beratungsangebote in Stuttgart für junge Eltern und ihre neugeborenen Kinder gibt. Das müssen wir erhalten. Es ist schön, dass Stuttgart kinderfreundlich sein möchte. Wenn wir aber eine kinderfreundliche Stadt sein wollen, dann müssen wir über genügend Kitaplätze und gut qualifiziertes Personal sprechen. Damit wir ausreichend Erzieherinnen für unsere Kindergärten finden, müssen wir sie auch so bezahlen, dass sie in Stuttgart leben und wohnen können!
Alle Kinder haben das Recht auf eine gute Bildung, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern! Aber trotz überquellender Kassen sind in Stuttgart Kinder mit knapp 14 Prozent die zweitgrößte Gruppe an Sozialgeldempfängern! (Jobcenter-Jahresbericht 2017, S.33). Wir müssen, um Kinder da herauszuholen, an einer extrem frühen Förderung arbeiten. Daher fordern wir den kostenlosen Kita-Besuch für alle Kinder.
Und Kinderfreundlichkeit heißt auch den Gesundheitsschutz von Kindern ernst zu nehmen. Daher müssen wir auch über die schlechte Luft in Stuttgart sprechen. Es ist unsere Aufgabe, für gute Luft, saubere Grünanlagen und schöne Spielplätze zu sorgen. Kinder müssen draußen spielen können, ohne dass ihre Gesundheit gefährdet ist: weder durch die Luft, noch durch herumliegende Spritzen. Wenn die Luft aber krankmacht, reicht es nicht, ein oder zwei Mooswände aufzustellen! Der Verkehr muss reduziert werden, wie es mein Kollege Rockenbauch im April aufgezeigt hat.
Kinder müssen sich bewegen, sportlich betätigen. Die Sportvereine übernehmen hier eine wichtige Funktion. Vereine holen die Kinder von der Straße. Sport stärkt Kinder, gibt ihnen Selbstvertrauen und trägt wesentlich zur Integration bei. Daher gilt es, die Vereine zu stärken und auch Bäderpreise zu senken, denn eine Studie zeigt, dass Stuttgart die vierthöchsten Eintrittspreise in Deutschland aufweist. Auch muss Geld für die Sanierung der Bäder bereitgestellt werden, denn Schwimmen lernen steht als Pflichtaufgabe im Bildungsplan, es ist kein nettes Extra!
Die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche muss auch nach der Kindergartenzeit gewährleistet werden. Ebenso wie die Kinder sind auch die Jugendlichen die Zukunft unserer Stadt.
Nachhaltige Politik zu machen, heißt hier, die Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen optimal zu fördern. Wir fordern deshalb auch mehr Unterstützung für die Jugendhäuser, die mobile Jugendarbeit und Streetworker.
Besonders im Jugendalter kommt es immer wieder zu Zerwürfnissen zwischen den Jugendlichen und der Familie oder Schule. Im schlimmsten Falle müssen die jungen Menschen von der Straße geholt werden und mit Beratung und Unterstützung wieder in geordnete Verhältnisse begleitet werden. Schul- und Ausbildungsabbrecher müssen begleitet und unterstützt werden. Deswegen unterstützt unsere Fraktion das Jugendamt und das Jobcenter.
Bevor ich zum Erwachsenenalter komme, muss ich auf ein besonders bitteres Kapitel eingehen: das Leben von Kindern in Sozialpensionen.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Kinder in Hartz-vier-Familien deutlich schlechtere Startchancen haben. Meist noch schlechter geht es Kindern, die nicht einmal in einer eigenen Wohnung, sondern in Sozialpensionen leben müssen. Meist sind es Kinder mit alleinerziehenden Elternteilen. 2017 mussten 258 minderjährige Kinder in Sozialhotels leben. Der Begriff Sozialhotel ist eigentlich völlig unangemessen, da viel zu beschönigend. Es sind Unterkünfte in meist ehemaligen Hotels, in den oft seit Jahrzehnten keine Renovierungen mehr gemacht wurden und die dann zu Wucherpreisen an die Stadt zur Unterbringung von Menschen vermietet werden. Die Stadt Stuttgart hat im Jahr 2016 über fünf Millionen Euro für die Unterbringung wohnungsloser Menschen in Sozialpensionen ausgegeben. Die Ausgaben steigen mit zunehmender Wohnungsnot.
Dieses Geld wäre besser in menschenwürdigem Wohnraum angelegt. Wohnraum, in denen Kinder ein Zimmer mit Schreibtisch haben, in denen ihnen in einer behüteten und ruhigen Umgebung das Lernen ermöglicht wird, damit sie nachts schlafen können. Dies ist in einem Sozialhotel alles nicht möglich! Daher haben wir einen Antrag gestellt, dass die Stadt Stuttgart ein Konzept entwickelt, mit dem sichergestellt wird, dass alle Familien mit Kindern innerhalb eines Jahres aus den Sozialpensionen in Sozialwohnungen vermittelt werden!
Armut wird auch in dieser Stadt vererbt und es liegt in unserer Verantwortung diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Wir kommen zum Erwachsenenalter:
Erwachsene brauchen Arbeit, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Von Teilzeitarbeit ist keine Familie zu ernähren. Es ist bedauerlich, dass auch nach 100 Jahren Frauenwahlrecht, Frauen weniger verdienen als Männer. Dies führt Kinder in die Armut und später die Frauen selbst in die weibliche Altersarmut.
Und ebenso stieg – trotz der guten wirtschaftlichen Lage – die Anzahl der Langzeitarbeitslosen auf knapp 20.000 Menschen an, das sind vier Prozent mehr gegenüber dem Vorjahr.
Menschen, die in prekären Verhältnissen und in Unsicherheit leben, sei es wegen ihrer Wohnungssituation, wegen Arbeitslosigkeit, Lärm- und Luftbelastung oder auch wegen Zerwürfnissen in ihrer sozialen Umgebung werden krank. Sie sind besonders, Gefahren der Alkoholabhängigkeit und sonstigen Suchtgefahren ausgesetzt. Ich habe mich daher immer stark gemacht für verschiedene Projekte der Suchtprävention.
Lassen Sie mich noch auf die Situation Geflüchteter Menschen in Stuttgart eingehen:
Wir fordern rechtliche Klarheit für alle Geduldeten, insbesondere für die Menschen in Ausbildung. Es darf nicht sein, dass diese Geflüchteten hier Fuß fassen und dann abgeschoben werden. Dies auch ein Problem für viele Unternehmen und wirkt sich negativ auf die Bereitschaft aus, Geflüchtete auszubilden.
Wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, mit Hilfe der Flüchtlingsfreundeskreise, die völlig überhöhten Wohngebühren für Geflüchtete zu reduzieren!
Kommen wir zu den beiden letzten Lebensphasen, dem Alter und der Zeit von Pflegebedürftigkeit.
Wir sind auf einem guten Weg im öffentlichen Bereich und im Nahverkehr Barrierefreiheit umsetzen. Bei barrierefreien Wohnungen sieht es bisher schlecht aus, hier muss noch viel getan werden!
Wir danken dem Stadtseniorenrat, der die Bedürfnisse der Älteren im Blick hat. Seine Arbeit ist wertvoll und inzwischen so umfangreich, dass wir im Haushalt gerne Mittel für den Stadtseniorenrat beantragt haben.
Wir müssen für ein ausreichendes Angebot Pflegeplätzen und für Hospizplätze sorgen, die bezahlbar sind. Demenzfreundliche Quartiere und eine kultursensible Altenpflege sind weitere Forderungen von uns.
Zum Schluss möchte ich mich im Namen meiner Fraktion herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken, die sich kommunal oder auch in freier Trägerschaft mit sehr großem Engagement für die Benachteiligten unserer Gesellschaft einsetzen. Ohne sie wären viele Menschen in Stuttgart verloren.
Wir sind als Gemeinderat aufgerufen, in einer reichen und vielfältigen Stadt dafür zu sorgen, dass ein gutes, respektvolles Zusammenleben unter allen Menschen möglich ist. Wir wollen in einem bunten Stuttgart leben, in dem sich Menschen mit Migrationshintergrund genauso wohl fühlen, wie ohne. Ich werde mich weiterhin für Menschen mit homo-, trans- oder intersexueller Orientierung einsetzen. Unsere Parteien kämpfen, dass die Chancen der Kinder nicht vom Einkommen der Eltern abhängen und dass alte Menschen nicht in Armut leben müssen, weil ihre Renten zu klein sind. Die Menschenwürde muss die Richtschnur unserer Sozialpolitik sein! Alles andere ist demokratiegefährdend! Wir müssen die Menschen, die in Not sind, auffangen und ich sage es noch einmal: wir haben die Mittel dazu!
Und ich möchte davor warnen, den Rechtspopulisten auf den Leim zu gehen. Wir haben eine gefährliche Entwicklung in Deutschland, Europa und in der ganzen Welt! Wer glaubt, dass die sich für die Armen einsetzen liegt falsch!
Ich möchte aber auch erwähnen, dass Stuttgart auch eine wunderschöne Stadt ist, in der Menschen, vieler Nationen friedlich und gerne miteinander leben. In Stuttgart ist kein Platz für Hass und Rassismus, Stuttgart ist bunt und die Politik profitiert von der Vielfalt in dieser Stadt.
Danke und Danke für Ihre Aufmerksamkeit